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WIEN / Burgtheater: ZENTRALFRIEDHOF

Den Abschied leicht gemacht

19.04.2024 | KRITIKEN, Theater

01 zentralfriedho x f c matthias horn 1579~1
Fotos: Burgtheater / Matthias Horn

WIEN / Burgtheater: 
ZENTRALFRIEDHOF von Herbert Fritsch
Uraufführung
Premiere: 19. April 2024 

Den Abschied leicht gemacht

La dernière, die letzte Premiere der Burgtheater-Ära von Martin Kusej , hieß „Zentralfriedhof“ (von der Direktion zweifellos symbolisch gemeint) und war Herbert Fritsch anvertraut. Und man kann wirklich sagen, dass er damit nicht gerade glanzvolle fünf Jahre – nun, adäquat sinnlos zu Grabe getragen hat.

Das einzig Gute daran: Herbert Fritsch vergriff sich nicht an einem vorhandenen Werk eines schöpferischen Geistes, sondern an seinem eigenen, und mit dem kann er ja nun wirklich machen, was er will. „Werk“ ist in diesem Fall nicht als Theaterstück zu verstehen, denn es gibt zwar einen choreographischen Ablauf, der vermutlich  tief symbolisch sein soll, aber keinerlei Text – das wäre möglicherweise zu viel Arbeit gewesen. Ebenso möglicherweise hat man dem Publikum solcherart etwas erspart… (Wer das Video auf der Burgtheater-Website gesehen hat, weiß was ich meine.)

Eine Pantomime also von knapp eineinhalb Stunden, die fatal an das erinnert, was das Serapionstheater jahraus jahrein bis zur totalen Öde vorexerziert hat – nur, dass es bei Fritsch lustiger ausfiel. Nicht, dass das Publikum schallend gelacht hätte, aber es gab ein paar Vor-Lacher und Vor-Klatscher, die versuchten, das Gebotene in Komödienhöhen zu heben. Gerade weil das Thema so schwarz gerändert ist.

Auf der Bühne bewegt sich ein Kollektiv – nicht irgendwelche dressierte Statisten, sondern „echte“ Schauspieler des Hauses, die bereit sind, unter Aufgabe ihrer Individualität und Persönlichkeit die Fritsch’schen Mätzchen zu exekutieren. Wobei ihm zum Thema Friedhof und Tod nicht so besonders viel eingefallen ist und weniger die möglichen inhaltlichen Referenzen (man erkennt sie nur, wenn man besten Willens ist, etwas zu interpretieren) als vielmehr der überdrehte Stil des Autors das Publikum bei der Stange hält. Ist man nicht guten Willens, kann man das Ganze auch grottenlangweilig finden…

Friedhof also. Uniformiertes Personal. Anfangs bewegt der eine oder andere die Lippen und simuliert , als spräche er. Keine Angst, sie tun es nicht. Es wird zwar im Chor krakelt und gesungen, wenn man es so nennen kann, aber greifbare, verbale Aussage wird nicht geboten. Wozu denn? Man hat ja die Show, Und die Damen und Herren in Uniform, die erst versuchen, einander die Gewänder vom Leib zu reißen (bzw. einen Abweichler in Rot umzukleiden). Dann kommen die Schaufeln – okey, am Friedhof werden Gräber gegraben. 

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Dass dort so exzessiv Rad gefahren wird wie hier, hat man live noch nicht erlebt. Die Schauspieler, die nicht spielen dürfen, nur grimassieren und sich in immer anderen Variationen zu  bündeln, sind zumindest zu einigen sportlichen Kunststückchen angehalten… (Man kann den Donauwalzer auch „radeln“.)

Wenn dann auf der rückwärtigen Videowand ein riesiges Skelett zu sehen ist, das gemächlich tanzt, geht es in die Tiefe – eine Grabgrube hat sich schon die ganze Zeit durch ein unsichtbares Sprungtuch ausgezeichnet, das diejenigen, die hineinfielen, wieder herausgeworfen hat. Lacher. Nun kommen erst Hände, dann Köpfe, dann ganz Leichen aus dem Boden – erdverschmiert und verrottet. Auch sie singen und tanzen. Irgendwann fallen viele rosa Blüten vom Himmel. Dann tragen die Herrschaften bunte Unterwäsche und haben zeitweise die Köpfe verbunden. Interpretiere sich der daran fransig, der will.

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Und irgendwann ist es unvermutet aus, die einzelnen Protagonisten werden in den Vordergrund geschoben, als seien sie wirklich Darsteller und nicht wieder einmal Regie-Marionetten gewesen. Man kann sie aufzählen, es macht keinen Unterschied – Gunther Eckes, Dorothee Hartinger, Sabine Haupt, Yahya Micah James, Arthur Klemt, Hans Dieter Knebel, Elisa Plüss, Dunja Sowinetz, Tilman Tuppy, Hubert Wild, Paul Wolff-Plottegg haben solcherart ihre Gehälter abgedient und zweifellos harte Arbeit dafür geleistet.

„Normalmenschen“, die es ja laut Vizekanzler Kogler gar nicht geben dürfte (und wenn, dann sind es ganz üble Zeitgenossen), die sich aber dennoch möglicherweise in einer kompakten Majorität verstecken – die könnten einen Abend wie diesen schlechtweg als Zumutung empfinden. Aber ein paar Leute haben gelacht, und am Ende wurde brav geklatscht.

Dennoch, ehrlich – leichter als mit dieser Aufführung hätte man dem Publikum den Abschied von der Ära Kusej gar nicht machen können.

Renate Wagner

 

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