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WIEN / Horten Collection: WE ❤

24.11.2023 | Ausstellungen, KRITIKEN

WIEN / Horten Collection: 
WE

Von  24.November 2023 bis zum  25.August.2024,

Wir lieben die Kunst

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Mit dem im Juni des Vorjahrs eröffneten neuen Museum in der zentralen Innenstadt, zwischen Staatsoper und Albertina, hat Wien einen neuen Tempel der Moderne erhalten. Die Heidi Horen Collection in einem zum Kunstpalais Goëss-Horten umgebauten Gebäude des Hanuschhofs zeigt nun seine schwer gewichtigen Schätze, von denen so mancher ab nächstem Herbst in eine Dauerausstellung im Parterre eingehen wird, während der erste und  zweite Stock dann den wechselnden Ausstellungen vorbehalten sein werden.

Von Renate Wagner

Heidi Horten      Sie war eine hübsche junge Frau (*1941), die nicht nur reich, sondern über die Maßen reich geheiratet hatte. Aber sie gab das Geld ihres Kaufhauskönig-Gatten nicht nur für Mode und Schmuck, für Villen und Yachten aus, sondern auch für das, was sie besonders liebte – Kunst. Die Kinderlose wusste sehr gut, dass ihr Besitz nach ihrem Tod via Auktionshäuser in die ganze Welt verstreut würde. Um das für ihre bemerkenswerte Kunstsammlung zu verhindern, beauftragte sie die Gründung eines eigenen Museums. Die Heidi Horten Collection wurde in einem Gebäude im Wiener Hanuschhof am 3. Juni 2022 eröffnet. Heidi Horten starb kurz darauf, weiß aber ihr Werk bei Agnes Husslein in verlässlichen Händen.

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Jetzt gilt’s der Kunst      Die Horton Collection hat ihre beiden ersten Ausstellungen ganz nahe an der Gründerin und Sammlerin gehalten, man zeigte ihre Mode, ihre Lebenswelt, eingebettet in die attraktivsten Werke ihrer Sammlung (etwa die Frauenporträts).  Die nunmehr dritte Ausstellung unter dem attraktiven Titel „ WE ❤“ (phonetisch: We love) bietet „Strengeres“, nämlich konzentriert jene hochkarätige Kunst, die Heidi Horten mit der kundigen Hilfe von Agnes Husslein über Jahrzehnte zusammen getragen hat 150 Werke von 75 Künstlerinnen und Künstlern bieten eine beeindruckende Übersicht.

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Schwerpunkt Expressionismus     Man hat die reizvollen Eye-Catcher wie die Liebenden von Chagall und andere „schöne“ Werke schon gesehen. Hier wird gezeigt, mit welcher Konsequenz Heidi Horten sperrige Kunst sammelte, die manchmal – wie etwa ihre Werke von Francis Bacon –  von herausfordernder Aggressivität sind. Den deutschen Expressionisten galt ihre besondere Vorliebe – mit zehn Werken von Nolde kann sie es mit den großen Museen aufnehmen, Kirchner, Beckmann, Pechstein, ganz stark treten die Expressionisten hervor. Aber wie schon einst mit der „Wow“-Ausstellung im Leopold Museum prunkt auch diese Schau mit der Kombination großer Namen und hochrangiger Werke, von Munch, Magritte und Klee, Leger, Dubuffet und Klein, Warhol und Basquiat, um nur einige zu nennen. Und schließlich gibt es auch Zusammenhänge – 1996 wurde Roy Lichtensteins großformatige „Waldszene“ erworben, 1998 die „Roten Rehe“ von Franz Marc, nicht nur, weil Heidi Horten Bilder von Tieren liebte, sondern weil Lichtenstein mit seinen Rehen auf genau dieses Bild Bezug genommen hatte. Und 2022 erst ergänzte man den thematischen Tiere-Schwerpunkt mit dem kubistischen Bild einer Hirschkuh mit Jungen von Stanislav Kubicki (es war 2022 das letzte Werk, dessen Ankauf Heidi Horten noch veranlasst und erlebt hat). Die drei Bilder nebeneinander gehängt, geben auch einen Eindruck vom konzeptionellem Sammeln, das hier stattgefunden hat.

