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WIEN / Burgtheater: DER FALL MCNEAL

Ein blasser Schurke

01.03.2025 | KRITIKEN, Theater

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Fotos: (c)Tommy Hetzel

WIEN / Burgtheater: 
DER FALL MCNEAL von Ayad Akhtar
Deutschsprachige Erstaufführung
Premiere: 1. März 2025

Ein blasser Schurke

Ein literarischer Held müsse nicht sympathisch sein, sagt Jacob McNeal, (fiktiver) Schriftsteller, Literatur-Nobelpreis-Träger und Held von „Der Fall McNeal“ des Autors Ayad Akhtar. Hauptsache, er ist interessant. Aber ist er das?

Eigentlich nicht. Die Enttäuschung ist besonders groß, weil man von Ayad Akhtar, dem amerikanischen Erfolgsautor mit pakistanischen Wurzeln, im Burgtheater schon zwei exzellente Stücke gesehen hat, nämlich 2016 „Geächtet“  und 2018 „The Who and the What“, beide Male starke Themen in gut gemachten Stücken auf den Punkt gebracht.

Diesmal allerdings ist fast alles schief gelaufen. An Jacob McNeal soll der „alte weiße Mann“ demontiert werden, zudem der Schriftsteller, der seine Existenz auf Täuschung aufbaut, und KI spielt als wichtiges aktuelles Thema hinein.  Doch man begegnet nur einem extrem blassen Schurken, der in einigen aufgefädelten Dialog-Szenen gewissermaßen von allen Seiten beleuchtet werden soll, aber eigentlich (obwohl der Abend nur etwas mehr als zwei pausenlose Stunden lang ist) die meiste Zeit langweilt.

Da ist McNeal mit seiner Ärztin (Zeynep Buyraç), wobei man erfährt, dass seine Leber den exzessiven Alkoholkonsum nicht mehr lange mitmachen wird. McNeal mit seiner Agentin (Dorothee Hartinger), wo er sich launisch, mieselsüchtig und unkooperativ zeigt. Mit seinem Sohn (Felix Kammerer), der Papa ins Gesicht sagt, dass dieser  sein letztes Buch der verstorbenen (selbst-gemordeten) Gattin gestohlen hat. Und schließlich die afroamerikanische Reporterin der „New York Times“ (Safira Robens), bei der McNeal sich – in Offenheitsexzesse hinein trinkend – als letztlich rassistisch, misogyn und als Mann vom Schlage eines Harvey Weinstein erweist. Und dann ist da noch das imaginäre, unendlich geschwurbelte Gespräch mit einer Ex-Geliebten (wieder , diesmal rein vom Video. Zeynep Buyraç), wo man sieht, wie schlecht er sich Frauen gegenüber benommen hat. Bringt er sich am Ende um? Keine Ahnung, KI schreibt ihm einen Abschiedsbrief, aber eigentlich ist einem dieser uninteressante Mann, dessen Bücher man nicht würde lesen wollen ziemlich egal.

Apropos KI – er hat ja nun tatsächlich den Nobelpreis erhalten und darf in einer Soloszene eine Rede halten, in der er sich heftig für die menschliche Kreativität und gegen die mehr und mehr alles beherrschende Künstliche Intelligenz  einsetzt. Natürlich stellt sich heraus, dass er nicht nur das Buch seiner Frau gestohlen, sondern sich auch noch heftig der Hilfe von KI bedient hat. Warum nicht, ist doch bequem, wenn einem selbst nicht genug einfällt?

Da liegt ein ganzes Bündel von Problemen auf der Bühne und wird nicht wirklich aufgehoben. Hat Ayad Akhtar selbst KI benützt, weil sein Stück so schematisch und leblos ausgefallen ist? Regisseur Jan Bosse flüchtet auf der (für dieses Stück viel zu großen) Bühne des Burgtheaters in dauernd bewegte Video-Bilder, wie um die Dürfigkeit des Geschehens zu überdecken. Zu Beginn ist Stéphane Laimé der Bühnenbild-„Spaß“ eingefallen, das Publikum des Hauses voll auf der Rückwand zu spiegeln. Da kann man dann Bekannte suchen…

Die darstellerischen Leistungen sind durchwegs schwach und wenig profiliert  – nur wenn Felix Kammerer durchaus genderfluid auch noch in die Rolle einer beflissenen Assistentin schlüpft, die unbedingt alles richtig machen will, bekommt man kurzfristig die lustigste und lebendigste Szene des Abends.

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Und Joachim Meyerhoff, auf dessen Rückkehr das Wiener Publikum (das ja doch am liebsten große Schauspieler sieht) so gewartet hat, dass es dem Burgtheater schon a priori ausverkaufte Vorstellungen beschert? Er bleibt als Jacob McNeal so grau wie sein Anzug, man hat überhaupt nicht das Gefühl, dass er sich auf die Figur einlässt, vielmehr, dass er mit mäßigem Interesse neben ihr steht. Möglicherweise wäre mit etwas weniger Video-Schnickschnack und mehr Arbeit mit den Schauspielern etwas (wenn auch nicht viel) mehr zu erzielen gewesen. Im Ganzen ist man nur einem blassen Schurken begegnet. Wahrscheinlich war KI schuld…

Renate Wagner

 

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