Fotos: © Tommy Hetzel
WIEN / Burgtheater:
SCHACHNOVELLE von Stefan Zweig
Textbearbeitung: Nils Strunk, Lukas Schrenk
Premiere: 29. September 2024
Tragödie, Komödie, bestes Theater
Nils Strunk hat man am Burgtheater in einigen Rollen gesehen, aber so richtig aufgefallen ist er mit der brillanten Bearbeitung der „Zauberflöte“, die er mit Lukas Schrenk gemeinsam zu einem der vergnüglichsten Abende des düsteren Kusej-Burgtheaters machte (noch immer am Spielplan).
Schrenk und Strunk, Text und Musik, Bearbeitung, Regie und Schauspiel (Letzterer) sind nun auch das ideale Duo für die Umsetzung von Stefan Zweigs „Schachnovelle“ als „musikalisches Schauspiel“.
A priori hat die Idee ebenso wenig überzeugt, wie man auch Thomas Bernhards „Holzfällen“ nicht nötigerweise mit Musik „anreichern“ musste, aber es kommt eben auf das Wie an. Was Strunk und drei am Rande bleibende, aber wichtige Musiker (Martin Ptak, Hans Wagner, Jörg Mikula) hier leisten, ist keine billige Operette, sondern der musikalische Kommentar zu dem Werk, das nicht am Tisch sitzend gelesen, sondern von Nils Strunk im Alleingang gespielt wird.
Tatsächlich gespielt, denn er gibt auf einer Bühne, die sich mit wenigen Versatzstücken doch stimmig verwandelt (Maximilian Lindner), alle Rollen. Er ist der Erzähler auf dem Schiff von New York nach Buenos Aires, das vor allem Emigranten transportiert. Er erzählt von dem Schachweltmeister Mirko Czentovic, er verwandelt sich ganz köstlich in den reichen, Schach-verrückten Schotten McConnor (mit glänzendem schottisch gefärbtem Englisch), und er lebt schließlich das zentrale Schicksal jenes „Dr. B.“ vor, der in der brutalen Gestapo-Einzelhaft im Hotel Metropol nur überlebte, weil er mit Hilfe eines gestohlenen Buches, das sich als Schach-Führer herausstellte, hundertfünfzig Meisterpartien im Geist immer wieder nachspielte, bis sie letztendlich doch seinen Kopf verwirrten.
Das ist das bekannteste und berührendste Motiv des Werks, und da gibt es dann auch keine Pointen mehr, die Strunk (oft wie ein Bauchredner im Dialog zwei Personen perfekt differenzierend) davor durchaus ausgekostet hat, was ihm schon begeisterten Szenenapplaus eintrug.
Ein-Mann-Theater ist eine Form, die Wien noch von Herbert Lederer kannte. Hier ist nun ein wahres Virtuosenstück dieses Genres zu bewundern, da Strunk, der die Musik des ganzen Abends zusammenstellte, aus Zitaten und selbst Komponiertem, sich auch nicht nehmen ließ, als wirklich brillanter Klavierspieler zu prunken. Nur der „Songs“, die Lukas Schrenk auf Englisch schrieb, gibt es ein paar zu viele an diesem knapp zweistündigen, herrlich unterhaltenden, dabei Stefan Zweig nie vergessenden Abend.
Am Ende brach der stürmischste, ehrlichste Jubel los, den man seit langem erlebt hat, Standing Ovations inbegriffen. Von den sechs Produktionen, die die neue Ära Stefan Bachmann im ersten Monat geboten hat, ist dies der einzige Abend, den man wirklich gesehen haben sollte.
Renate Wagner
P.S. Lärm, wenn auch nicht gerade Jubel, gab es desgleichen vor dem Haus, als man um 21 Uhr heraus kam. Man hat sich mit den Demonstrationen keine Zeit gelassen. Eine Menge skandierte auf der Ringstraße ihre Wut darüber, dass die in ihren Augen „Falschen“ die Wahl gewonnen haben. Demokratie sieht anders aus.