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WIEN / Josefstadt: DAS KONZERT

16.10.2020 | KRITIKEN, Theater


Sandra Cervik, Herbert Föttinger Foto: Theater in der Josefstadt

WIEN / Theater in der Josefstadt:
DAS KONZERT von Hermann Bahr
Premiere: 15. Oktober 2020

Was ist an Hermann Bahrs „Konzert“ unbedingt allzu gestrig und antifeministisch, wie Sandra Cervik in einem Interview verlauten ließ? Es gibt darin eine blitzgescheite Frau, eine strohdumme und eine, die dauernd nörgelt. Dazu einen unvorstellbar eitlen Mann, einen Dampfplauderer und einen Raunzer. All das soll im wirklichen Leben vorkommen. Und wenn die blitzgescheite Frau eigentlich die Handlung lenkt – was ist schlecht daran?

Aber im Theater in der Josefstadt will man in der Regie von Janusz Kica nicht dulden, dass Frau Marie Heink mit der Souveränität, die man in der Schnitzler-Zeit bei Ehefrauen als selbstverständlich voraussetzte, die Seitensprünge ihres Pianisten-Gatten duldet. Mehr oder minder ins Heute verlegt, lässt sich eine Frau das einfach nicht mehr gefallen. Also versteht man am Ende, warum sie schon im 1. Akt offenbar für sich einen Koffer gepackt hat und einen Brief nervös in die Taille steckt, wieder hervorholt, wegsteckt: der Abschiedsbrief…

Dann begibt sich die allzu bekannte Geschichte, dass der Gatte ein „Konzert“ (Euphemismus für einen Seitensprung in der eigenen Waldhütte, die von einem alten Ehepaar gehütet wird) mit einer jungen Dame plant, deren Ehemann etwas unternehmen will. Frau Heink ist dabei, fährt mit diesem Dr. Jura zur Hütte, und wie die beiden Paare dort zusammen treffen… es ist so bekannt und fast schon abgespielt, dass man sich damit schwertut.

Aber da ist auch noch die neue Aussage, die hier in einem doppelten Schluß gipfelt. Denn nachdem Heink seiner Frau Vorwürfe (!) gemacht hat, dass sie nicht alles brav und schweigend hinnimmt wie immer, sondern einmal aufbegehrt hat, meint er zufrieden, es sei alles wieder in bester Ordnung. Und die nächste Dame ist, hoffnungsvoll, auch schon da, bereit zu absolut allem … Erste Version des Schlusses: Heink findet Abschiedsbrief und Ehering der Gattin, wirft einen Blick auf die Hoffnungsvolle (in schwarzer Unterwäsche) und eilt der Gattin nach. Zweite Variante: Heink findet Abschiedsbrief und Ehering der Gattin, wirft einen Blick auf die Hoffnungsvolle (in schwarzer Unterwäsche), pfeift auf die Gattin und nimmt das neue erotische Angebot an. Er kann nicht anders…

Und die sonst so nachsichtige Marie (weil sie weiß, dass er dumm, eitel und arm ist)? Sie tut, was eigentlich unlogisch ist (sonst hätte sie das Spiel mit dem Gatten und mit der Rivalin nicht so weit getrieben): Frau Heink will sich scheiden lassen. Die neue Josefstadt-Variante.

„Das Konzert“ von Hermann Bahr ist ein Darsteller-„Sextett“, man spielt es, wenn man sechs außergewöhnliche Besetzungen dafür hat (der Rest ist nicht weiter erwähnenswert). In der Josefstadt wurde das Stück für das Direktoren-Ehepaar angesetzt, das ja auch von Zeit zu Zeit gute Rollen verdient, wer sagt schon was dagegen? Die Fassung, die Janusz Kica inszeniert (zwischen kahlen Wänden, wie er es so gern tut – Ausstattung: Karin Fritz – hält er das für eine Voraussetzung, „modern“ zu wirken?), ist zwar brutal gekürzt, aber Herbert Föttinger bekommt schon seine Möglichkeiten, die Eitelkeit des notorischen Bonvivants Gustav Heink auszuspielen und dabei doch ein bisschen von der panischen Angst vor dem Alter spüren zu lassen.

Aber wir sind ja in der Welt von heute, #metoo, auch ich wurde von den Machtansprüchen eines Mannes klein gemacht!!! denkt Frau Heink hier ununterbrochen. Und Sandra Cervik, ganz in Weiß, bietet mit großen Augen (von oben herab) den überlegenden Blick der Frau, die alles durchschaut und den Kopf schüttelt. Nur dass sie, wie vielfach erwähnt, gegen Hermann Bahrs Willen die Nase voll hat und geht…

Nun stockt man schon, denn die Anforderungen an das „Sextett“ der richtigen Schauspieler erfüllt die Josefstadt nicht. Alma Hasun wirkt, sie kann nichts dagegen tun, a priori so intellektuell, dass man ihr nie und nimmer die dumme Gans Delfine Jura glaubt. (Sie soll es als Kompliment nehmen, dass sie diese nicht erspielen kann.) Martin Vischer hat ein lustiges Gesicht und will nicht der penetrant sprudelnde Komiker sein, den Peter Weck vor Jahrhunderten in dieser Rolle vorgemacht hat, aber auf seine Weise wirkt Vischer ein wenig gezwungen und eigentlich kaum komisch.

Ja, und Siegfried Walther und Susanna Wiegand als Ehepaar Pollinger? Sie kommen nicht einmal annähernd in die Nähe dessen, was mit diesen Rollen möglich ist.


Herbert Föttinger, Michaela Klamminger  Foo. Theater in der Josefstadt

Und so tut sich das „Konzert“, von dem man in Wien immer meint, dass es sich „von selber“ spielt, hier schwer (hat ja auch, wenn man ehrlich ist, zuletzt schon im Burgtheater mit Simonischek und Fritsch nicht so wirklich geklappt). Michaela Klamminger steht zur Freude der Männerwelt am Ende in schwarzer Unterwäsche da. Zu Beginn hat sich der Regisseur sehr bemüht, das Herumwirbeln der Verehrerinnen des Professors geradezu zu choreographieren, aber so wichtig ist es nicht, Aufwand überflüssig. Und was Martina Stilp und Alexandra Krismer betrifft – müssen auf diese Art „Ensemblehunde“ (bitte, der Ausdruck stammt von Alma Seidler!) mit zwei, drei Sätzen ihre Abende herunter spielen?

Die Josefstadt kann nur hoffen, dass sich das Publikum Unterhaltung im alten Sinn erhofft und in dieses „Konzert“ geht, ohne gleich seine Vergleiche mit klassischen Aufführungen mitzubringen.

Renate Wagner

 

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