WIEN / Haus Hofmannsthal
NICOLAI GEDDA
Ausstellung zum 100. Geburtstag
Vom 31. Jänner 2025 bis zum 20. Juni 2025
Der perfekte Stilist
Wie man weiß, veranstaltet das Haus Hofmannsthal zweimal im Jahr Großausstellungen über berühmte Sänger, immer basierend auf der schier unerschöpflichen Bilder- und Autogramme-Sammlung von Erich Wirl. „Dass wir des 100. Geburtstags von Nicolai Gedda gedenken“, sagt er, „ist Ehrensache. Ich habe seine Stimme unendlich bewundert. Er war für mich der perfekte Stilist.“
Gedda, 1925 in Stockholm geboren (2017 hoch betagt in der Schweiz gestorben), lebte in seiner Kindheit lange in Leipzig und hatte einen russischen Stiefvater – das stattete ihn schon mit drei Sprachen perfekt aus, zu denen noch Italienisch, Französisch und Englisch kamen. Erich Wirl erinnert sich, dass Geddas makellose Sprachkenntnisse in der Branche immer ein Gegenstand höchster Bewunderung waren. Und natürlich seine Stimme – dieser leichte, aber nie schmale, mühelose, technisch perfekte Tenor, der höchste Höhen erklomm.
Auch von seiner Debutrolle, dem „Postillon von Lonjumeau“ von Adolphe Adam (berühmt für seine Reihe von hohen „Ds“) gibt es ein Foto in der Ausstellung, die die volle Reichweite von Geddas Repertoire abbildet.
„Es gab von der ‚Postillion‘-Arie übrigens eine Fernsehverfilmung auf Deutsch, und ich habe mir das neulich wieder auf YouTube angesehen und angehört – dieses phantastische Timbre, diese hohen Ds!!! Mit voller Stimme gesungen, kein Gepiepse!“ gerät Wirl ins Schwärmen. „Ich kann das nur jedem empfehlen, der einen Eindruck von der Pracht von Geddas Stimme erhalten will.“
Für Mozart war er geradezu geboren, das erkannte auch Karajan, der ihn hier einsetzte, aber auch für das italienische Repertoire an die Scala mitnahm, etwa für „Madama Butterfly“ mit der Callas. Aber Gedda, der auch die französischen und russischen Rollen in der Kehle hatte und der in seinem Leben ein gewaltiges Repertoire auch voll von Raritäten (und Konzertsaal-Musik nicht zu vergessen) erarbeitete, verweigerte sich aber keinesfalls dem Neuen und war etwa an der Metropolitan Opera, wo er jahrzehntelang sang, bei der Uraufführung von Samuel Barbers „Vanessa“ in der Rolle des Anatol dabei (später auch bei den Salzburger Festspielen).
Geddas einziger Ausflug zu Wagner galt dem „Lohengrin“. Erich Wirl erinnert sich: „Er hatte, wie wir erfuhren, die Rolle in Stockholm gesungen. Daraufhin wurde er auch in Bayreuth als Lohengrin angesetzt. Ich war damals jeden Sommer dort und, wie alle Wagner-Freunde, regelrecht begierig darauf, Gedda als Lohengrin zu erleben. Und dann sagte er die Mitwirkung ab! Eine gewaltige Enttäuschung! Aber er hat natürlich recht gehabt. Indem er seiner Stimme nie etwas abverlangt hat, was ihr geschadet hätte, konnte er sich bis ins Alter diese Schönheit und Geschmeidigkeit erhalten.“
Seit 1962 sang Gedda in Wien, an der Staatsoper, auch der Volksoper und im Theater an der Wien. Für die Wiener Opernbesucher werden angesichts bestimmter Fotos der Ausstellung besondere Erinnerungen wach, etwa, dass 1967 zu den Wiener Festwochen auch eine Joan Sutherland nach Wien kam, um im Theater an der Wien mit Gedda in Haydns „Orfeo et Euridice“ zu singen. (Die Diva brachte natürlich ihren dirigierenden Gatten Richard Bonynge aus Australien mit.)
Erich Wirl denkt besonders gern an den „Liebestrank“, den Otto Schenk zu den Festwochen 1973 mit Gedda und Reri Grist im Theater an der Wien inszenierte. „Gedda sang bewundernswert, aber eigentlich war ein Stehtenor. Er kam auf die Bühne und sang, darstellerisch tat sich da im allgemeinen nicht übermäßig viel. Aber Schenk hat ihn, wie so manchen anderen – ‚aufgeweckt‘. Da war er auf einmal ein ganz lebendiger Nemorino! Es ging doch!“
Neben vielen Privatfotos und auch Zeitungsausschnitten, gibt es „Schmankerln“, zu denen Erich Wirl einiges zu erzählen weiß. In einer Zeit, da Sänger auch durch Schallplattenaufnahmen bekannt werden konnten, entdeckte Produzent Walter Legge Gedda als idealen Tenor-Partner seiner Gattin Elisabeth Schwarzkopf.
Ein Schallplatten-Cover zeigt „Das Land des Lächelns“ mit Sängern (Schwarzkopf, Loose, Gedda, Kunz), die man sonst nicht unbedingt in der Operette beheimatet hätte. Vielleicht war es wirklich so, wie man Wirl erzählt hatte: „Angeblich hatte man eine Opernaufnahme fertig gestellt und es gab noch Studiozeit, die bezahlt war. Um das auszunützen, beschloß man einfach, auch die Lehar-Operette aufzunehmen…“ Wenn es nicht wahr ist, ist es gut erfunden. Tatsache ist, dass Gedda in seinem Leben über 200 Werke auf Schallplatten aufnahm.
So schreitet man in dieser Ausstellung von Foto zu Foto, erinnert sich an Legendäres, selbst wenn man nicht dabei war (eine „Cosi fan tutte“-Aufführung, die 1959 in Salzburg mit Seefried, Ludwig, Scutti, Gedda, Panerai und Dönch besetzt war?) und spaziert mit Geddas Stimme diskret im Ohr durch eine Epoche der Operngeschichte, als sie am schönsten war.
Renate Wagner