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WIEN / Burgtheater: EIN SOMMERNACHTSTRAUM

03.09.2023 | KRITIKEN, Theater

ein sommernachtstraum c matthias horn 1808 titania~1
Fotos: Burgtheater /Matthias Horn

WIEN / Burgtheater:
EIN SOMMERNACHTSTRAUM von William Shakespeare
Koproduktion mit der Ruhrtriennale
Premiere in Wien: 3. September 2023  

Das Erfolgsrezept von William Shakespeares „Sommernachtstraum“ ist seit Jahrhunderten bekannt. Drei Ebenen – ein magischer Wald mit Feen, Elfen und Kobolden, eine Menschenwelt, wo zwei junge Paare einander die Liebes-Hölle heiß machen, und die Dodelpartie der Handwerker, die unbedingt Theater spielen wollen. Dies zu vernetzen und den „Zauber“ des Stücks zu entfalten, wie ihn einst Max Reinhardt beschworen hat, galt als Markenzeichen des Werks.

Das interessiert nun die Theatermacher unserer Zeit wirklich nicht mehr. Barbara Frey, die nach ihrem nunmehrigen Abgang als Leiterin der Ruhrtriennale (wo sie diese Produktion letztmals mit dem Burgtheater zusammen gestaltete) sich wohl gerne als Direktorin des Burgtheaters gesehen hätte, hat das Publikum des Hauses mit ihren letzten Produktionen ja nun nicht eben glücklich gemacht. So ließ sie die Darsteller marionettengleich albern durch Edgar Allan Poe trippeln und trieb mit schwarzen Zombies Arthur Schnitzlers „Das weite Land“ jegliches Leben aus.

Ähnliches ist ihr diesmal wieder geglückt. In unserer floskelreichen Zeit, wo man nur das „Richtige“, sprich: weltanschaulich Akzeptierte sagen soll (darf), reicht es offenbar, die Begriffe „Klimakatastrophen“,  „patriarchale Herrschaftssysteme“ und „genderfluide Identitäten“ hinzuwerfen, und schon „passt“ alles, was einem dazu einfällt.

Der „Wald“ der Barbara Frey besteht folglich (Bühne:  Martin Zehetgruber) aus vier Autowracks, die halb in der Erde versunken sind, und vier mickrigen Bäumen. Dazu kommt eine Scheune, die – nach Drehung – für die Schauplätze in Athen gilt. So viel zur Klimakatastrophe.

Ohne weitere Einführung bringt das radikal gekürzte Stück (zweieinviertel Stunde ohne Pause) die väterliche Todesdrohung, falls die Tochter nicht den erwünschen Mann heiratet (allerdings ist man bei Shakespeare in Athen, nicht in der heutigen Türkei). So viel zu den patriarchalischen Gewaltsystemen. Ja, und Oberon und Titania sind Sylvie Rohrer und Markus Scheumann, in dieser Reihenfolge, sie als Mann verkleidet, er als Frau (mit einem so hohen Kopfschmuck, als hätte man sich an den Perücken der Marie Antoinette orientiert). Das sind dann die genderfluiden Identitäten, ohne dass klar würde, was es für das Stück bringt. Aber man macht ja alles zeitgeistig und korrekt „richtig“.

Die Katastrophe des Abends ist aber – auch das als Vorgabe für die Inszenierung vom Burgtheatertext ausgegeben – bei den „nächtlichen Seelenzuständen“ (weshalb es auf der Bühne meist düster ist) das „Ringen um ihre Sprache“. Das bedeutet, dass im verrotteten Autofriedhof (bestes Element der Inszenierung: die Beleuchtung von Rainer Küng, die Szenen sinnvoll trennt) nicht „gesprochen“ wird, wie es am Theater nun einmal üblich (und für die Leute, die unten sitzen und bezahlt haben, auch nötig) ist. Vielmehr wird in Flüster-Parlando, bestenfalls in Mezzavoce über den Text gehuscht, so dass man das meiste davon ohnedies nicht versteht. Diese Affektation, die sich zweifellos als „Stil“ ausgeben will, bringt das Stück und auch die Schauspieler so ziemlich um.

