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WIEN / Belvedere: VIVA VENEZIA!

16.02.2022 | Ausstellungen, KRITIKEN

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WIEN / Unteres Belvedere: 
VIVA VENEZIA!
DIE ERFINDUNG VENEDIGS IM 19, JAHRHUNDERT
Vom 17. Februar 2022 bis zum 4. September 2022 

Als Venedig noch bei Österreich war…

Der „Zauber“ von Venedig kommt heute aus den Tourismus-Prospekten. Und mehr als „Gondeln am Canal Grande und Tauben am Markusplatz“ ist da nicht zu finden. Die „Serenissima“ in ihrer damals auch schon schwindenden  Pracht ist 1797 untergegangen, als Napoleon die Republik Venedig okkupierte, ihrer Souveränität beraubte und gnadenlos plünderte. Als Venedig nach dem Wiener Kongress für ein halbes Jahrhundert zu Österreich kam, musste man den Mythos der Stadt quasi neu erfinden. Damit beschäftigt sich die Ausstellung „Viva Venezia!“ im Unteren Belvedere.

Von Renate Wagner

Die Österreicher in Venedig    Das Napoleonische Zeitalter veränderte Europa gewissermaßen im Jahrestakt. 1797 war er in Venedig eingefallen und hatte eine viele Jahrhunderte alte Geschichte zerstört, kurz darauf kam Venedig bei dem Frieden von Campoformido erstmals zu Österreich, ging im nächsten Frieden (Pressburg, 1805) verloren, kam 1815 nach dem Wiener Kongress wieder an die Monarchie zurück. Diese wurde damit Besatzungsmacht im so genannten „Lombardo-Venezianischen Königreich“, das stückweise (1859 und 1866 nach verlorenen österreichischen Kriegen) dann an das neue Königreich Italien fiel. Dennoch hatten die Österreicher ein gutes halbes Jahrhundert, um Venedig als ihr „Eigentum“ zu betrachten. Wie ungeliebt sie waren, ist Geschichte. Kürzlich erst hat man in der Albertina eine Paul-Flora-Ausstellung gesehen. Da zeichnete der ausgewiesene Venedig-Kenner eine skurrile Szene, in der ein österreichischer Spitzel hinter einem Eck hervorlugt und eine Reihe maskierter Venezianer belauscht, die sich zweifellos gerade gegen die Österreicher verschwören…

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Der vergangene Glanz der Serenissima    Die Belvedere-Ausstellung hebt mit Repräsentationsgemälden aus der venezianischen Geschichte an. Manche historische Details („I due Foscari“) kennt man auch aus Literatur und Oper. Zwar war Venedig eine Adelsrepublik, aber der Rang der Dogen stand außer Zweifel. Als Handels- und Kriegsmacht beherrschte Venedig zumindest das östliche Mittelmeer, im Kampf mit Byzanz, dann mit den Osmanen, stets mit der großen Seemacht-Rivalin Genua. Wie viele Inseln Venedig beherrschte, weiß man nicht nur aus „Othello“, sondern auch aus den venezianischen Festungen, die dort heute noch wachsam an den Küsten liegen.

Die Künstler kommen    Das längst nicht mehr so prachtvolle, sondern eher herunter gekommene Venedig, das die Österreicher vorfanden, hinderte viele Maler nicht, sich dorthin auf zu machen und ihre teils „glanzvollen“ Bilder zu malen. Es sind immer wieder die klassischen Ansichten des Canal Grande, der Palazzi, Markusplatz mit Basilika, Seufzerbrücke, und immer ist es das schillernde Wasser, das Besonderes zur Stimmung beiträgt. Aber man wendet sich als Ausstellungsbesucher auch mit besonderem Interesse den kleinen Veduten zu, wo die Österreicher ihren Blick für den Alltag unter Beweis stellten.

