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WIEN/ Borromäussaal: ARIEN- UND LIEDERABEND THOMAS WEINHAPPEL

Vom „Hamlet“ bis Schubert, überall „zu Hause“


Volker Nemmer, Thomas Weinhappel. Copyright: Andrea Masek

WIEN / Borromäussaal: Arien- und Liederabend Thomas Weinhappel – Vom „Hamlet“ bis Schubert, überall „zu Hause“

14.4. 2018 – Karl Masek

Für die Aufnahmsprüfung bei den Wiener Sängerknaben lernte Thomas mit dem Vater drei Schubert-Lieder ein: „Forelle“, „Musensohn“ und „Ständchen“. Er wurde aufgenommen. Und die Musik ließ ihn nie mehr los. Altist im Knabenchor, Ausbildung im Musikgymnasium Wien, Studium an der Musik und Kunst Privatuniversität und an der Universität für Musik und darstellende Kunst, Wien.

In sehr jungen Jahren engagiert ihn Michael Haneke für seinen preisgekrönten Film „Die Klavierspielerin“ nach Elfriede Jelineks gleichnamigem  Roman. Hier singt der gerademal 20-Jährige – mit bemerkenswerter Reife, wie in youtube überprüfbar ist – zwei Lieder aus Schuberts „Winterreise“. „Er macht aus Rollen Menschen“, lautete damals ein treffsicheres Haneke-Zitat.

Thomas Weinhappel erweist sich sehr bald als vielseitiger Sänger mit großer Bühnenpräsenz, Stimmlage Bariton. „Papageno“ in St. Margarethen, „Koloman Wallisch“ in Otto M. Zykans „Staatsoperette“ in der Neuen Oper Wien und bei den Bregenzer Festspielen, von den einschlägigen Mozartrollen („Graf Almaviva“. „Don Giovanni“) über Ambroise Thomas‘ „Hamlet“ bis zum „Danilo“ reicht die künstlerische Bandbreite.

Auszeichnungen und Preise bleiben nicht aus. Er war beispielsweise 2017 der erste Österreicher, der in Tschechien den begehrten Thalia-Preis mit dem Titel „Bester Opernsänger des Jahres“ erhielt. Und Thomas‘ „Hamlet“ ist inzwischen eine besondere Lieblingsrolle.

Mit einem „Musikalischen Portrait“ stellt sich Weinhappel im wunderschönen und  repräsentativen Borromäussaal im 3. Wiener Bezirk nicht nur dem Wiener Publikum vor, sondern er stattet auch Dank ab. An seinen frühverstorbenen Vater, der ihn – aus einfachen Verhältnissen kommend – unterstützt und gefördert hat. An Haneke, an den Bühnenbildner Manfred Waba, in dessen Bühnenbildern er seinen „Papageno“ vorstellte – und an Volker Nemmer, den er während des Studiums als besonders einfühlsamen musikalischen Begleiter kennengelernt und der ihm viele musikalische Zugänge eröffnet hat.

Mit einer musikalischen Reise quer durch die „Opernfächer“, sozusagen eine Hitparade von Mozart über Korngold und Ambroise Thomas, mündend bei Wagner und Verdi, beweist eindrucksvoll: Da ist einer in allen Stilrichtungen „zu Hause“.

Mit „Non piu andrai“ startet Weinhappel und imaginiert von der ersten Sekunde an die Figur des Mozart’schen „Figaro“, singt mit nachdrücklicher Eleganz, sinnfälligem Ausdruck, reichert seinen Vortrag mit treffsicherer Mimik und Körpersprache an und man vermeint fast: Da steht auch der Cherubino dabei, dem Figaro mit Süffisanz das zukünftige Militärleben ausmalt. Das Podium wird zur Bühne …

Mit „Deh vieni alla finestra“ und „“Fin ch’han dal vino“ beglaubigt Weinhappel: Der genuss-süchtige Frauenheld und Anarchist „Don Giovanni“ ist ein Edelmann, eben ein „Don“, der virtuos auf der Klaviatur der Emotionen spielt. Zärtliches Mezzavoce (ohne Säuseln!), markantes Auftrumpfen bei der Aufforderung: „Tanzen lasst sie alle wild durcheinander“, souverän die Effekte setzend, ohne Tempobolzerei und Kurzatmigkeit.

Auch der Korngold-Ohrwurm aus der „Toten Stadt“, „Mein Sehnen, mein Wähnen, es träumt sich zurück“, wird mit obertonreichem, fein schattiertem Bariton serviert. Marcel Prawy auf Wolke sieben wird beifällig genickt haben.

Geradezu perfekt die Registermischungen mit technisch souverän eingesetzter „Voix mixte“, die kraftvollen Steigerungen, aber auch bewusst fahle Tongebung in den „Hamlet“- Monologen.

Ein deutliches sängerisches Ausrufezeichen auch nach der Pause mit „Wolfram“ und „Posa“. Der Abendstern funkelt betörend, der edle Ernst bei „Blick‘  ich umher in diesem edlen Kreise“ (keine Larmoyanz, kein falsches Pathos!) beeindruckt. Und bei „Posas Tod“ geht der 37-Jährige mental und ausdrucksmäßig, mit langem Atem, aufs Ganze.

Und dann natürlich Schubert: Die o.g. 3 Aufnahmsprüfungs-Lieder werden wieder hervorgeholt. Große innere Beteiligung, feine Textbehandlung, differenzierter Ausdruck: Scheinbar „zu Tode“ gesungene Wunschkonzertstücke klingen in Weinhappels Vortrag wie neu. Tief empfunden das Abschlusslied „An die Musik“, charmant die Zugabe mit Aufforderungscharakter: Brahms‘ „Guten Abend, gut‘ Nacht“.

Volker Nemmer erweist sich auch an diesem Abend als feinfühliger, nuancen- und kenntnisreicher Begleiter am Klavier, geradezu symbiotisch mit dem Sänger verbunden. Dass der Meister-Korrepetitor sich auch auf Solistisches versteht, zeigt er eindrucksvoll mit Liszt („Waldesrauschen“) und sehr musikantisch mit Schuberts Valses Nobles“ D 969.

Thomas Weinhappel hat in eineinhalb Jahrzehnten mehrheitlich im Ausland reüssiert, in Österreich haben die großen Opernhäuser den virilen, markanten Bariton mit der großen Bühnenpräsenz anscheinend nicht (wieder)entdeckt. Was nicht ist, kann natürlich noch werden. Auch etwa Georg Nigl (der Wiener, ebenfalls mit Sängerknabenvergangenheit) musste bis 43 warten, bis er an der Wiener Staatsoper (als „Papageno“) debütieren durfte.

Starker Applaus, Bravorufe im sehr gut besuchten Borromäussaal. Ein nächster Abend (mit Operetten und Musicals) für 21.9. 2018 ist übrigens schon in Planung.

Karl Masek

 

 

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