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WIEN / Burgtheater: DIE AFFÄRE RUE DE LOURCINE

18.04.2015 | KRITIKEN, Theater

Labiche Szene
Alle Fotos: Barbara Zeininger

WIEN / Burgtheater:
DIE AFFÄRE RUE DE LOURCINE von Eugène Labiche
Premiere: 18. April 2015

„Die Affäre Rue de Lourcine“ von Eugene Labiche ist ein Einakter, Lachtheater über die Bürger seiner Epoche (1857), aber aus unserer Sicht gewiß kein harmloses Stück. Denn die Herren, die nach einer durchzechten Nacht mit einem Blackout par excellence aufwachen, sind durchaus imstande, sich selbst und dem anderen einen Mord zuzutrauen, von dem sie in der Zeitung lesen… Sie waren es natürlich nicht, unternehmen nur ein paar alberne Versuche, das vermeintliche Verbrechen zu vertuschen.

Hintergründig, ja, aber komisch gemeint. Und eine im Grunde durch und durch dürftige Sache, die so schnell gespielt, wie sie gemeint ist, keine Stunde dauern dürfte. Das Volkstheater hat den Einakter zuletzt (2011) mit einem anderen von Feydeau zusammen gespannt. Im Burgtheater hingegen wird das Mini-Stück in einer „erweiterten Neufassung von Elfriede Jelinek“ zu eineinhalb mehr oder minder abendfüllenden Stunden (mehr gibt’s nicht, basta) aufgebläht. Und lustig soll es nur bedingt sein. Im Grunde erinnert das, was Barbara Frey inszeniert, irgendwie an Beckett. Absurd, hintergründig, böse. Das wäre ja okey. Nebenbei ist es aber noch langweilig, und das ist auf dem Theater nie gut…

Karin Bergmann hat wohl, ohne es zuzugeben, ein Stück Spartheater auf die Bühne des Burgtheaters gestellt: Das Bühnenbild von Bettina Meyer, ein stilisiertes Wohnzimmer bei Monsieur Lenglumé hinstellend, ist so schmal, dass man damit nur die Vorderbühne des Hauses bespielt. Keine Verwandlungen, fünf Darsteller, ein Musiker (der so überflüssig ist wie ein Loch im Knie, wenn dies und das – wohl nur zur Streckung des Ganzen – sinnloserweise gesungen wird), eineinhalb Stunden.

Minimaler Aufwand mit, wie man wohl hoffen wird, maximalem Effekt an der Kasse, denn im Gegensatz zu den vielen „modernen“ Stücken, die von Nebenrollendarstellern abgefeiert werden, die niemand sehen will, hat man hier „große“ Namen des Hauses hineingebuttert: Nicholas Ofczarek, Michael Maertens und Maria Happel, dazu (auch nicht schlecht) noch Peter Matić und Markus Meyer, die sich in ihren unergiebigen Rollen allerdings als wahre brave „Ensemblehunde“ verheizen lassen… (Alle übrigens mit Mikrophonen an die Wangen geklebt – kann heute niemand mehr ausreichend sprechen, das Burgtheater zu „erfüllen“?)

Labiche NicholasOfczarek_MichaelMaertens Fesche Burschen, gelt
Fesche Burschen, gelt? Nicholas Ofczarek & Michael Maertens

Der Abend setzt auf Stil, Stil, Stil, sprich: totale Künstlichkeit in Sprache, Körpersprache, Logistik. Nicholas Ofczarek als Lenglumé im totalen Kater schlurft herein und murmelt langsam und undeutlich vor sich hin. Er wird es den ganzen Abend lang fast unverändert tun, schlurfen und lallen, und das Publikum damit in einen Zustand nicht zu bekämpfender Schläfrigkeit versetzen. Im Grunde tut Michael Maertens als der Schulfreund, mit dem er gezecht hat und der auch nichts mehr weiß (nur, dass er bei Lenglumé gelandet ist), nichts anderes. Das ist nicht Schauspielkunst, das ist Manier, die nichts bringt. Hässliche Zeitgenossen, teils im Ruderleiberl, man meint, den abgestandenen Alkoholmief zu riechen. Haben wir hier die Aussage des Abends?

Tatsächlich hat nur Maertens-Gattin Mavie Hörbiger den Zuschauerraum andauernd mit herausforderndem Lachen erfüllt, ohne allerdings das Publikum mißreißen zu können, das Gebotene so lustig zu finden wie sie…

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Peter Matić & Maria Happel / Markus Meyer

Dazu wackelt Maria Happel in dramatischem Schwarz (Kostüme: Esther Geremusmit) mit den Hüften (es sind ja keine wirklichen Rollen, sondern Schablonen, die man mit Vitalität erfüllen müsste, statt sie über die Bühne zu schleifen). An Markus Meyer als Bedienstetem stellt man nichts fest als eine hoch in die Lüfte strebende Frisur, und ein so großer Schauspieler wie Peter Matić muss auftreten und abtreten, und mehr wird ihm nicht abgefordert. Weder die Jelinek-Bearbeitung noch der Beckett-Stil der Regie hat diese durchaus abgründige kleine Geschichte rund und am Ende gar komisch gemacht. Fazit: Unterhaltungswert null, Einsichten nicht erkennbar. Wozu also das Ganze?

Geklatscht wurde natürlich heftig, es waren sicher noch andere Verwandte und sonstige Freunde im Zuschauerraum. Als Normalbesucher tat man sich angesichts von so viel Sinnlosigkeit schwer, sich nach eineinhalb Stunden aus dem Theatersessel zu heben. So mühselig ist der angeblich heitere französische Einakter an diesem Abend geworden…

Renate Wagner

 

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