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WIEN / Burgtheater-Vestibül: DIE HAMLETMASCHINE

16.10.2015 | KRITIKEN, Theater

Hamletmaschine Szene breit xx
Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Vestibül des Burgtheaters:
DIE HAMLETMASCHINE von Heiner Müller
Premiere: 16. Oktober 2015

Vor 25 Jahren hat man sie in Wien gesehen, die Aufführung von „Hamlet“ mit der integrierten „Hamletmaschine“, die Heiner Müller selbst 1990 mit Ulrich Mühe im Deutschen Theater in Berlin inszeniert hat. Es war ein Festwochen-Gastspiel mit einer Realisierung, die Legende geworden ist: „Mühe, Müller, eine deutsche Theatergeschichte“, wie die Presse damals urteilte.

Heiner Müller ist 1995 in Berlin gestorben. In der Ära Peymann hat man ihn am Burgtheater mehrfach gespielt, sonst ist es meist „Quartett“, das – als das gewissermaßen kommensurabelste Angebot aus seiner Stücke-Palette – in Wien am Programm steht. Nun hat das Burgtheater zum 20. Todestag Müllers im Vestibül „Die Hamletmaschine“ angesetzt. Es ist eine an sich nicht große Textfläche, die man nach Wunsch umsetzen kann – auch im kleinen Rahmen in eineinviertel Stunden.

Die „Hamletmaschine“ entstand als 1977 als Seitenprodukt einer „Hamlet“-Übersetzung, die Müller für Benno Besson anfertigte, und die fünf Blöcke sind typisch für seinen Umgang mit „Material“, textlich wie inhaltlich. Einiges von „Hamlet“, er selbst, Ophelia, Nebenfiguren angedeutet, Handlungselemente angespielt, bröckelnde, herausgebrochene, gedrehte, gewendete Textstücke des Originals. Dazu Müllers politischer Kommentar, sehr persönlich, konventionell in der Zivilisationskritik, unkonventionell immer wieder im dialektischen Nebeneinander von dem, was man gemeiniglich als Täter und Opfer auseinander dividiert: „Mein Platz, wenn mein Drama noch stattfinden würde, wäre auf beiden Seiten der Front, zwischen den Fronten, darüber.“

Ein starker, sprachmächtiger, vielfach aggressiver Text, der sich nie eindeutig und keinesfalls von selbst erschließt. Es ist leichter, ihn zu bebildern, als ihn wirklich zu interpretieren. Im Vestibül des Burgtheaters hat man ihn der jungen Regisseurin Christina Tscharyiski anvertraut, die sich damit nicht leichter tat als große Kollegen vor ihr. Was macht man damit?

Drei Darsteller: Der „alte“ Ignaz Kirchner darf zu Beginn die berühmte Feststellung „Ich war Hamlet“ tätigen, ganz in Schwarz wütet er über die Bühne, der Textdeutlichste ist er nie, was der Sache schadet.

Hemltmaschine IgnazKirchner Hamletmaschine Ophelia

Christoph Radakovits als die junge Version des Textes überzeugt mehr, auch weil man sich einen bubenhaften Zweifler und Rebellen in ihm vorstellen könnte. Puppenhaft, jungmädchenhaft, dabei sehr heutig sucht Marie-Luise Stockinger Variationen der Ophelia, die bei Müller kein Opfer mehr sein mag, nachdem sie zahlreiche Möglichkeiten, sich umzubringen, vorgebetet hat: Ihre Attacken des Hasses stehen am Ende.

Hamletmaschine Hamlet mit Rüstung

Diese kommen, wenn sie wie ein verzerrtes Präparat in einer Glaskiste steckt. Die Regisseurin beschwört mit Hilfe von Bühnenbildnerin Sarah Sassen das Ambiente eines Museums. In einer Szene, die in ihrer absichtsvollen Dümmlichkeit dumm übertrieben ist, schleppt Ophelia das ausgestopfte Riesenhaupt eines Bisons herum, das dann erst Jung-Hamlet für sie an die Wand hängen darf. Nicht zuletzt, damit daraus das Blut tropft, in dem er sich final wälzt. Dass der Alte den Jungen dann mit einer Rüstungs-Armschiene bekleidet, bevor er ihn seinerseits umbringt, ist ein Einfall, der mit Müllers Haß auf Krieg zu tun hat.

Dann darf Kirchner die Bühne putzen, alles Unordentliche wieder aufräumen, und am Ende sind wir wieder brav – im Museum. Man ist nicht sicher, ob Heiner Müller seinen Hamlet als Maschine gerne dort gesehen hätte.

Renate Wagner

 

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