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WIEN / Burgtheater: DANTONS TOD

17.12.2023 | KRITIKEN, Theater

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Fotos: Burgtheater / Matthias Horn

WIEN / Burgtheater: 
DANTONS TOD von Georg Büchner (?)
Premiere: 16. Dezember 2023 

Wenn zu Beginn des Abends der CanCan aus „Orpheus in der Unterwelt“ erklingt, wähnt man sich im falschen Stück – und da ist man auch. Tatsächlich ist das, was das Burgtheater unter dem  Titel „Dantons Tod“ bietet, reinster Etikettenschwindel. Nun hat Regisseur Johan Simons etwa vor zwei Jahren bei Horvaths „Wiener Wald“ schon absolute Instinktlosigkeit gezeigt, aber es doch annähernd die Hndlulng erkennbar , während er sich bei Büchner so weit von der Vorlage entfernt, dass nichts mehr davon zu erkennen ist.

Warum soll man sich denn wirklich die Mühe machen, ein historisches Drama auf die  Bühne zu bringen, wie es von einem jungen Genie geschrieben wurde? (Kürzungen dürften sein, aber mit Gefühl!) Es ist ein Stück, in dem die Müdigkeit der Revolution nachgezeichnet, die dramatische Entwicklung der zentralen Figuren in einem letzten Blutrausch-Aufbäumen verfolgt wird, wo messerscharfe Dialoge politische Analysen liefern und eine dramatische Gerichtssaal-Szene großes Theater? Nicht doch, mit Büchner hat man nichts am Hut.

Johan Simons hat das große Personal des Stücks auf die wichtigsten Protagonisten zusammen geholzt  (Thomas Payne fand allerdings keine Gnade vor seinen Augen) und sich brockenweise aus dem Text bedient. Außerdem versetzt er das Geschehen in eine Zirkusarena, und da tummeln sich die Clowns – als ob es lustig wäre, was da geschieht.

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Aber halt, es geschieht ja eigentlich nichts. Wenn man den Ofczarek und den Maertens nicht unter ihren törichten Schminkmasken erkennen würde, man wüsste gar nicht, wer sie sind, von den anderen ganz zu schweigen. Es gibt hier keine Handlung und keine Figuren, die Sinn machen, es gibt den einen oder anderen, aus dem Zusammenhang gerissenen Büchner-Text. Der dann aber auch nicht to the point gebracht, sondern irgendwie abgeliefert wird. „Dantons Tod“? Nebbich.

Johan Simons sei „ein Meister“, hatte Nicholas Ofczarek on einem Interview verkündet. Glaubt er wirklich und ehrlich, er habe in dieser Mischung aus Sträfling und Beckett-Clown, als der er auf der Bühne steht, den Danton gespielt?

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Und Michael Maertens, mit schrägen Augenbrauen auf trauriger Clown geschminkt? Diese armselige, unsichere Erscheinung soll Robespierre sein, der Mann, der Tausende und Abertausende aufs Blutgerüst geschickt hat? Und Jan Bülow, der das Wenige, das man ihm von dem geifernden Bluthund St. Just gelassen hat, uninteressiert wie nebenbei abliefert?

Mit Ausnahme von Ole Lagerpusch, der zwar überhaupt nicht der Souffleur ist, den Büchner geschaffen hat, aber wenigstens die Texte anderer zu reden bekam (etwa von Camille im Originalstück) und immer wieder so etwas wie ein Kommentator wird, kommt niemand zur Geltung. Es sind ja wenige genug, die als Staffage übrig blieben – Felix Rech, der so wenig von Camille Desmoulins spielen darf, Johannes Zirner und Maximilian Pulst, zappelnde, trippelnde Zirkusfiguren. Die drei Damen (Annamária Láng, Marie-Luise Stockinger, Andrea Wenzl), funktionslos, wie sie hier sind, könnten ohnedies einpacken, die spielen nicht mit.  Sie sind Opfer einer Regie, die nicht vermitteln konnte, was sie wollte – und für das Publikum die Frage offen lässt, was einem an dieser „Interpretation“ interessieren sollte…

Für den Schlußapplaus ist im Burgtheater immer gesorgt, und niemand setzte dem Regisseur den geringsten Widerstand entgegen. Was nur bedeutet, dass Schauspieler und Publikum bekommen, was sie verdienen.

Renate Wagner

 

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