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WIEN / Josefstadt: DAS WEITE LAND

Lebloser Zug der Schatten

22.05.2025 | KRITIKEN, Theater

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Fotos: Theater in der Josefstadt

WIEN / Theater in der Josefstadt: 
DAS WEITE LAND von Arthur Schnitzler
Premiere: 22. Mai 2025,
besucht wurde die Generalprobe

Lebloser Zug der Schatten

Arthur Schnitzlers „Das weite Land“, eines seiner besten und berühmtesten Stücke, hat es in den letzten Jahren auf Wiener Bühnen nicht leicht. Alvis Hermanis inszenierte es 2011 im Burgtheater völlig sinnfrei im Stil eines alten Schwarzweiß-Films mit einer viel zu alten Besetzung. Und Barbara Frey machte 2022 im Akademietheater einen in Tiefschwarz getauchten, fast lächerlichen Leichenbitter daraus, in dem beispielsweise Herr und Frau Aigner von derselben Schauspielerin gespielt wurden… Wenn „Das weite Land“ in der Josefstadt jetzt „nur“ in Form eines „Zugs der Schatten“ ziemlich lähmend daher kommt, mag das zwar nicht ganz so schlimm erscheinen wie voran gegangene Erfahrungen. Aber dem Stück wird man überhaupt nicht gerecht. Zudem erfüllt nicht ein einziger Darsteller die Dimensionen und Möglichkeiten  seiner Rolle.

Regisseur Janusz Kica hat schon 2016 an der Josefstadt Hofmannsthals „Schwierigen“ gänzlich falsch angepackt, indem er ihn aus seinem Ambiente löste und die Figuren verständnislos zu trockenen Schemen machte. Das erfolglose Konzept wird mit demselben desaströsen Ergebnis hier wiederholt, denn der Regisseur geht ähnlich mit dem „Weiten Land“ vor.

Es spielt nicht mehr in Baden (der Luxus der Wiener Superreichen in ihren Sommer-Villen) und am Völser Weiher (Dolomiten-Flair im Luxushotel), sondern im Niemandsland einer leeren Bühne, die sich manchmal um eine weiße Wand dreht und alle Mühe hat, wenigstens ein paar Sitzgelegenheiten bereit zu stellen. Eine Ausstattung kreiert eine Welt. Wenn man einen luftleeren Raum zu bieten hat wie Kica und ihn nicht füllt, bleibt – Leere. Und wo sollte man dieses sozial so stark im Wien um 1900 verortete Stück in der Josefstadt vermuten? Es ist zwar immer noch die Rede davon, dass ein Schiff der k.u.k- Marine von Pula abfährt, und man löst seine Probleme (oder auch nicht) mit einem Duell, aber die Kostüme sind reizlos von heute und Genia Hofreiter setzt sich Kopfhörer auf, um – ja, was zu hören? Man ahnt es nicht, weil man von dieser Frau so wenig erfährt wie von allen anderen. Die Idee, man hole ein Stück von gestern solcherart ins Heute sollte sich längst als unsinnig herausgestellt haben.

Auf leerer Bühne wirkt vor allem der erste Akt, als befände man sich auf einer Stellprobe, wo alle in ihren Alltagskleidern herumgehen und ziemlich uninteressiert ihren Text abliefern. Später gibt es nuancenhaft hier und da etwas mehr Lebendigkeit, aber das, was alle nicht spielen, ist viel mehr als das, was sie bieten. Hie und da ein paar Gruppierungen zu arrangieren, erzeugt noch gar nichts – die immense innere Spannung des Stücks bleibt die Aufführung ebenso schuldig wie den reichen Humor, den Schnitzler immer wieder hervorblitzen lässt. Und das Bild einer glatten, hedonistischen Gesellschaft, das Schnitzler zeichnet (und damit mit dem Großbürgertum der ausklingenden Monarchie abrechnete) findet nicht statt – weil es hier keine Gesellschaft gibt, sondern nur Schauspieler, denen die Regie kein Leben verliehen hat.

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Friedrich Hofreiter ist ein Mann, der von seinen erotischen Bedürfnissen getrieben wird und ihnen nachgibt. Er müsste allerdings nicht nur als der Mann erscheinen, der jede Frau haben will, sondern auch als der schillernde, verführerische Mann, den jede Frau haben will,. Bernhard Schir ist hingegen der Inbegriff der Trockenheit, ein Mann, der zu Beginn schlecht gelaunt erscheint und am Ende mit einigermaßen tragischer Pose wieder abgeht, ohne dazwischen im geringsten fasziniert und gefesselt zu haben. Ähnlich farblos geht Maria Köstlinger als seine Gattin, weiß gekleidet, durch das Geschehen, eine Ikone der Langeweile. Etwas mehr Leben bringt Johanna Mahaffy als Erna mit, sie hat das Selbstbewusstsein dieses jungen Mädchens, kaum allerdings deren erotische Ausstrahlung.

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Als Fehlbesetzung muss man Sandra Cervik als Anna Meinhold-Aigner bezeichnen, mag sie vielleicht privat das Alter der Figur haben, hier steht sie einfach zu jung und vor allem zu unbedeutend im Geschehen. Herbert Föttinger als Herr von Aigner hat nichts von der grandseigneuralen Ausstrahlung der Figur, man käme kaum auf die Idee, wie wichtig diese Rolle ist. Und wenn man einen Schauspieler, den man so lange vermißt hat wie Martin Zauner, endlich als Portier Rosenstock einsetzt, sollte man ihn die Rolle auch spielen lassen, statt ihn in Bedeutungslosigkeit zu versenken.

Wo ist bei Ulli Maier der Humor, den die Dümmlichkeit der Frau Wahl ausstrahlt? Wo ist bei Martina Stilp die Erotik der Frau Natter? Wo ist bei Günter Franzmeier die Perfidie des Natter? Und gar der Dr. Mauer, der als Gegenposition zu der Hofreiter-Welt in Gestalt des durch und durch uninteressanten Marcus Bluhm gar nicht auffällt? Eine Fülle herrlicher Gestalten verschenkt, sie finden nicht statt, die Verständnislosigkeit des Regisseurs, der keine Ahnung hatte, wie Schnitzler zu gestalten ist, lieferte nichts als drei Stunden ziellosen Herumstehens auf Josefstadt-Brettern.

Renate Wagner

 

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