Fotos: © Tommy Hetzel
WIEN / Burgtheater:
ELISABETH! von Mareike Fallwickl
Uraufführung
Premiere: 11. April 2025
Eh schon wissen…
„Elisabeth!“ Es kann nur eine geben. Zumindest in Österreich wird jeder sofort an die Kaiserin (mit den Sternen im Haar) denken. Romy als Sisi, Dann kam Brigitte Hamann, und man sah sie problematischer. Ja, und dann wurde Kaisern Elisabeth die österreichische Tourismus-Ikone , mit der sich alles verkaufen lässt, und man hat sich an allen Ecken und Enden an ihr abgearbeitet, konnte gar nicht genug Küchenpsychologie über sie gießen, kam natürlich, je nach der eigenen Wunschinterpretation, zu den widersprüchlichsten Aussagen. Elisabeth. Ausgelutscht bis zum letzten, Eh schon wissen…
Die Salzburger Autorin Mareike Fallwickl, bekannt geworden durch feministisch geprägte Romane, schließt sich nun der Phalanx an, die aus dem Auspressen von Elisabeth gutes Geld machen, weil das Publikum von ihr offenbar nicht genug bekommt. Allerdings findet sich in dem herumeiernden Text nicht ein neuer Gedanke, nicht eine Überlegung, die nicht schon angestellt wurde und die hier gelegentlich in Ambivalenz erwähnt wird (in der Erkenntnis, dass es keine definitive Wahrheit gibt) – war sie Opfer des Wiener Hofes (nur angeblich patriarchalisch, weil geleitet von Erzherzogin Sophie, die man „böse“ oder ganz „gut“ sehen kann) oder Täterin, die sich im Stil unseres zeitgenössischem Ego-Kults kaltblütig über alles hinweg gesetzt hat? (Und was ihr Leben den Kaiser gekostet hat, nicht wahr!)
Das kleine Mädchen aus Bayern, ein Dynastie-Opfer? (Dass Franz Joseph die Cousine aus einer Wittelsbacher Nebenlinie geheiratet haben soll, um die Ansprüche der Habsburger auf bayerische Besitzungen zu bekräftigen, ist übrigens reiner Blödsinn.) Ihrem armen Teenager-Körper drei Kinder abgepresst? Das war damals so, nicht nur in Herrscherhäuser, auch bei den Reichen. (Und selbst heute gibt es noch Gesellschaften, wo manchen Frauen dauerndes Gebären abgezwungen wird, nicht wahr?) Ist es nicht langsam grottenlangweilig, der Vergangenheit dauernd vorzuwerfen, dass sie war, wie sie war – wenn wir in vielen Dingen noch lange nicht so weit gekommen sind, wie wir sollten? Aber es ist ja so wohltuend, sich selbstgerecht aufzuplustern…
Im Programmfolder erklärt die Autorin, es ging „um die Erfahrungen sämtlicher Frauen in dieser Welt“. Also, als allgemeines Paradigma des Frauseins kann man Elisabeth wirklich nicht betrachten. Sicher, ihr Schönheitskult ist Frauensache, stets hat man Schönheit zwecks Manipulation eingesetzt, aber so weit wie sie hat es wohl kaum jemand getrieben. Wenn die Autorin die Hungerödeme anspricht, die man an ihrer Leiche diagnostizierte, und dieses freiwillige Hungern in einer Welt überbordenen Reichtums mit dem echten, quälenden Hunger ihres Mörders Lucheni vergleicht, weiß man sogar, wo das abgeschrieben wurde.
Diese Haare! Waren sie eine Last oder fand sie sie selbst „geil“? Die Autorin lässt die Frau, die hier in „Elisabeth“ auf der Bühne steht, manchmal eine marodierende Kaiserin sein, meist aber über sie erzählen. In heutiger Sprache. Und, weil ein Monolog von 105 Minuten erstens lang ist und gefüllt werden will, weil man zweitens Bildung zeigen möchte und drittens natürlich historische Vergleiche ziehen muss, kommt noch Geschichtsstunde dazu. Nicht, dass es etwas mit Elisabeth zu tun hätte, etwa, wenn es um Karoline von Perin, eine Vorkämpferin der 48er Revolution, oder um Rosa Parks geht, die die amerikanische Bürgerrechtsbewegung ausgelöst hat. Ja, Elisabeth hat nichts für die Frauen ihrer Zeit getan…
Zwischen Mitleid und Kritik schwankend, natürlich Kaiser Franz Joseph veralbernd, oft hochgradig parodistisch, dann wieder voll Vitriol, geht es thematisch im Leben Elisabeths flott durcheinander, und Stefanie Reinsperger, für die dieser Text geschrieben wurde, muss das Ganze zusammen halten. Sie kann es natürlich, ihre Präsenz lässt nie nach, auch wenn sie in dem pausenlosen Parforceakt kaum ein paar Minuten Verschnaufpause hat, wenn eine Band von Zeit zu Zeit (nicht wirklich sinnstiftend) ohrenbetäubend loslegt.
Regisseurin Fritzi Wartenberg holt ihre Hauptdarstellerin gewissermaßen vor den Vorhang, lässt vor der Bühne und vor allem vor vielen Spiegeln agieren, immer wieder gerade daraus Effekte holend, weil man Elisabeth (wie symbolisch) von vielen Seiten erblickt. Einmal schleppt sie den Kadaver eines weißen Pferdes herbei, dann verändert sich die Bühne (Jessica Rockstroh), ohne dass je ein realer Schauplatz daraus würde.
Elisabeth tritt in einem schwarzen Kleid mit so viel Stoff und Schleppen auf (Kostüme: Leonie Falke), dass sie sich erst wütend aus der Stoffmenge herausschälen muss – der erste Jubel des Publikums, als sei sie ein Popstar. Im Lauf der Handlung entledigt sie sich der Kleidung, und am Ende steht sie dann im schwarzen Mini und ihren echten, weggesteckten Haaren auf der Bühne, nachdem sie die Elisabet’sche Langhaar-Perücke schon gegen eine kürzere (angeblich hat sie sich die Haare geschnitten – nein, das bestimmt nicht!) eingetauscht hat. Die Reinsperger segelt mit allen möglichen Nuancen durch den Text, fällt aber – quasi kommentierend – auch immer wieder in den Tonfall eines ordinären Wiener Mädels.
Auf einen Nenner lässt sich das Gebotene nicht bringen, was dem Publikum allerdings ziemlich egal war. Es feierte (trotz eines ganz schwachen Schlusses des Abends) die Hauptdarstellerin (und dann alle, die mir ihr erschienen) mit Standing Ovations.
Und Elisabeth? Die war wieder nur einmal ein Vorwand, um die üblichen entrüsteten Feminismus-Floskeln abzuladen.
Renate Wagner