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WIEN / Burgtheater: GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN

Lug und Trug

20.04.2025 | KRITIKEN, Theater

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Schlussapplaus, Foto: Renate Wagner

WIEN / Burgtheater: 
GEFÄHRLICHE LIEBSCHAFTEN
Nach dem Roman von Choderlos de Laclos
Bearbeitet von John von Düffel
Eine Koproduktion mit dem Hamburger Theater Festival Mai 2024
Wiener Premiere: 19. April 2025

Lug und Trug

Vorerst: Von Seiten des Burgtheaters ist es „Fake“ (neuerdings das Lieblingswort aller Regierungen), den „Gefährliche Liebschaften“-Abend als „Premiere“ des Hauses anzukündigen. Es handelt sich dabei um eine für das Hamburger Theaterfest im Mai 2024 zusammen gestoppelte Produktion, die schon dort keine einhellige Zustimmung erhielt. Aber man hat „koproduziert“, und natürlich – mit Caroline Peters und Martin Wuttke stehen zwei der Spitzenschauspieler des heutigen deutschen Theaters auf der Bühne. Wo, wenn nicht am Burgtheater, will man das sehen?

Aber – Premiere? Sicher nicht. Nicht einmal einen Besetzungszettel hat das Haus dafür gedruckt, keinerlei Szenenfotos zur Verfügung gestellt. Mehr als ein Gastspiel (mit gerade einer Reprise) ist das wohl nicht. Und ein in hohem Maße verzichtbares, denn der Abend macht niemandem Ehre.

Will man Romane (in diesem Fall wird es ein Gespräch zwischen zwei Personen) auf die Bühne bringen, gibt es – so man sie nicht überhaupt „echt“ dramatisiert –   zwei Möglichkeiten. Entweder man setzt die Schauspieler an einen Tisch und sie lesen daraus, was großartige Ergebnisse zeitigen kann, weiß man doch, was große Interpreten allein mit Stimme und Sprache, mit Mimik und sparsamer Interaktion erreichen können. Oder man schlüpft in historische Gewänder und spielt die Sache mit Hilfe des Textes. Aber dann kann man nicht mit fliegenden Blättern in der Hand immer wieder in den Text starren, ziel- und sinnlose Bewegungsaktionen um einen Haufen Matratzen setzen und eigentlich gar nichts bieten, wie es hier geschieht. Jan Bosse ist als Regisseur angeführt. Man fragt sich, was er „inszeniert“ hat.

Die „Gefährlichen Liebschaften“ sind bestens bekannt – vermutlich nicht von der Lektüre her, sondern aus dem Kino, wobei Stephen Frears 1988 mit Glenn Close und John Malkovich in den Hauptrollen mehr Erfolg hatte als Milos Forman 1989 mit Colin Firth und Annette Bening (sehenswert waren beide Filme). Sie setzten den Briefroman des Choderlos de Laclos aus dem Jahre 1782 in spannendes Kino um, worin es vor allem um die zutiefst unmoralischen Hauptfiguren, der Marquise de Merteuil und des Vicomte de Valmont, ging, die rücksichtslos mit Menschenleben spielten, Vertreter eines Ancien Regime dessen Ende mit der Revolution von 1789 sozusagen vor der Tür stand und diesen Menschenschlag wegräumte…

John von Düffel, der als Spezialist für die Bearbeitungen von Romanen für die Bühne gilt, hat nun die zahlreichen Briefe des Romans (die von mehr als einem halben Dutzend Leuten stammen) auf jene von Merteuil und Valmont zusammen gestutzt, was legitim ist, denn es geht um ihre Machenschaften, um Lug und Trug einer gelangweilten Gesellschaftsschicht, um bösartige Manipulation als Freizeitspaß, um ihre Lust, Menschen durch sexuelle Verführung ins Unglück z stürzen und zu zerstören. Bloß – im Burgtheater bekommt man nicht viel davon mit.

Caroline Peters hat sich im Gegensatz zur Hamburger Aufführung, wo sie ein pastellfarbenes Rüschenkleid trug, in eine dramatische schwarze Robe gestürzt, in der sie aussieht wie eine Königskobra, aber das ist schon ihr einziger Beitrag zur Figur – und bei Martin Wuttke in lässigem Schlabber-18. Jahrhundert liegt der Fall ähnlich. Abgesehen davon, dass sie von der natürlichen Unruhe von Schauspielern getrieben sind, die ihren Text nicht können, säuseln sie das, was sie dann anzubieten haben, in so beiläufigem, ziellosem, vielfach unverständlichem Parlando herunter, als agierten sie bestenfalls für eine Fernsehkamera. Aber nicht für ein Theaterpublikum, das ein Recht darauf hätte, den Text zu verstehen, dem sie aber keine Geschichte erzählen und keine Figuren ausformen. Es ist, sagen wir es ehrlich, einfach kläglich. Und schmerzt doppelt und dreifach, weil hier große Schauspieler dermaßen ins Unglück rennen. (Und gerade sie müssten es am besten wissen.)

Sicher, das Publikum im nicht eben überfüllten Burgtheater (wer setzt eine „Premiere“, auch wenn es eine falsche ist, schon am Karsamstag an, wo alle Welt verreist ist) klatschte, wenn auch nicht übertrieben enthusiastisch. Aber man ließ sie sich halt von den großen Namen blenden. Nicht alle übrigens – die Leute neben mir gingen einfach nach einer halben Stunde weg. Sie haben nichts weiter versäumt, der zweistündige Abend war durchwegs quälend.

Renate Wagner  

 

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