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WIEN / Burgtheater: MEPHISTO

12.09.2018 | KRITIKEN, Theater


Alle Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Burgtheater:
MEPHISTO
nach dem Roman von Klaus Mann
Bühnenfassung von Bastian Kraft
Premiere: 11. September 2018

Wenn man Klaus Manns „Mephisto“-Roman auf die Bühne bringt, ohne (sagen wir es doch ehrlich) eine wirklich überzeugende Besetzung für die Titelrolle zu haben, dann steckt anderes dahinter. Und diese Absicht ist leicht zu lesen. Denn obwohl schon 1936 erschienen, wo die wahren Katastrophen noch bevorstanden, hat Klaus Mann schließlich die Parabel vom Werden eines totalitären Staates gezeichnet. Und das kann man als Warnung immer ehrenwert in die Welt posaunen, da ist man ideologisch auf dem problemlosen Weg.

Nun ist es mit „Mephisto“ an sich nicht so einfach, denn der Roman hat viele Ebenen. Es solle kein Schlüsselroman über Gustaf Gründgens gewesen sein, keine Abrechnung von Klaus mit dem ehemaligen Schwager (der bekanntlich mit seiner Schwester Erika verheiratet war) – aber das ist natürlich dummes Gerede. Ohne den Reiznamen „Gründgens“ würde sich bis heute kaum jemand für das Buch interessieren. Tatsächlich aber lässt sich gerade an einer in vieler Hinsicht „großen“ Figur wie diesem besonders genau exemplifizieren, worum es immer wieder geht: von der Verantwortung des Einzelnen angesichts politischer Entwicklungen im allgemeinen – und von der Verantwortung von Künstlern im besonderen. Da gibt der „echte“ Gründgens der Nachwelt genügend zum Kauen, und der Verdacht, ein gewaltiger Opportunist gewesen zu sein (mit vielen Tendenzen, ihn zu verurteilen, und wenigen, ihn zu begreifen und teilweise zu entschuldigen), der wurde nie ausgeräumt.

Das Burgtheater spielt nicht die „komödiantische“ Umsetzung, die Ariane Mnouchkine dem Buch 1979 angedeihen ließ (und die wir 2004 im Volkstheater gesehen haben). Bastian Kraft, der noch als Regieassistent am Burgtheater „gelernt“ und seither hier „Dorian Gray“ und „Ludwig II.“ inszeniert hat, bleibt der Bearbeitung literarischer Vorlagen treu. Seine Fassung des „Mephisto“-Romans spart vieles aus, ändert auch vieles – Klaus Mann wollte das Thema Homosexualität heraushalten und hatte seinem Gründgens, hier Hendrik Höfgen genannt, eine farbige Tänzerin als Geliebte gegeben. Bei Kraft ist es Julien, ein junger Homosexueller (Simon Jensen, intensiv und larmoyant). Wichtig ist auch die Figur von Klaus Mann selbst, der im Roman nur eine Nebenrolle spielt: Hier ist er der Erzähler der Geschichte, der Mann, der alles zusammen hält. Fabian Krüger spielt ihn faszinierend als zerstörte Figur (tatsächlich hat Klaus Mann, schwer drogensüchtig, Selbstmord begangen), und wenn der künftige Burgtheaterdirektor tatsächlich meint, auf einen Schauspieler dieses Kalibers verzichten zu können, zweifelt man schon à priori an seinem Urteil.

Mit Klaus Mann als Erzähler hat Bastian Kraft, nun als Regisseur, eine zähe, dreieinhalbstündige Mischung aus Biopic und Polit-Show gemacht, von Trommelwirbel (Judith Schwarz) eindrucksvoll begleitet, aber auch mit einer Menge durchaus uneinsichtiger Gesangseinlagen von Sylvie Rohrer bestückt, als eine Figur, die Elisabeth Bergner nachempfunden sein soll. Peter Baur hat dazu eine Bühne geschaffen, in deren Zentrum meist ein Laufband steht, während man auf weißen Paneelen im Hintergrund immer wieder Video-Mitgefilmtes sehen kann (dabei hat man gedacht, diese unselige Mode sei schon langsam vorbei). Meist in Schwarz und Weiß, später auch stellenweise in Rot gehalten, ist der Abend formal und optisch ziemlich einförmig, dankenswerterweise nur von direkten Nazi-Assoziationen frei.

Gründgens oder nicht Gründgens (natürlich Gründgens, wer sonst) – in Nicholas Ofczarek fehlt dem Abend ein glanzvolles Zentrum, wie es Klaus Maria Brandauer einst im Film war. Noch am besten, wenn er (in einer „Faust“-Szene) den scharf-nasalen Tonfall des originalen Gründgens nachahmt, dessen Ausstrahlung er nie auf seine persönliche Art umsetzen kann, ist Ofczarek eine schwere, klobige, klotzartige Figur und ein Objekt für dauernde optische Veränderung durch Ausstatter und Maskenbildner:

Zu Beginn mit dem weißen Gesicht des Gründgens-Mephisto, wie man ihn aus der Verfilmung kennt (dem man auch einmal eine Narrenkappe aufsetzt), wandelt er sich nach und nach zu einem Mephisto im Latex-Gewand, als komme er aus einem Science-Fiction-Film (darin muss man sich mörderisch mies fühlen), um dann – wie symbolisch – von Göring an ein Seil gehängt zu werden und nur noch als Marionette zu fungieren. Allerdings am Ende mit einem grellroten Glitzergewand: Das Ausstellungsstück der Mächtigen… Gründgens’ Schwanken, wie weit er – der erfolgssüchtige Schauspieler – den politischen Pakt mit dem Teufel schließen kann, will, muss, fällt eher kursorisch aus, aber in diesem Fall muss der Theaterabend nicht gescheiter sein als der Rest der Welt: Wir wissen ja doch nicht, was in dem Mann vorging.

In den Rollen von Erika Mann und Pamela Wedekind agieren Dörte Lyssewski, sehr maskulin, und Sabine Haupt, sehr sachlich. Als politische Eckpfeiler geben Peter Knaack den Kommunisten, Martin Vischer den Nazi. Als Göring schleimt Martin Reinke eine Mischung aus Jovialität und Gefährlichkeit, und Petra Morzé ist als die blond-schmierige Emmy Sonnemann so glänzend, dass es schwer fallen wird, sie am Burgtheater zu vermissen. Für Nebenrollen verschiedenster Art steht Bernd Birkhahn zur Verfügung, während Hans Dieter Knebel weniger als starrer Carl Sternheim, wohl aber als jüdischer Garderobier Böck nachdrücklich wirkt.

Es ist immer schwer (und sinnlos – aber die Theaterleute glauben es nicht), Romane auf die Bühne zu bringen. Hier, wo weder ein überdimensionales Einzelschicksal interessieren kann noch die Polit-Revue sonderlich überzeugt, fragt man sich überhaupt, was das Ganze soll. Rund um einen Mann wie Gründgens hätte man sich doch wenigstens brillantes Theater erwartet.

Renate Wagner

 

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