Unverständlich dabei, was sich ein Publikum heutzutage bieten lässt. Sind die Leute einfach zu gut erzogen oder zu verschreckt oder einfach zu feig, dass sich nicht eine Stimme hob, die „Sprecht ordentlich!“ in Richtung Bühne gedonnert hätte? Dass sich ohne Sprache weder Charaktere noch Handlungen entwickeln lassen, ist klar. Die Verluste sind enorm.

Man könnte nun das Gebotene zu „interpretieren“ suchen, aber mit den angebotenen Schlagworten ist ohnedies alles gesagt. Nun hätte man im Burgtheater früher erwarten können, dass die Schauspieler ohnedies „alles“ retten, aber die Zeiten sind vorbei. Entweder sie dürfen es nicht oder können es auch gar nicht.

Wie schade um das Quartett der jungen Liebenden. Keiner spielt sich in die Herzen (oder auch nur ins Interesse) der Zuschauer – nicht die ausgestopfte Meike Droste als Hermia und die gar nicht interessante Lili Winderlich als Helena, nicht Marie-Luise Stockinger (genderfluid!) als Lysander, und der aus Berlin gastierende Langston Uibel ist als Demetrius so gut wie nicht vorhanden. Dieses Quartett versickert irgendwo im Geschehen.

ein sommernachtstraum c matthias horn 1310 oberon und puck

Da ist – mit jedem Satz, den er spricht, egal in welcher Rolle: unverständlich – Markus Scheumann am Ende (in Straßenkleidung) kein sehr fürstlicher Theseus, als Titania davor zwar unübersehbar, aber in keiner Sekunde überzeugend (die Szene mit dem Esel geht ganz verloren, ist fast unverständlich). Ähnlich daneben, weil profillos,  ist  Sylvie Rohrer, mal Mann (Oberon,) mal Frau (Hippolyta). Als Herrscherpaar des einstigen Zauberwaldes (von Zauber keine Spur) haben sie in Puck einen Diener, der zu einer der berühmtesten Figuren des Shakespeare’schen Kosmos (vielleicht sogar der Weltliteratur) geworden ist. Dorothee Hartinger steht mit eingezogenen Schultern meist wie ein gescholtenes Kind herum und macht nicht eine Sekunde klar, wer dieser Kobold ist. (Die Darstellerin, die die Rolle in dieser Inszenierung zurück gelegt hat, hat unfehlbaren Instinkt erwiesen.) Sabine Haupt und Gunther Eckes dürfen als Elfen in Faltenröckchen allerlei Slapstick-Unsinn machen, der weniger humorvoll als verhöhnend wirkt.

Ja, und da sind dann noch die Handwerker. Eine solche Ansammlung trüber Tassen, von denen (mit einer Ausnahme) nicht ein einziger Profil entwickelt, hat man noch nie erlebt. Was „kann“ diese Schar, wenn man sie hochkarätig besetzt und komödiantisch führt, für das Theater leisten! Hier sind sie so langweilig, dass man bei ihrem finalen „Stück“ aus Protest am liebsten einschliefe.

Aber halt, da ist ja noch die Ausnahme. Da ist der eine Schauspieler des Abends, der es nicht nur schafft, trotz des verordneten Piano-Genuschels verständlich zu sein. Oliver Nägele als Zettel vermittelt einige wenige Zaubermomente, wenn er von „Zettels Traum“ erzählt – ja, so gehört es, so müsste es sein. Was Barbara Frey bietet, ist ein artifizielles Surrogat anderer Angebote, die nichts mit dem Stück zu tun haben.

Der Beifall klang dennoch recht brav. Es ist schon so weit, dass es das Publikum nicht besser weiß. Was nicht bedeutet, dass es nichts Besseres verdiente.

Renate Wagner

 

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