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WIEN / Hamakom: IN WEITER FERNE

07.04.2016 | KRITIKEN, Theater

Hamakom~1
Foto: Hamakom / Marcel Köhler

WIEN / Theater Nestroyhof Hamakom:
IN WEITER FERNE von Caryl Churchill
Premiere: 6. April 2016

Caryl Churchill, Jahrgang 1938, ist Anfang der achtziger Jahre mit ihrem Stück „Top Girls“ weltberühmt geworden, war ihre damalige Analyse über die Frau in der Gesellschaft doch so brillant wie theatergerecht. Davor und danach hat sie unaufhörlich eine Menge Stücke geschrieben, gelangte aber mit ihren verklausulierten Polit-Parabeln nur noch selten in die Wiener Spielpläne.

Das Theater Nestroyhof Hamakom holt nun als Eigenproduktion ein 15 Jahre altes Stück nach: „Far away“ (2000) erreicht uns nun unter dem Titel „In weiter Ferne“, oder, ehrlich gesagt, erreicht uns nicht wirklich. Selbst, wenn man sich auf die drei Szenen einlässt, die in einer langen (alles andere als kurzweiligen) Theaterstunde hier vorüber ziehen.

Drei Szenen, zusammen gehalten durch die Figur von Joan, erst ein halbes Kind bei Tante Harper, das seltsame Dinge bemerkt, aber von vorne und hinten belogen wird: Bei dem, was da vermutlich geschieht, können wir aus unserer heutigen Sicht nur an den „Verschub“ von Flüchtlingen denken.

Dann arbeitet Joan zusammen mit Todd in einer Hutfabrik. Um die Ausbeutung der Arbeiter geht es – und um den Ehrgeiz, die tollsten Hüte herzustellen. Die politische Parabel dahinter, in dieser Inszenierung bleibt sie verborgen.

Szene 3 schließlich zeigt Joan und Todd wieder bei Tante Harper, es herrscht Krieg, und Caryl Churchill tauscht die üblichen Floskeln der Propaganda, wie sie vom Durchschnittsmenschen blind wiederholt werden, gegen absurde Wortfolgen aus, ohne dass man je das Bewusstsein verlöre, worum es geht.

Sind diese drei Szenen mit Ausnahme der „Hutmodenschau“ – 15 „Statisten“, Damen und Herren gleicherweise oben ohne, balancieren durchaus verrückte, ideenreiche Hutkreationen auf den Köpfen und machen diesen Teil des Abends zum unterhaltendsten – an sich schon trocken in ihrer vordergründig-belehrenden Manier, macht es die Aufführung durch die Regie von Ingrid Lang (ihr Debut in diesem Genre, ist sie doch selbst Schauspielerin und Sängerin) sowohl dem Publikum wie den Darstellern schwer.

Das liegt teilweise an dem Bühnenbild von Peter Laher, der die Darsteller zumindest zwei Teile des Abends lang in einen „Glaskasten“ einsperrt – zumindest gewinnt man diesen Eindruck, wenn die Wände auch aus Gaze sind. Sie schlucken jedenfalls viel Text, wer nicht perfekt spricht wie die Darstellerin der Joan, büßt viel an Verständlichkeit ein. Und der Nutzeffekt dieser Klaustrophobie ist in diesem Zusammenhang nicht einzusehen.

Auch liegt der Regisseurin nichts an Klarheit (und gerade „politische“ Texte benötigen eine solche) – die erste Szene wirkt wie ein Hitchcock-Krimi, nur dass man keine Lösung findet, die zweite Szene schwimmt völlig in vagem Nicht-Wissen, worum es gehen soll, die dritte ist dann „absurdes“ Theater von vorgestern, aber auch nicht sehr tief greifend.

Immerhin spielt Inge Maux die zuerst geheimnisvolle, im dritten Bild die ideologisch verbissene Tante mit ihrer perfekten Diktion und ihrer schimmernden Hintergründigkeit. Matthias Mamedof, dem man lieber wieder im Volkstheater begegnen würde als bei solchen Verlegenheits-Engagements, kann aus seiner Rolle nichts herausholen, weder Figur noch Gleichnis, und Johanna Wolff ist sympathisch, indem sie gewissermaßen die Reinheit der Jugend verkörpert, der ihr Leben von den anderen gestohlen wird, aber, wie gesagt, der sprachliche Teil ihrer Leistung hapert immer wieder.

Sicher ist die Regie daran schuld, dass man sich mit dem Abend so schwer tut. Wenn ein Stück nicht so auf den Zuschauer zukommt, dass er aus voller Überzeugung etwas damit anfangen kann und will, dann wird er sich fragen, was er da eigentlich gesehen hat – und warum.

Renate Wagner

 

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