WIEN/ Franziskanerkirche: KONZERT DER GEIGEN mit ANNA RYAN am 30.8.2021
Anna Ryan. Copyright: Wiener Royal-Orchestra
Unter den Musikinstrumenten nimmt die Geige eine gewisse Sonderstellung ein. In ihrer Symbolik gilt sie als dasjenige Instrument, das die Stimmung der Menschen, ihr Lachen und Weinen, am deutlichsten widerspiegelt und auch der menschlichen Stimme am ähnlichsten ist. Für den Ruhm eines Orchesters – z.B. der Wiener Philharmoniker – ist der akustische Seidenglanz der Streicher ein ganz wesentliches Kriterium. Und dann gibt es da eine Geigenfamilie, die das Orchester hinter sich lässt und das Konzert quasi allein bestreitet. So geschehen im Konzert des Wiener Royal-Ensembles in der Franziskanerkirche, Heimstatt der berühmten Wökherl-Orgel (Jahrgang 1642) die aber an diesem Abend nichts zu „sagen“ hatte. Es ist das 3. Konzert junger Berufsmusikerinnen und – Musiker, die sich unter der Leitung des Violinvirtuosen Michal Hudak zusammengefunden haben, aus 1. und 2. Geige, der Bratsche, dem Violoncello und dem Kontrabass bestehen, lediglich in Begleitung eines tragbaren High-Tech-Pianos, das auch Cembalo- und Orgeltöne produzieren kann, als musikalischem Bindeglied. Den Vergleich bzw. die Harmonie mit der menschlichen Stimme stellte die Sopranistin Anna Ryan her, die auch maßgeblich an der Organisation und Leitung dieser neuen Wiener Konzertreihe tätig ist.
Mit großer Sorgfalt wurde das kammermusikalische Programm zusammengestellt und von Michal Hudak eigens für das Ensemble arrangiert, ohne die Intention der Komponisten zu verfremden. Das zeigte sich schon in dem brillant und temperamentvoll dargebrachten Teil „Der Sommer“ aus den Vier Jahreszeiten von Antonio Vivaldi, in dem der Geigenvirtuose Hudak solistisch brillierte. Die Akustik der Kirche ließ die Streichinstrumente in fast gläserner Klarheit erklingen.
Es folgte das von Anna Ryan gesungene „Ave verum Corpus“ (KV 618) von Mozart. Ihre Opernstimme mit müheloser Höhe hat einen leicht metallischen Schimmer bekommen, den ich aus früheren Gesangsdarbietungen von ihr so nicht in Erinnerung hatte und der im Zusammenklang mit den Geigen sehr schön harmonierte. Das für Piano komponierte Stück „Aus Holbergs Zeit – Suite im alten Stil“, op. 40, von Edvard Grieg entfaltete in der eigens arrangierten Violin-Fassung eine besondere, rhythmisch betonte Dynamik, die sich in den drei Sätzen, Präludium, Sarabanda und Rigaudon, kontrastierte. Innig und mit schönen Piano-Stellen das „Ave Maria“ von Schubert, gesungen von Anna Ryan, mit zarter Geigenbegleitung und Orgeltönen aus dem Piano im Hintergrund. Schmeichelnd erklang die Zarte Melodie des „Andante Cantabile“ aus Tschaikowskis Streichquartett Nr.1. Das „Panis Angelicus“ des großen Orgelimprovisators César Franck gab Anna Ryan Gelegenheit, die Opernnähe ihrer Stimme zu präsentieren. Die Komposition „Musica Slovaca“ des bei uns wenig bekannten zeitgenössischen Komponisten Ilja Zeljenka aus Bratislava mit folkloristischen, besonders am Anfang fast orientalischen Klangbildern ließ den „Primas“ Hudak in seinen Soli zu Paganini-Format auflaufen.
Michal Hudak. Copyright: Wiener Royal Orchestra
Das zahlreich erschienenen Publikum, welches sich trotz fehlender Werbeaktivitäten in der Kirche zusammengefunden hatte, spendete begeisterten Applaus für dieses Konzert und „verdiente“ sich dabei zwei Raritäten als Zugaben.
Zunächst das „Präludium und Allegro im Stil von Paganini“ von Fritz Kreisler (1875-1962). Der austro-amerikanische Violinvirtuose und Komponist lässt ein wenig an die E.T.A Hoffmannsche Figur des Kapellmeisters Johannes Kreisler und seine „Fantasiestücke in Callot’s Manier“ denken, denn er hatte die Angewohnheit, eigene Kompositionen im Stil anderer Komponisten , den er so perfekt beherrschte, dass sie kaum zu unterscheiden waren, zu schaffen und so ein musikalisches Versteckspiel zu spielen. Auf diese Weise ist der italienische zu seiner Zeit höchst bedeutende, später jedoch etwas in Vergessenheit geratene Violinkünstler und Komponist Gaetano Pugnani (1731-1798) zu neuer Berühmtheit gelangt.
Den Abschluss bildete eine Stück der Gruppe Rondò Veneziano, die ihren Kompositionen dem venezianischen Barock nachempfundene Stilelemente mit modernen Klangelementen zu verbinden wussten.
Mit diesem vielseitigen Programm konnten die Geiger einmal mehr zeigen, was sie so alles drauf haben.
Ursula Szynkariuk