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WIEN / Burgtheater-Vestibül: DIE HOCKENDEN

20.05.2016 | KRITIKEN, Theater

Hockende_19s Szene
Fotos: Georg Soulek /Burgtheater

WIEN / Vestibül des Burgtheaters:
DIE HOCKENDEN von Miroslava Svolikova
Uraufführung am 13. April 2016
besucht wurde die Vorstellung am 20. Mai 2016

Zuerst einmal, um Menschen mit Rückenschmerzen zu warnen: Es „hocken“ nicht nur drei der vier Personen auf der Bühne (einer im elektrisch betriebenen Rollstuhl, zwei, die ihre Köpfe zu Puppenkörpern aus liegestuhlartigen Rollstühlen stecken, der Vierte hat einen Rollator) – es hockt auch das Publikum, am Boden, der sich in ganz geringen Stufen als „Zuschauerraum“ gibt. Viel länger als die gebotenen 65 Minuten dürften „die hockenden“ im Vestibül des Burgtheaters zugunsten von Wirbelsäule und Bandscheibe der Besucher nicht dauern, aber diese hält man leicht aus – die Sache ist witzig, sie ist schräg absurd, und letztendlich sagt sie ja doch ein bisschen etwas.

Natürlich hat man schon früher (vor Jahrzehnten) solche Mini-Produktionen in den finsteren Kellertheatern gesehen und sich angesichts der absurden Moderne, zu der immer nur ein paar Dutzend Leutchen kamen, sehr fortschrittlich gefühlt. Heute ist ein „Stück“ wie dieses (sprich: Text, den ein Regisseur nach Belieben aufbereiten kann) blutiger Alltag. Dergleichen wird preisgekrönt – in diesem Fall hat sich Autorin Miroslava Svolikova jenen „Retzhofer Dramapreis“ erworben, der für das Burgtheater offenbar als Garantie gilt: Auch andere Preisträger wie Ewald Palmetshofer oder Ferdinand Schmalz hat man prompt gespielt…

Das ländliche Österreich, ein Puppenhaus? Sieht so aus in dem rundum (auch Zuschauerteil) senfgelb gehaltenen Raum, die Puppen auf einem Podest zeigen u.a. Conchita in besserer (Freud) und schlechterer (Hitler) Gesellschaft. Das, was die Autorin ihren „Chor“ nennt, wurde auf zwei Puppen verkürzt – allein die körperliche Leistung, die darin besteht, nur die Köpfe aus Löchern zu strecken und im übrigen von hinten die Puppenkörper davor zu bedienen, ist bewundernswert: Schnatternd kommentieren sie alles. Der alte Mann im Rollstuhl, in Dirndl mit Blumenkranz, ist vielleicht die Autorität des Geschehens, ein Zwitter hier. Jener, der mit dem Rollator bis zum Wahnsinn dieselben Aktionen vollführt und erst am Ende das Wort ergreifen darf, ist der Teil der Gesellschaft, der sich unter steter Beobachtung befindet – weil die anderen nichts sonst zu tun haben. Alltag in Österreich oder überall?

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Der Text von Miroslava Svolikova ist oft witzig, über weite Strecken wirkt er aber auch wie ein synthetisches Jelinek-Streeruwitz-Nachfolgegewäsch, wie man es heute eben macht, um Preise zu gewinnen, irgendwo zwischen scheinbar tiefsinnig und evident absurd, die Sprache in mancher Doppeldeutigkeit beim Wort genommen. Was eigentlich im Lauf der Stunde gesagt wurde, vermöchte man nachher kaum zu sagen – also war es wohl nicht so wichtig.

Dennoch prägt sich der Abend ein, durch die Optik (Bühne: Christoph Rufer / Kostüme: Ellen Hofmann), durch die souverän gegliederte Regie von Alia Luque, durch die Darsteller.

Branko Samarovski ist der Doyen im Rollstuhl (irrt man sich oder weiß er manchmal selbst nicht, was er mit seinem Text anfangen soll?), Marcus Kiepe absolviert in der kurzen Hose des kleinen Jungen seine immer gleichen „Übungen“ bewundernswert (und ist auch herrlich beleidigt auf die Welt).

Aber es sind Tino Hillebrand (mit Goldhaube) und Laurence Rupp (mit Trachtenhut), die ihre Köpfe den schnatternden Puppen leihen und absolut herrliche Studien täglichen Gequatsches zwischen Boshaftigkeit und Banalität liefern. Die Darsteller erhielten den reichen Dank, den sie sich durch Können, Disziplin und Aufopferung ehrlich erworben haben.

Renate Wagner

 

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