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Für August von Pettenkofen war es kein zu geringes Motiv, eine alte Frau zu zeigen, die sich gerade schnäuzt. Eugen von Blaas (Sohn des berühmten Historienmalers Karl von Blaas) verewigte mit einem kleinen Mädchen, das Fische trägt, zweifellos einen in Venedig alltäglichen Anblick.  Der sogenannte „Orient-Müller“ (Leopold Carl Müller) fand natürlich arabische Kaufleute in der Stadt (und selbstverständlich werden immer wieder Schiffe zum Motiv der Handelsmetropole). Natürlich durfte der Karneval, gemalt von Anton Romako, nicht fehlen. Carl Schuch, der sich eine zeitlang in Venedig niederließ, malte sein üppiges Atelier. Rudolf und Jakob von Alt fehlen ebenso wenig wie Friedrich von Amerling. Das Belvedere  hat die Ausstellung mit ihren rund 80 Gemälden zum großen Teil aus eigenen Beständen und jenen der kaiserlichen Sammlung, wie sie früher in der Stallburg lagerte, bestückt, aber es findet sich unter den Leihgaben auch ein herrlich „verschwommener“ Turner (aus Privatbesitz) im Angebot der Bilder.

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Makart und Catarina Cornaro      Höhepunkt eines Venedig-Kults im Historismus ist das Monumentalgemälde von Hans Makart, „Venedig huldigt Catarina Cornaro“, über zehn Meter breit und vier Meter hoch, gemalt schon jenseits jeglicher territorialer Besitzansprüche (1872/73). Aber das Bildnis um die (machtlose) letzte „Königin von Zypern“ (tatsächlich herrschte Venedig damals, Ende des 15. Jahrhunderts, mit fester Hand über die Insel) offenbart all den Prunk in Farbe und bewegter Form, an Pracht und Gepränge, die man mit dem Mythos Venedig verband. Da das Gemälde zu groß ist, um permanent ausgestellt zu werden, ergibt sich hier für einige Monate wieder die Möglichkeit, es „live“ zu betrachten.

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Künstler aller Arten – und das Kino    Nicht nur Richard Wagner starb in Venedig, auch Anselm Feuerbach. 1818 ließ sich Lord Byron in der armenischen Vorstadt Venedigs nieder. Venedig wirkte auf Musiker und Literaten genau so anziehend wie auf Maler. Die Ausstellung im Belvedere, die sich dem Thema „allumfassend“ widmet, hat auch keine Scheu, in einem Nebenraum das Bild der jungen Kaiserin Elisabeth von Franz Russ dem Jüngeren zu zeigen. Und daneben läuft der „Sissi“-Film, wo die unsäglich entzückende Romy Schneider mit ihrem Karlheinz Böhm durch den festlich geschmückten Kanal fährt… kaiserliche Prachtentfaltung für das Kino der fünfziger Jahre. Es gibt unbekanntes Kinomaterial aus ganz früher Zeit –  von 1896 eine einminütige Fahrt über den Canal Grande, oder  ein Ausschnitt aus dem Film „Eine venezianische Nacht“, den immerhin Max Reinhardt inszeniert hat. Aus diesem letzten Raum der Ausstellung ertönt, wenn man gerade rechtzeitig vorbei kommt, die Stretta des Manrico aus dem „Troubadour“. Es handelt sich dabei allerdings um eine  Szene aus dem Film „Senso“ von Luchino Visconti aus dem Jahr 1954. Die Handlung spielt 1866, Verdi war ein Symbol für das Risorgimento, und das Publikum randalierte im Teato la Fenice gegen die Österreicher, die in ihren Uniformen im Parkett saßen… Das Belvedere wird in einem eigenen Filmzyklus im Belvedere 21 auch Viscontis „Tod in Venedig“ zeigen, die Hommage nicht nur auf Thomas Mann, sondern auf die dekadent dahin sterbende Stadt.   

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Das untere Belvedere      Nach eineinhalbjährigen Restaurierungsarbeiten erweist sich das „Untere Belvedere!“ nun wieder als voll funktionsfähig (nur das neue Kaffeehaus wird noch eingerichtet). Vor kurzen wurde in der Orangerie die „Dali / Freud“-Ausstellung eröffnet, die sich an einem Wochentag vormittags als rappelvoll erweist. Mit „Venedig“ im großen unteren Haus hat man nun ein besonderes Zugpferd. Das Obere Belvedere braucht dieses nicht – es hat den „Kuss“, und das permanent. Das ganze Bild ist auch mehr als ein Schnipsel, den man digital erwerben kann. Da steht der digitale Zeitgeist gegen den (noch) analogen Menschen, der mit seinen zwei Augen auf das Original eines Kunstwerks blickt.

Unteres Belvedere
Viva Venezia!
Die Erfindung Venedigs im 19. Jahrhundert
Bis zum 4, September 2022,
täglich von 10 bis 18 Uhr

 

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