Fotos: c_Matthias Horn
WIEN / Burgtheater:
KASIMIR UND KAROLINE von Ödön von Horvath
Premiere: 24: März 2023
Man kennt die Regie-Merkmale der Regisseurin Mateja Koležnik . sie liebt die Verengung („Die Wildente“, 1917 in der Josefstadt, spielte sich ausschließlich auf einer schmalen Treppe ab), und sie schätzt verschiebbare Elemente („Der einsame Weg“, 1918 in der Josefstadt, bestand darin, dass sich die Darsteller hinter wandernden Wänden versteckten), und sie hat es auch gerne, wenn man als Publikum immer wieder akustisch dadurch irritiert wird, dass man wenig versteht.
Viele Elemente dieser „Handschrift“ kamen nun zusammen, als Mateja Koležnik Ödön von Horvaths Stück „Kasimir und Karoline“ (nach den „Geschichten aus dem Wiener Wald“ sein berühmtestes Stück und in Wien x-mal auf und ab gspielt) im Burgtheater auf eineinhalb Stunden und zwei übereinander gelagerten Schauplätze „eindampfte“.
Wesentlich an Horvaths 1932 uraufgeführtem „Volksstück“ ist das Oktoberfest als hektischer „Vergnügungs-Hintergrund“ für ein paar elendig arme Kleinbürger-Schicksale. Die Handlung ist einfach – Kasimir, der Chauffeur, wurde entlassen („abgebaut“, wie es damals und auch heute wieder hieß und heißt), er hat gar keine Lust auf das Oktoberfest und lässt seine schlechte Laune an seiner Freundin Karoline aus. Die will sich das nicht gefallen lassen und außerdem um jeden Preis unterhalten, also zieht sie mit Schürzinger los, dem ersten jungen Mann, der sie anspricht. Der ist allerdings ohne weiteres bereit, sie seinem alten, geilen Chef zu überlassen (gegen eine eingeforderte Verbesserung seiner Stellung), Bei einer besoffenen Autofahrt des Alten mit Karoline nach Altötting kommt es zu einem Unfall. Inzwischen ist der Merkel-Franz, der kriminelle Freund von Kasimir, von der Polizei geschnappt worden, und dessen Freundin Erna orientiert sich blitzschnell in Richtung von Kasimir. Übrig bleibt eine desperate Karoline (im Stück kehrt sie zu Schürzinger zurück).
Das alles muss man wissen, wenn man wirklich begreifen will, was in den hektischen, überdrehten, total unübersichtlichen eineinhalb Stunden auf der Bühne des Burgtheaters vorgeht. Die obere Ebene (Bühne: Raimund Orfeo Voigt) spielt „draußen“, gekennzeichnet durch Tank-Zapfsäulen und ein Schaukelpferd und die Ahnung eines Autos, das, Pointe, für den „Unfall“ einen Meter über den oberen Bühnenrand hinaus gefahren wird. Auf der unteren Ebene befinden sich die Waschräume und Toiletten. Hier verteilt die Regisseurin weniger die Handlung als einfach schrille Aktionen, alles überzeichnet, ob die Rolle der Sanitäter oder immer wieder die grölenden Massen. Und natürlich verschieben sich wieder Wände und man versteht zeitweise programmatisch schlecht…
Dabei hat man anfangs aufgehorcht, weil hier (natürlich überdeutlich und gezielt) Horvath-Texte so zusammen geschnitten wurden, dass man Argumente hört, wie sie auch heute vom rechten Lager benützt werden. Vermutlich war dieser Teil (der sich später verflüchtigt) das Hauptanliegen der Produktion.
Viel weniger Mühe nahm man sich mit den Figuren, die kaum Möglichkeit fanden, sich zu entfalten. Es ist wieder einmal um „Regie“ gegangen und nicht um das Stück, das dramaturgisch ziemlich willkürlich zerlegt wurde. Tatsächlich sind die beiden Paare, Kasimir sowieso und Karoline auch, selbst der kriminelle Merkel-Franz und seine geschundene Erna, Menschen, denen Horvath sein ganzes Mitleid zukommen lässt als chancenlose Opfer einer Epoche, die für ihresgleichen nichts übrig hatte (es sei denn, sie wurden Stimmvieh für die Nationalsozialisten). Ganz anders kommen sie in dieser Inszenierungen (ohnedies nur rudimentär) heraus.
Vor allem für die hier immer nur hysterisch herumschreiende, immer aggressive Karoline der Marie-Luise Stockinger kann man weder Sympathie noch Mitleid empfinden. Titelheld Kasimir ist so an den Rand gerückt, dass Felix Rech wie eine Nebenfigur wirkt, was auch dem Merkel-Franz des Christoph Luser passiert. Etwas mehr in Szene setzen kann sich Mavie Hörbiger als Erna, obwohl sie keinesfalls als dermaßen berechnendes Luder gemeint ist. Schmierig genug gibt Jonas Hackmann den Schürzinger. Die geilen alten Männer hat man schon weit profilierter als durch Markus Hering und Markus Meyer erlebt. Nirgends ist auch nur ein Hauch von Menschlichkeit zu spüren.
Es ist überhaupt kein Abend, wo es um Kasimir und Karoline, ihr Unglück und das Oktoberfest und letztendlich um Horvath gehen würde. Da tanzt eine böse Welt eineinhalb Stunden den belehrenden Theater-Tango und erzählt einem Publikum, das sich wieder einmal schuldig fühlen soll, wie hässlich doch alles ist. Stimmt. Aber man hätte doch lieber das Stück gesehen.
Renate Wagner