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WIEN / Freie Bühne Wieden: DIE UNSTERBLICHE GELIEBTE

14.10.2020 | KRITIKEN, Theater

WIEN / Freie Bühne Wieden:
DIE UNSTERBLICHE GELIEBTE – BEETHOVEN IN LOVE von Susanna Falk
Uraufführung
Premiere: 13. Oktober 2020

Nur, um es in Erinnerung zu rufen: Es gäbe natürlich schon seit langem ein Beethoven-Stück. Es heißt „Beethovens Tenth“, stammt von Peter Ustinov und ist wirklich komisch. Schade, dass niemand auf die Idee kam, das im Beethoven-Jahr auf die Bühne zu bringen (wenngleich ein Clou wie Unstinov selbst als grumpeliger-alter Beethoven, Deutsch vor sich hinbrabbelnd, damals 1983 im Londoner Vaudeville Theatre nie zu wiederholen sein wird – aber es gibt ja noch andere gute Schauspieler.)

Dass Beethoven als unglücklicher Liebender irgendwann nicht nur (immer wieder) zwischen Buchdeckeln auftauchen würde, die Formulierung „in Love“ ist ja seit dem Erfolg von „Shakespeare in Love“ ein Markenzeichen, war zu erwarten. An sich sollte die Freie Bühne Wieden nur die Österreichische Erstaufführung des Stücks bieten, aber durch Corona-Verschiebungen hat man Deutschland überholt und liefert die Uraufführung von „Die unsterbliche Geliebte“ der norddeutschen Autorin Susanna Falk.

Wo man nichts Genaues weiß, ist gut spekulieren. Der legendäre Brief an die unbekannte „unsterbliche Geliebte“ ist in einem unbekannten Jahr an einem 6. / 7. Juli geschrieben und nie abgeschickt worden. Immerhin hat Beethoven ihn behalten, nach seinem Tod fanden die Freunde den Brief in einer Lade. Seither rotiert nicht nur die Forschung, sondern auch die Belletristik (bis zum Trivialroman) rund herum. Das Stück von Susanna Falk erfindet nun flott ein – mögliches – Geschehen rund um den Brief.

Sie verlegt ihn in das Jahr 1812, Beethoven ist mit seinem Diener Karl kurz in Prag eingetroffen, auf der Reise nach Teplitz ins Bad (dort hat er, historisch verbürgt, Goethe getroffen). In Prag ist um diese Zeit auch Josephine Deym- Stackelberg, die als „unsterbliche Geliebte“ in der Forschung mittlerweile alle Rivalinnen abgehängt hat, obwohl ihr Leben alles andere als romantisch war… Jedenfalls will sie sich von Stackelberg scheiden lassen, sie und Beethoven treffen zusammen, als Mann verkleidet (Leonore!) kommt sie zu ihm ins Zimmer, Liebesnacht, Beethoven wähnt sich am Ziel seiner Wünsche, träumt von einer gemeinsamen Zukunft. Da taucht der Gatte auf (Stackelberg muss wirklich, nach dem, was man so aus der Literatur weiß, ein Ungustl erster Ordnung gewesen sein) und erpresst sie: Wenn sie schuldig geschieden wird, gibt es kein Geld, wird sie von der Gesellschaft ausgestoßen und er nimmt ihr ihre sechs Kinder weg. Die arme Frau hat gar keine Möglichkeit, als den Geliebten zu verlassen. Beethoven in Verzweiflung.

Auf eineinhalb Stunden zusammen gestrichen (weil man in Corona-Zeiten gerne auf Pausen verzichtet), bietet das Stück neben dem heroisch-dramatischen Liebespaar noch die „Leute aus dem Volk“. Sein Diener und ihre Kammerzofe, innig um das Schicksal ihrer Herrschaft bemüht, holen die heroische Geschichte auf die Erde. Dazu kommt noch ein Auftritt des „Bösewiciht“-Gatten.

Dass das Ganze in der Regie von Gerald Szyszkowitz nicht gerade überwältigende Leidenschaft und theatralischen Schwung bietet, muss man auf die Besetzung des Beethoven mit Felix Kurmayer anlasten, an sich ein geschätzter Schauspieler, aber hier von einer zurückhaltenden Noblesse, dass man ihm nicht einmal ein Schwammerl Schubert, geschweige denn eine so impetuöse Persönlichkeit wie Beethoven glaubt. Michaela Ehrenstein ist Dame und Liebende, Eva Christina Binder als ihre Kammerzofe dagegen – auch im Tonfall – erdverbunden und pragmatisch: Sie weiß, dass hohe Liebe im Alltag nicht zu realisieren ist. Wilhelm Prainsack als Beethovens Diener Karl weiß das auch, wird manchmal zum Erzähler, kennt das Genie im Alltag, ohne sich unschön über ihn zu erheben. So, wie John Fricke den Stackelberg spielt, könnte man das alte Theaterwort „hintergründig“ verwenden, wenn man nicht fad sagen will.

Eindeutig ein Gewinn für den Abend ist Keiko Kuwahara am Flügel, schade, dass sie zwischen den Szenen Berühmtes von Beethoven nur kurz anspielt, denn was man von ihr hört, ist besonders schön.

Am Ende freute sich nicht nur das Publikum, sondern auch die herbei gereiste Autorin (was sicher nicht einfach war) über die Aufführung, der es nicht an stellenweiser Glaubwürdigkeit fehlt, wohl ziemlich an Theatertemperament.

Renate Wagner

 

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