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WIEN / Burgtheater: THE PARTY

22.09.2019 | KRITIKEN, Theater


c_Matthias_Horn

WIEN / Burgtheater:
THE PARTY von Sally Potter
Deutschsprachige Erstaufführung
Premiere: 21. September 2019

Man hätte vorsichtiger sein sollen mit seiner Vorfreude, aber warum? „The Party“ von Sally Potter war vor zwei Jahren ein reines Kinovergnügen für den denkenden Zuschauer, eine Satire auf englische Verhältnisse, bei der jeder sein Fett abbekam, man unbeschwert nicht nur über Politiker, sondern auch Esoteriker und Lesben lachen durfte und die Handlung um (fragwürdiges) bürgerliches Wohlverhalten allerlei Purzelbäume schlägt – bis zu einer infernalisch witzigen Schlußpointe.

Außerdem, und das mag als Argument für eine Bühnenaufführung gelten, hat Sally Potter selbst ihren Text für das Theater adaptiert. Und sie scheiterte schlicht und einfach daran, dass die Bühne nicht kann, was dem Film so locker möglich ist – mit schnellen Schnitten von einem Schauplatz zum anderen zu springen und allein aus der Szenenfolge Pointen zu holen; Aktionen locker glaubwürdig erscheinen zu lassen, die auf der Bühne plump wirken (von Szenen des Erbrechens über Nasenbluten und Ohrfeigen bis zu einer Rauferei, wo dann ein Opfer am Boden liegen bleibt…).

Oder ist es nur die Regisseurin Anne Lenk, die all das bei der deutschsprachigen Erstaufführung im Burgtheater einfach nicht in den Griff bekommen hat (das ist Handwerk von der nicht ganz einfachen Sorte, wenngleich es Schwierigeres gibt)? Oder liegt es an dem viel zu komplizierten Bühnenbild auf drei Ebenen, wo es einfach nur darum geht, von der Küche ins Wohnzimmer zu gehen, ein bisschen Flur, ein bisschen Bad, ein bisschen Vor-dem-Haus (weil eine Mülltonne benötigt wird)? Bettina Meyer hat sich für die Bühne da allzu viel absichtsvoll Verkorkstes ausgedacht (abgesehen davon, dass die Schauspieler teilweise vermutlich Kunststücke vollbringen müssen, schnell von Hier zu Dort zu kommen): Da sind Eingangstüren und Badezimmer doppelt zu besichten, von vorne und von hinten, und jedes Mal auf einer anderen Ebene. Das ist überhaupt nicht witzig, sondern nur ein Durcheinander, das die Handlung zerfranst und zerfasert. Sie kommt ohnedies schon ziemlich schlecht über die Rampe, rein von der realen Geschichte her. Noch weniger, wo die unterschwelligen Ressentiments brodeln und die Lügen langsam zerbrechen…

Und das, obwohl das Burgtheater des Martin Kusej hier (im Gegensatz zu den ersten drei Premieren) erstmals mit jenen Gesichtern besetzt hat, die das „alte“ Burgtheaterpublikum kennt (mit einer Ausnahme). Alle Top-Qualität. Und dennoch keiner auf der wirklichen Höhe seiner Möglichkeiten.


Dörte Lyssewski, Regina Fritsch

Dörte Lyssewski, wirklich mit einer schauerlichen Frisur gestraft, spielt jene Janet, die an diesem Abend mit einer kleinen Party für Freunde feiern möchte, dass sie Gesundheitsministerin geworden ist. Wohlfeile Phrasen fließen ihr bei jeder Gelegenheit gewandt über die Lippen, man würde ihr die idealistischen Versicherungen fast glauben, gäbe es nicht immer wieder Indizien, wie viel Eitelkeit und Machtstreben hinter ihrer Karriere steckt. Nebenbei telefoniert und SMSt sie mit einem Liebhaber – aber als sich herausstellt, dass der Ehemann eine Geliebte hat, verliert sie verständlicherweise tobsüchtig den Boden unter den Füßen… Wie schlicht die allzu Intellektuellen auszucken, wenn’s nach so viel theoretischem Gerede einmal wirklich weh tut.

Dieser Gatte Bill ist Peter Simonischek, anfangs geradezu verfallen, dann die Gesellschaft mit seiner Todeskrankheit schockend, um unvermittelt die Possenhandlung einzuleiten: Adieu, liebe Gattin, ich mache mir nichts mehr aus dir, meine wunderbare junge Freundin liebt mich wirklich, mit ihr will ich den Rest meines Lebens verbringen…

Als Tom, der vor Wut und Fassungslosigkeit zappelnde Gatte dieser Geliebten, stellt sich Christoph Luser den Wienern vor, gewinnt aber keine überzeugende Kontur.

Janets Freundin April, gespielt von Regina Fritsch cool bis ins Herz hinein, ist jener Typ Frau, der niemandem etwas durchgehen lässt, nicht dem Gefährten, nicht den Freunden, und die in ihrem Zynismus vermutlich nicht sonderlich geliebt wird.

Gnadenlos dem Gelächter preisgegeben werden soll Gottfried, der deutsche Guru unter den Engländern (man muss es sagen: unvergleichlich im Kino Bruno Ganz): Markus Hering möchte komisch sein, aber es gelingt ihm nicht wirklich. Selten, dass dieser alberne Wichtigmacher der Esoterik-Branche einen Lacher im Publikum erzielt.

Ja, und da ist auch noch das Lesbenpaar, mit dem Sally Potter keine Gnade walten lässt: Barbara Petritsch als Martha verkörpert die Stimme der Vernunft, wenn ihre junge Gattin Jinny mit der Nachricht kommt, dass die künstliche Befruchtung ihnen Drillinge, drei Buben, bescheren wird. Das müsste brüllend komisch sein, ist es aber nicht. Katharina Lorenz ist als Jinny überhaupt die Verliererin, wenn man sich erinnert, welche absolute Katastrophe Emily Mortimer im Film aus der Erkenntnis gemacht hat, dass die Gattin schon einmal mit einem Mann geschlafen hat… Einem Mann! Wie ekelhaft! Wie widerlich! Wie unverzeihlich! Hier findet dieses komische Element fast gar nicht statt. Und das, was im Film als Lesben-Interaktion so viel Intensität hatte, bleibt hier am Rande.

Das alles holpert relativ schwerfällig und auch inszenatorisch ungeschickt über die Bühne des Burgtheaters, da sollte die Inszenierung noch gründlich nachgefeilt und nachadjustiert werden. Und ein paar Tipps für Szene und Darsteller könnte man sich auch aus dem Film holen, der als Vorbild leider unerreicht bleibt…

Renate Wagner

 

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