Fotos: Theater in der Josefstadt
WIEN / Theater in der Josefstadt:
BIEDERMANN UND DIE BRANDSTIFTER von Max Frisch
Premiere: 10. Oktober 2024,
besucht wurde die Generalprobe
Des Bürgers Unterwerfung
Es war natürlich reine Koketterie von Max Frisch, sein Stück „Biedermann und die Brandstifter“ als „Lehrstück ohne Lehre“ zu bezeichnen. Wenn es je eine Lehre gab, dann diese – wie naiv, dumm und hirnlos sich der Bürger darauf einlässt, sich seine eigenen Vernichter ins Haus zu holen…
In dem Stück von Frisch brennt es allerorten, aber der reiche Großbürger, schlechten Gewissens ob seines Wohlstandes, wirft jene Vernunft und Vorsicht von sich, wenn er zwei verdächtige Gestalten ja doch bei sich wohnen lässt – und alle völlig offen da liegenden Anzeichen des unvermeidlichen Untergangs einfach nicht sehen will.
Vertreter dieser Welt ist Herr Biedermann, in dessen Namen Frisch ganz bewusst (es ist ein mit Absicht vordergründiges Stück) sowohl Jedermann wie Biedermeier eingebaut hat, er „will nicht so sein“, nicht immer das Schlimmste denken, nicht andere ausgrenzen, möchte auch beweisen, dass er trotz seines Wohllebens nicht hochmütig ist, – es gibt so viele Gründe (heute schreibt man sie den „Gutmenschen“ zu), sich nicht abzuschotten. Und wenn die anderen einem dann zu nahe gekommen sind – dann ist da einfach die blanke Angst, die die logische Verhaltensweise verhindert, endlich einmal entschlossen Nein zu sagen.
Man hat die Ideologie, um die es gehen könnte, in jeder Epoche anders definiert. 1958, nach der Züricher Uraufführung, war es der Nationalsozialismus, den einst viele zu lange nicht ernst genommen hatten – bis es zu spät war. Dann spielte man Interpretationen auf und ab, aber im Grunde stimmen die Strukturen immer. Frisch zeigt es meisterhaft in einem Stück, das Lehrstück, Satire . Groteske und bitterschwarze Komödie zugleich ist, eine politische Parabel mit Nutzanwendung.
Natürlich auch heute, wo man es in zwei Richtungen deuten kann. Die eine ist die Migration – die Tore öffnen, auch wenn man längst weiß, dass die Situation nicht mehr zu bewältigen ist (es „brennt“ ohnedies schon aller Orten). Die andere Interpretationsmöglichkeit bezieht sich auf das Vordringen der „Rechten“, und woran man in der deklariert „linken“ Josefstadt des Herbert Föttinger denkt, ist klar, wenn als Schlußwort die „Brandmauer“ gefallen ist – ein Begriff, den es bei Max Frisch nicht gibt.
Man kann aber auch in jene Richtung denken, die Michel Houellebecq 2015 so brillant in seinem Roman „Unterwerfung“ geschildert hat – die politische Infiltration in das bürgerliche Leben, die sich so sehr Schritt für Schritt vollzieht, dass man den Untergang scheinbar nicht einmal bemerkt…
Nun, Herr und Frau Biedermann gehen an ihrer Dummheit zugrunde. Allerdings hat Max Frisch seinem Stück ein halbes Jahr nach der Uraufführung noch ein Nachspiel nachgesendet, das in der Josefstädter Aufführung leider gespielt wird – leider, denn es ist verzichtbar, weil einfach schlecht. Herr und Frau Biedermann erst im Himmel, dann in der Hölle, am Ende ratlos, bringt gar nichts, keine Erkenntnis und auch keinen Unterhaltungswert.
Im übrigen hat man den Abend Regisseurin Stephanie Mohr anvertraut, die zuletzt mit dem „Himbeerpflücker“ bewiesen hat, wie souverän ihr politische Parabeln von der Hand gehen. Allerdings war Hochwälders Stück geradliniger, eindeutiger. Frisch macht es allen schwerer, mit seinen „Stimmungsschwankungen“ zwischen düster und lustig, und nicht zuletzt mit seiner Einführung eines Chores, wie ihn die griechische Tragödie kannte.
Damit tut sich die Regisseurin schwer. Die Feuerwehrmänner sind (es geht nicht mehr anders, der Genderwahn sitzt hoffnungslos in den woken Köpfen) hier Frauen geworden (ebenso wie der „Doktor phil.“ zur Frau mutiert ist), aber man fragt sich, ob die Dodel-Schar, die die jungen Damen da abgeben müssen, der richtige Weg ist. Dass die Chorführerin von Lore Stefanek gespielt wird, ist schlechtweg ein tragischer Blick auf „Sic transit gloria mundi“, wenn man den Rang bedenkt, den diese Schauspielerin einst innehatte – und die jetzt, um die 80, um diese Art Gnadenbrot betteln muss.
In einem geschickten, einstöckigen Bühnenbild von von Miriam Busch (man muss schließlich sehen, wie die Ölfässer am Dachboden gelagert werden) ist Marcus Bluhm Herr Biedermann, brutal zu den Angestellten und Untergebenen, aber letztlich zutiefst unsicher und folglich manipulierbar, am Ende vor Nervosität und Angst geradezu zappelnd. Alexandra Krismer als seine Frau wirkt anfangs stärker und vernünftiger, kippt allerdings angesichts der Ereignisse in die Hysterie. Katharina Klar als Dienstmädchen kann die meiste Zeit nur den Kopf schütteln, begehrt aber (sie stammt noch aus einer anderen Zeit, den späten fünfziger Jahren) nur ganz selten auf.
Man könnte sich die beiden Eindringlinge spektakulärer vorstellen, aber innerhalb einer mittelmäßigen, nicht wirklich brillanten und ausreichend scharfen Aufführung verbreiten Robert Joseph Bartl (ölig und scheinbar gemütlich) und Dominic Oley (glatt, verbindlich) einfach nur mittelmäßigen Schrecken.. Nebenrollen profilieren sich kaum, am wenigsten die doch ganz wichtige Figur des Intellektuellen in seiner Ratlosigkeit angesichts der Situation (undefinierbar: Theresa Hübchen).
„Biedermann“ ist (anders als Ionescos „Nashörner“, die ihre politische Botschaft gerader an das Publikum bringen) vielfach anwendbar. Die Josefstadt weiß natürlich, was sie damit gerade jetzt sagen will.
Renate Wagner