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WIEN/ Gesellschaft für Musiktheater: LIEDERABEND MARISA ALTMANN-ALTHAUSEN und STEPHAN MÖLLER


Stephan Möller, Marisa Altmann-Althausen. Foto: Herta Haider

25.5.2018, Gesellschaft für Musiktheater (1090 Wien, Türkenstr.19):
MARISA ALTMANN-ALTHAUSEN und STEPHAN MÖLLER

Sie eine hochdramatische Mezzosopranistin mit Amneris und Azucena, Erda und Fricka und  im Repertoire, Anwärterin auf Brangäne und Ortrud, er nach seinem Studium am Mozarteum als Pianist Assistent von Karajan in Salzburg. seit 1990 Professor an der Universtität für Musik und darstellende Kunst Wien sowie als Solist in aller Welt unterwegs…Die beiden haben ein gar nicht unbedingt populäres Programm zusammengestellt: Max Reger und Modest Mussorgsky im 1. Teil, Brahms und Schubert nach der Pause – lauter Gesänge, die mit dem Tod zu tun haben.

Die Gestaltungskraft beider Künstler erwies sich von Anbeginn als enorm. Natürlich war viel rein physische Kraft vonnöten, um all die Schreckmomente und -situationen, die von den Komponisten für solche Thematik vorgesehen  waren, zu realisieren.  Es erwies sich jedoch, dass weder die gewaltige Stimme der Sängerin noch das Klavier, wenn Volleinsatz nötig war, im relativ kleinen Saal des Palais Khevenhüller die Zuhörer betäubten, sondern, im Gegenteil, ein Faszinosum ohne Ende darstellten. Wir erkannten: nicht auf laut oder leise kommt es an, sondern darauf, was jeweils damit ausgedrückt wird. (Bekanntlich auch ein für Dirigentenleistungen geltendes Kriterium.) Und das war beeindruckend!

Die in Wien lebende Tirolerin Marisa Altmann-Althausen überrascht vom ersten Takt an mit einer geradezu unwahrscheinlichen Textbezogenheit. Diese wirkt aber weder künstlich noch übertrieben, wohl deshalb, weil Wort und Ton konform gehen. Die berühmte „Capriccio“-Frage, was wichtiger sei, stellt sich erst gar nicht. Die Sängerin kann ihre wohlklingende, voluminöse Stimme in allen Tempi, Lagen und Lautstärken dem benötigten Ausdruck zur Verfügung stellen. Man hängt ihr an den Lippen. Mit raffinierten Legato-Phrasen kann sie ebenso bezwingen wie mit rhythmischer Emphase, unterstützt von Stephan Möller am Klavier, oder durch unterschiedliche Färbung der Stimme. Der Pianist kann Virtuosität selbstverständlich mit höchster Sensiblilität verbinden.

Max Regers HölderlinVertonung „An die Hoffnung“ (op. 124), eine Original-Alt-Arie (vom Komponisten auch für Orchester gesetzt), steht am Beginn. Ein relativ langes Lied. Die „grave“- Einleitung ließ mich schnell einen suchenden Blick auf den Programmzettel nach Regers genauen Lebensdaten werfen: 1873 – 1916. Na ja, es klang schon sehr „modern“. Aber auch auf Friedrich Hölderlin, den Romantiker (1770 – 1843), warf diese Komposition ein neues Licht. Nach der anfänglichen Intensität fesselt das „molto grazioso“ im Mittelteil, ein „dolce Adagio“ mit Übergang in eine fff-Beschwörung des mitternächtlichen Lebens im Walde und Rücknahme in die erwünschte „holde Hoffnung“ mit einem von der Sängerin im ppp lang gehaltenen tiefen A…

Mussorgskys (1839 – 1881) „Lieder und Tänze des Todes“ (Text: Arseni Arkadjewitsch Golenischtschew-Kutusow) beeindrucken, gesungen von einer so mächtigen Wagner-Stimme, durch die hochdramatische Wiedergabe.  Dass die Lieder deutsch gesungen wurden, ermöglichte ein besseres Verständnis.
„Trepak“ – der Tod tanzt mit dem Bauern in den nächtlichen Schneesturm hinein;  „Wiegenlied“ –  der nächtliche Kampf der Mutter mit dem Tod um ihr fieberndes Kind, das im Morgengrauen vom Leiden erlöst eingeschlafen ist; „Ständchen“ – das bringt der Tod „in blühender Frühlingsnacht“ der Todkranken, um sie zu holen; „Der Feldherr“ – der Tod im Krieg – Schlachtlärm, Blutfließen, Stöhnen, knöcherne Gebeine… – das Lied ist an grausiger Dramatik nicht zu überbieten. Da konnten  beide Künstler ihre Gestaltungskraft voll ausleben.

In den „Vier ernsten Gesängen“ auf biblische Texte, Op.121, von Johannes Brahms fesselt die Sängerin mit einer atemberaubenden Legato-Darbietung quer durch alle Register. setzt aber auch markante Akzente. Jedem Ton, jeder Passage gibt sie eindringliche Töne. Auch in lang gehaltenen Phrasen reißt die Spannung nicht ab. Hier geht es nicht nur um die Bitterkeit des Todes, sondern auch um die Erlösung durch die Liebe, im letzten Lied („Wenn ich mit Menschen- und Engelsznngen redete…“) mit dem Adagio in H-Dur (Vgl. „Tristan“-Finale!) und dem „Sostenuto un poco“ in Es-Dur endend.

Letzte Liedgruppe: Franz Schubert. Eine gute Wahl in dieser Reihenfolge, um ihn nicht als harmlosen Romantiker zu stigmatisieren.
„Die junge Nonne“,
oft von dramatischen Stimmen gesungen, findet auch in Marisa Altmann-Althausen eine teilnahmsvolle Fürsprecherin, die ihr das finale entrückte „Alleluja“ gern zugesteht. „Der Tod und das Mädchen“ – ergreifend  das Piano bei „Rühr mich nicht an“ ebenso wie die Überredungsversuche des Todes, sich ihm hinzugeben. „Nachtstück“ lässt einen alten Mann in Frieden einschlafen – „Du heil’ge Nacht, bald ist’s vollbracht“ mit weichem Mezzo  und wunderbarem „Harfenklang“ vom Klavier.
„Erlkönig“ – 2 Tage zuvor von Waltraud Meier in der Staatsoper gehört – ein ebenso abruptes Ende, das so betroffen macht, dass zunächst niemand zu klatschen wagt.

An diesem Abend wollte das Publikum mit dem Applaus gar nicht aufhören.  War dieser nach dem 1.Teil des Programms noch mit vielen Bravo-Rufen durchsetzt, so war man am Ende nur mehr zu konstantem, unermüdlichem Händeklatschen fähig.  Die beiden Zugaben, Schuberts „An die Musik“ und die „Mondnacht“ von Brahms (nicht: Schumann) boten willkommene Entspannung.               

Sieglinde Pfabigan

 

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