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WIEN / Burgtheater: RODIN (Eifman-Ballet)

12.06.2016 | Ballett/Tanz, KRITIKEN

Eifman dankt für Applaus~1
Boris Eifman dankt mit seinen Künstlern für den Applaus

WIEN / Burgtheater / Boris-Eifman-Ballett:
RODIN von Boris Eifman
12.
Juni 2016

Der russische Choreograph Boris Eifman hat in Wien einen sehr guten Ruf: Sowohl seine „Anna Karenina“ (2006 an der Volksoper) wie seine „Giselle Rouge“ (2015 an der Volksoper) müssen das Publikum ausreichend beeindruckt haben, um die überdurchschnittlich hohen Eintrittspreise für das Gastspiel des „St. Petersburger Staatlichen Akademischen Boris-Eifman-Ballett-Theaters“ im Burgtheater zu bezahlen.

„Rodin“ ist nun auch ein Name, der zieht, obwohl es die Geschichte dem Besucher nicht a priori leicht macht. Wer kennt schon die biographischen Details eines bildenden Künstlers (selbst wenn man den „Camille Claudel“-Film von 1989 mit Isabelle Adjani und Gerard Depardieu als Rodin gesehen hat), wer ist schon so detailliert mit dem Werk des Genies vertraut, dass er über dessen berühmteste Plastiken hinaus die vielen Anspielungen erkennen kann?

Nun, Boris Eifman erzählt auf jeden Fall zweierlei – die Geschichte eines besessenen Künstlers, für den alles „Form“ wird (und wo Rodin Stein nahm, stehen Eifman Tänzer-Körper zur Verfügung), und die Dreiecksgeschichte, die Rodin zwischen seiner Geliebten und Künstlergefährtin, der hoch begabten Camille Claudel, und seiner späteren Frau Rose Beuret zeigt. Das ist noch immer nicht so einsichtig wie etwa „Anna Karenina“, ein Roman, den jeder kennt, oder „Giselle Rouge“, das geradezu aufregend abwechslungsreiche Schicksal der Tänzerin Olga Spessiwzewa.

Und bis zur Pause wirkt die Geschichte zwischen konkurrierenden Künstlern (Rodin und Camille) und konkurrierenden Frauen (Camille und Rose) auch tatsächlich eher wie die stete Wiederholung desselben Motivs, wobei die Musik von (offiziell) Maurice Ravel, Camille Saint-Saëns, Jules Massenet (inoffiziell noch von einigen mehr, dazu Geräusche, französische Akkordeonklänge, ein bisschen CanCan und ein bisschen Tango) lautstark vom Band kommt.

Im zweiten Teil belebt der Choreograph des Geschehen mit flotten Ensembleszenen, wobei sich aus einem ländlichen Weinlesefest ein junges Mädchen löst, mit dem Rodin einen geradezu klassischen Pas de deux tanzt, um sie dann, wie alle anderen auch, als Modell zu „verwenden“… Oder es gibt eine flotte Gesellschaftsszene, die das Geschehen, das im übrigen sehr stark tragisch durchwirkt ist, etwas auflockert. Im übrigen mischt die tänzerische „Sprache“ Eifmans, wie man sie ja bereits kennt, die Klassik mit ihrem Bewegungen und stilistischen Eigentümlichkeiten mit der starken Expressivität eines Modern Dance, der die Körper der Tänzer hier zu extremen „Verformungen“ benützt.

Der Geniestreich besteht aber darin, als der Zuschauer menschliche Rücken quasi als Arbeitsmaterial sieht und Rodin und Camille daraus dann die „Bürger von Calais“ erstehen lassen – ein hinreißendes choreographisches Meisterstück. Auch sonst laufen die „Arbeiten“ Rodins immer darauf heraus, dass die Tänzer seine berühmtesten Skulpturen „nachstellen“.

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Foto: Michael_Khoury / Website Burgtheater

Oleg Gabyshev ist der schwerblütig verquälte Künstler, der Camille rücksichtslos ausbeutet und nicht ertragen kann, dass sie selbst künstlerisch tätig ist. In den Szenen als alter Mann am Stock wird er von Rose Beuret umgarnt, die sich mit Camille geradezu Kampfszenen um den Mann liefert.

Dabei ist Maria Abashova der elegante, aber entschlossen harte Gegenpol zu der jugendlich leidenschaftlichen Camille der Lyubov Andreyeva, der vom Choreographen viele slapstickartige Bewegungen auferlegt sind, um ihre Eigenart zu charakterisieren. Emotional aufgeladen, kämpft sie um ihr eigenständiges Künstlertum, wird aber am Schluss von einer Frauenschar mitgenommen, abgeführt, auf ein normales Frauenschicksal reduziert – während Rodin am Ende des knapp zweistündigen Abends mit gewaltigen Schlägen weiter seine Steine bearbeitet…

Viel Applaus für ein schwieriges Thema, das die steinernen Körper Rodins lebendig macht und von großen, wenn auch selten positiven Emotionen erzählt. Boris Eifman nahm im Kreise seiner Tänzer den stürmischen Applaus entgegen, der wohl auch von vielen begeisterten Landsleuten des Künstlers kam.

Renate Wagner

 

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