Collegium Hungaricum am 06.03.: „Gyula Harangozó – der „goldene Stern“ des ungarischen Balletts“.
Mit einem Mini-Symposium wurde im Collegium Hungaricum in Wien des 50. Todestages von Gyula Harangozó (* 19. April 1908 in Budapest; † 30. Oktober 1974 in Budapest) gedacht. Er hat als Tänzer, Choreograf und Ballettdirektor des Ungarischen Nationalballetts, das er begründet hatte, die ungarische Tanzszene des vorigen Jahrhunderts jahrzehntelang maßgeblich mitbestimmt und getragen.
Eigentlich wollte Gyula Harangozó Maler werden, hat auch Reklameschilder für Geschäfte gemalt. Um zusätzlich Geld zu verdienen war er als Statist in der Budapester Staatsoper tätig – so lernte er viele Produktionen kennen, in denen er mitten drin auf der Bühne war. Erste Auftritte hatte er dank seiner Kenntnisse im Volkstanz mit dem Trepak im „Nussknacker“, auch in Opernballetteinlagen war er in Charaktertänzen zu sehen. 1928 erzielte er im Ballett „Der Dreispitz“ – er wurde in der Hauptrolle besetzt – einen Riesenerfolg und so wurde er zum Solotänzer ernannt. 1936 choreografierte er mit „Tavern Scene“ sein erstes Ballett, dem noch viele weitere folgten.
Besonders bedeutsam sind seine Choreografien zu Kompositionen von Béla Bartók: „Der holzgeschnitzte Prinz“ entstand in direkter Zusammenarbeit mit Béla Bartók; „Der Wunderbare Mandarin“ konnte erst 1956 im Originallibretto an der Budapester Oper aufgeführt werden und war ein riesiger Erfolg. Zu seinen bekanntesten mehraktigen Handlungsballetten zählt u.a. „Coppélia“ – diese Produktion war auch in Wien im Repertoire des Staatsopernballetts wie auch der Einakter „Platzkonzert“. Charakteristisch für den Stil von Harangozós Kreationen sind die Verwendung von Elementen des Volkstanzes, die mit den Schritten des klassischen Balletts verflochten sind sowie der Einsatz von ausdrucksvoller Pantomime, was sich beim Zuschauen im leichtfüßigen Tanz mit flinker Fußarbeit und großer Ausdrucksstärke zeigt.
Gyula Harangozó Sen. mit seinem Sohn Gyula im „Platzkonzert“ (© Éva Keleti)
Nach der Begrüßung durch Dr. Márton Méhes, dem Direktor des Collegium Hungaricum, bekam das zahlreich erschienene Publikum die Gelegenheit, nicht nur selten gezeigte Filmausschnitte aus den eindrucksvollen Werken von Gyula Harangozó zu sehen, sondern auch von den Interviewgästen Informatives aus deren Erfahrungen beim Tanzen seiner Choreografien bzw. aus den persönlichen Erinnerungen an ihn zu hören. Michael Kropf, Präsident des Österreichischen Tanzrates, leitete die Gesprächsrunden, in denen Balázs Delbó (ehem. Solotänzer des Ungarischen Nationalballetts und im Ballett der Wiener Staatsoper und Volksoper), Irina Tsymbal (ehem. Solotänzerin des Ungarischen Nationalballetts und Erste Solotänzerin im Wiener Staatsopernballett) und Kirill Kourlaev (ehem. Erster Solotänzer im Wiener Staatsballett) zu Wort kamen sowie Frau Prof. Evelyn Téri, die es sich nicht nehmen ließ, einige Schritte aus vorzuzeigen, die sie als Kind bzw. als Jugendliche in seinen Kreationen getanzt hatte.
Zuletzt wurde Gyula Harangozó jun. interviewt, der mit seiner Tochter und seiner Frau gekommen war und aus dem Leben seines Vaters erzählte. Bei den präsentierten Filmszenen war besonders der Ausschnitt aus „Platzkonzert“ beeindruckend, der den 60jährigen (!) Choreografen in seinem eigenen Stück als aktiven Tänzer gezeigt hat.
Zur Abrundung der Präsentation dieser eindrucksvollen Tänzer-Persönlichkeit waren im Veranstaltungssaal auch Zeichnungen und Skizzen von Gyula Harangozó sen. ausgestellt, die er für seine Choreografien angefertigt hatte.
Im Rahmen des Frühjahrsprogrammes des Collegium Hungaricum unter dem Motto Kultur/Ikonen hat mit dieser Hommage an Gyula Harangozó sen., einem der bedeutendsten Ikonen der ungarischer Tanzkunst, ein interessanter Ausflug in die jüngere ungarische Ballettgeschichte stattgefunden – alle Mitwirkenden wurden vom Publikum mit viel Applaus bedacht.
Ira Werbowsky