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WIEN / Burgtheater: HOLZFÄLLEN

Eine Erregung, von Musik zerhackt

13.09.2024 | KRITIKEN, Theater

holzfällen

WIEN / Burgtheater: 
HOLZFÄLLEN
Lesung aus dem Roman von Thomas Bernhard
Premiere: 12. September 2024 

Eine Erregung, von Musik zerhackt

Damals, vor 40 Jahren… Ja, dieser Thomas Bernhard konnte wirklich Skandale machen, die es bis auf die Titelseiten der österreichischen Zeitungen (und ins deutsche Feuilleton) schafften und lange köchelten. In dem Roman „Holzfällen“ hatte er zweifellos echte Erfahrungen umgesetzt. Ein Redakteur der „Presse“ machte den Komponisten Gerhard Lampersberg und dessen Gattin aufmerksam, sie könnten wohl mit dem Ehepaar „Auersberger“ gemeint sein. Bernhard war bei den Lampersbergs zu Gast – dass er darüber so gnadenlos, so bösartig, so brutal und schonungslos verletzend  schrieb, das schmerzte, kränkte, man fühle sich verraten und beleidigt, man klagte. Das Buch wurde in Österreich verboten.

Als ich kurz darauf zu meinem lieben Buchhändler kam, blinzelte der mir zu: „Ich hab’ was für Sie.“ Und er holte „Holzfällen“ buchstäblich „unter der Budl“ hervor, wo er ein Exemplar für mich aufgehoben hatte. Wenige Tage später kam mein Mann von einer Deutschland-Reise zurück und brachte mir „Holzfällen“. „Zu Hause kriegst Du das ja nicht.“

Ich besitze das Buch also  zweimal, habe es damals mehrfach mit Vergnügen gelesen, nun aber sicher seit Jahrzehnten nicht. Entsprechend groß war die Neugierde auf die Wiederbegegnung im Burgtheater.

**„
Holzfällen“ (von Anfang an mit dem Untertitel „Eine Erregung“ – obwohl man noch gar nicht wusste, wie viel Erregung das Buch erzeugen würde…) wird von einem Ich-Erzähler bestritten. Thomas Bernhard macht den Namenlosen zu einem Schriftsteller, der eigentlich in London lebt, wieder einmal in Wien ist, zufällig alte Bekannte trifft, die er eigentlich nicht leiden kann, aber dennoch deren Einladung zu einem „künstlerischen Abendessen“ in die Währinger Gentzgasse annimmt – lauter Künstler, im Zentrum ein Burgschauspieler. Während der Ich-Erzähler sich in einen Ohrensessel duckt und beobachtet, räsoniert er seine Wut, dass er hier ist,  vor sich hin…

Viele von Bernhardts Stücken haben nahezu Monolog-Charakter, man könnte sich also einen Schauspieler allein mit diesem Text (entsprechend gekürzt, die Buchausgabe hat 321 Seiten) auf der Bühne vorstellen. Gewissermaßen geschieht das auch im Burgtheater – und dann doch nicht. Denn es nimmt hier nicht nur Nicholas Ofczarek, massig und spürbar mit echt Bernhard’scher Aggression geladen, in der Mitte der Bühne hinter einem Lesepult Platz. Rund um ihn postieren sich die zehn Musiker der Musicbanda Franui. Und weil sie sozusagen immer – oft schon nach ein paar Sätzen, oft auch den Text unterlegend – ihren musikalischen Kren dazugeben, zerflattert Bernhards Text, der wie immer seine Stärke aus dem Sog zieht, in dem er geschrieben ist.

Die Frage stellt sich, ob die Idee einer „Roman-Musikalisierung“ (so von den Musikern im APA-Interview bezeichnet) wirklich so gut ist – wenn sie auch vor allem zu Beginn mit ihren schmerzlichen Mißtönen die Schmerzlichkeit des bösen Textes unterstreichen. Aber mit der Zeit können einem die steten Unterbrechungen auch auf die Nerven gehen. Im übrigen sind wechselnde Lichteffekte mit zahlreichen Scheinwerfern aus allen Richtungen (Licht: Paul Grilj) die einzigen szenischen Effekte – Zusammenhänge mit dem Inhaltlichen ließen sich nicht herstellen.

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Foto: © Tommy Hetzel

Dass Nicholas Ofczarek dem Text ein souveräner Interpret sein würde, ist klar, er ist spöttisch, wütend, ironisch, differenziert Figuren mit sprachlichen Nuancen und Dialekten.

Und wenn man den mäandernden Beginn, wo Bernhard seinen Zorn dreht und wendet (das liest sich besser als es sich anhört) hinter sich hat und zur Abendgesellschaft kommt, dann ist der Text eben nicht nur das „Geschimpfe“, das man von diesem Autor stets erwartet und bekommt, sondern auch alles andere, was Bernhard hier akkumuliert – seine Verachtung für eine Wiener Künstlerszene, der er unterstellt, nur auf staatliche Subventionen aus zu sein, seine Porträts eines aufgeblasenen Burgschauspielers, einer affektierten Autorin und des, ja entsetzlich blöde dargestellten Ehepaars Auersberger mit ihren gesellschaftlichen Ambitionen und ihrer Angeberei.

Und Bernhard nimmt auch sich selbst nicht aus – als Teil der so typischen, verlogenen, allgemein praktizierten Verhaltensweisen, die man rund um solche „Events“ findet –  die Lobeshymnen, in denen man sich ergeht, auch wenn man sich vor Ekel kaum halten kann…

Und natürlich passt „Holzfällen“ in den Beginn einer Burgtheater-Direktion, denn Bernhards Attacken gegen das Haus sind hier besonders ausführlich. Vor allem  in Bezug auf das Schicksal von Direktoren, die – wie es heißt – mit einiger Hoffnung geholt und nach kurzer Zeit auf jeden Fall mit Schimpf und Schande davon gejagt werden- Das  hat sich  angesichts von Stefan Bachmans Vorgänger wieder einmal bewahrheitet…

Der Beifall des zahlreichen Publikums, das gar keine Einwände zu haben schien, klang frenetisch.

Renate Wagner

 

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