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Höhepunkt „Klimt  im Extrazimmer“   Agnes Husslein hat für diese und künftige Ausstellungen eine „Focus“-Reihe initiiert, die künftig ein Werk in das Zentrum stellt, das nicht nur besondere Beachtung, sondern auch besondere wissenschaftliche Aufbereitung erfährt. Diesmal hat man den „Wien um 1900“-Spezialisten Tobias Natter heran gezogen, Gustav Klimts Werk „Kirche in Unterach am Attersee“ zu behandeln, ein geradezu magisches Bild im quadratischen Format, das durch Heidi Horen für Österreich „gerettet“ wurde. (Als das Bild nach dem Krieg dem Belvedere angeboten wurde, lehnte man ab, man hätte schon genügend Landschaften von ihm. Hochmut kommt vor dem Fall – niemand dachte daran, dass man die Bilder würde an die Erben der einstigen jüdischen Besitzer restituieren müssen…)

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Natter behandelt (auch in einem attraktiven kleinen Katalog) nicht nur die Herkunft des Bildes von 1915, sondern zeigt auch mit Hilfe eines Fotos davon, wie die Kirche in Unterach wirklich aussieht, wie der Künstler die von der Realität vorgegebenen Elemente für sein Werk quasi neu zusammen gesetzt hat. Außerdem hat er zahlreiche  Bilder von Zeitgenossen (etwa Carl Moll) und Späteren gefunden, die auch das seltene, besondere quadratische Format verwendet haben. Ein wundersamer Ausflug innerhalb der Ausstellung selbst.

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Es wird weiter gesammelt     Fragt man Agnes Husslein nach ihrem Budget, wehrt sie ab: Über Geld wird nicht gesprochen. Aber es dürfte genügend da sein, um das Unternehmen noch lange zu finanzieren und auch den Ankauf von allerneuester Kunst zu ermöglichen. So sieht man gleich im Eingangsraum eine ganz neue Skulptur von Anselm Kiefer – und diese Sappho scheint mit ihrem fließenden Abendkleid zu Heidi Horten zu passen, nur dass die Dame anstelle eines Kopfes Bücher trägt… Agnes Husslein, der Gruppe Gelatin lange verbunden, erwarb deren hinreißenden Luster „Today Tomorrow Maybee“ heuer, der nun zwischen den Stockwerken schwebt und teils aus Thonet-Bugholz, aber auch den Resten von Sportgeräten  geschaffen wurde. Ebenso schwebt der „Funky Monkey, What are you afraid of?“ von Anne Speier in der Luft und zeigt, dass die jüngste Moderne hier immer einen Platz finden wird.

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#ARTfluence – das Publikum als Teil des Ganzen   Ab Herbst 2024 plant man in der Horten Collection eine Dauerausstellung der Spitzenwerke. Welche dies sein werden, lässt man allerdings das Publikum entscheiden. Damit will man eine neue Ebene zwischen Kunstfreunden und Museum öffnen, wie sie die digitale Welt anbietet. Dafür wurde  #ARTfluence geschaffen, die Möglichkeit für den Besucher, mittels Smartphone seine Stimme für das jeweils meist geschätzte Werk abzugeben. Tobias Natter hofft, dass „sein“ Klimt hier zu den Spitzenreitern zählen, wenn nicht gar der Sieger wird. Allerdings werden die hinreißenden „Roten Rehe“ von Franz Marc vermutlich eine starke Konkurrenz darstellen…

Heidi Horten Collection
„WE
❤“  (We love)
Von  24.November 2023 bis zum  25.August.2024,
täglich außer Dienstag 11 bis 19 Uhr, Do 11 bis 21 Uhr,

 

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