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WIEN / Belvedere: MARIA THERESIA UND DIE KUNST

29.06.2017 | Ausstellungen, KRITIKEN

MariaTh Kunst  Messerschmidt~1
(In der Ausstellung fotografiert)

WIEN / Unteres Belvedere:
MARIA THERESIA UND DIE KUNST
Vom 30. Juni 2017 bis zum 5. November 2017

Kunst aus Kalkül,

Kunst aus Neigung?

Viele neue Biographien zum 300. Geburtstag haben Maria Theresia längst nicht mehr als die warmherzige, den Künsten zuneigte Landes- und Familienmutter gezeichnet, sondern als Frau, die sich der Schwierigkeiten ihrer Rolle voll bewusst war und ihr eigenes Image kalkulierend prägte. Zur fürstlichen Repräsentation zählte stets die Kunst – aber sie soll diese durchaus auch mit Neigung, nicht nur zur eigenen Macht- und Prachtentfaltung eingesetzt haben. Das zumindest will Kurator Georg Lechner mit der Ausstellung „Maria Theresia und die Kunst“ im Unteren Belvedere beweisen – und es ist ihm gelungen.

Von Renate Wagner

Die Habsburger – eine künstlerisch begabte Familie Eine Familie, die drei komponierende Kaiser aufwies und von musikalischen „Spectaceln“ nicht genug bekommen konnte, darf als künstlerisch geprägt betrachtet werden. Maria Theresia, die selbst Zeichenunterricht erhalten hatte und diesen auch ihren Kindern angedeihen ließ, die selbst auf der Bühne sang und spielte und tanzte und bei der Musikunterricht selbstverständlich verpflichtend war (ein Gemälde zeigt ihre Tochter Maria Antonia, später Frankreichs Königin Marie Antoinette, am Clavichord), war von Kunst umgeben. Auch von bildender Kunst. Erst in den Generationen nach ihr sind diese Talente (etwa in dem doch eher unmusischen Franz Joseph, der als Kind allerdings auch sehr gut zeichnete!) schwächer geworden. Die Frage stellt sich allerdings, welche Rolle speziell die bildende Kunst – Architektur, Plastik, Malerei – in der Welt Maria Theresias spielte.

MariaTh Kunst  er Kaiser als Römer~1 IMariaTh Kunst  Marie Antoinette~1

Gemälde zur Repräsentation Mitglieder der Kaiserfamilie wurden gemalt – die Ausstellung zeigt im ersten Raum, wo die kaiserlichen Ganzkörperdarstellungen und Porträts dominierend, wie überbordend wichtig dies war. Schon von der sechsjährigen Maria Theresia gab es ein entzückendes Kinderbild, und später, als ihre Söhne und Töchter über Europa verstreut waren und es ja noch nicht einmal Fotos (geschweige denn Skype und Selfies…) gab, schickte man Gemälde herum: Der kleine Franz, ihr erster Enkel (später Kaiser Franz II. / I.), kam als Kinderbildnis nach Wien zur Großmutter… Die offiziellen Repräsentationsgemälde zeigten oft das Kaiserpaar, allerdings ganz, ganz selten gemeinsam, meist in gleich großen, gleich gestalteten Bildnissen und Büsten. Man malte die Kinder, denn sie waren dynastischer Reichtum, sie waren „Heirats- und Bündnismaterial“, sie sollten vor allem der Welt zeigen, dass die Nachwuchsprobleme des Hauses Habsburg unter Maria Theresia gänzlich behoben waren: Schließlich überlebten 10 ihrer 16 Nachkommen das Kleinkind- und Kindesalter, sie konnte drei Söhne und vier Töchter verheiraten, nur zwei Töchter und ein Sohn, dem man den geistlichen Stand zuteilte, blieben „übrig“…

Von steif bis locker Maria Theresia, die immer kostbar gekleidet auf ihren Gemälden zu sehen ist, aber nie „Mode“ machte (wie später Marie Antoinette in Paris), erscheint auf den Gemälden von Martin van Meytens d.J. und Jean-Étienne Liotard, den geschätztesten Porträtkünstlern ihrer Zeit, ernst und würdig bis zur Steifheit. Interessant als Kontrapunkt sind Gemälde des an sich weniger bekannten Franz Anton Palko, gleich alt mit der Kaiserin, aus Breslau stammend, erst für den ungarischen Adel, dann für den Wiener Hof tätig: Er hatte offenbar den Auftrag, eine posthume Habsburgische Familiengalerie zu erstellen, die Ausstellung zeigt Gemälde von Kaiser Ferdinand I. und Kaiser Matthias, geht also um Jahrhunderte zurück (das Projekt wurde aber offenbar nicht fortgesetzt). Sowohl diese Bilder wie Ganzkörperbildnisse des Kaiserpaares zeigen, um wie viel „lockerer“, fast schon rokokoartig man damals auch schon malen konnte… Denn Maria Theresia im ungarischen Krönungsgewand von Daniel Schmidely (aus Bratislava geliehen) offenbart vergleichsweise wieder die ganze repräsentative Steifheit der Epoche.

MariaTh Kunst Saal mit Gobelin~1

Die Pracht der Schlösser Es gab zur Zeit Maria Theresias zahlreiche Schlösser auszugestalten, Schönbrunn ebenso wie Laxenburg und jenes Belvedere, in dem nun die Ausstellung stattfindet. Die Kaiserin hatte es bekanntlich aus dem Nachlaß von Prinz Eugen erworben, und später haben sie und ihr Sohn Joseph II. die Kunstsammlung der Familie hier für die Bevölkerung öffentlich gemacht – im 18. Jahrhundert war solch demokratisches Verhalten noch keine Selbstverständlichkeit. Diese Schlösser brauchten prachtvolle Deckengemälde (hier wirkten Franz Anton Maulbertsch, Gregorio Guglielmi, Daniel Gran, von deren Werken man großartige Ölskizzen sieht – die Decken selbst sind dann per Videos zu besichtigen). Die Kaiserin liebte in ihren Schlössern Landschaftsveduten, deren Meister damals Johann Christian Brand war. Viele Akten über Aufträge an Künstler zeigen Bemerkungen und Unterschrift Maria Theresias – sie hat sich wahrlich darum gekümmert. Brand hat sie etwa ebenso mit einem „Naturbild“, eine Reiherbeize in Laxenburg, wie mit einem Schlachtengemälde beauftragt (die Schlacht bei Hochkirch 1758 im Siebenjährigen Krieg war schließlich einer der wenigen österreichischen Erfolge, als Feldmarschall Graf Daun das von Friedrich II. persönlich geführte preußische Heer besiegte…)

Der Donner-Brunnen Die Originalfiguren des berühmten Brunnens von Georg Raphael Donner zieren heute in ihrer ganzen Pracht und Schönheit den zentralen Saal des Unteren Belvederes – noch nie haben sie so unmittelbar zu einer Ausstellung gepasst. Wobei Kurator Georg Lechner eine berühmte Geschichte neu und nicht mehr zu Ungunsten der Kaiserin erzählen will. Sie habe die Figuren, die ihr zu „unsittlich“ erschienen, vom damaligen Mehlmarkt entfernen lassen, sie sollten sogar vernichtet werden (selbst Wikipedia erzählt es so). Tatsächlich hätte sie wohl nicht von 1739, als der Brunnen errichtet wurde, bis 1773 mit diesem Vernichtungswerk gewartet. Tatsache ist, dass die Blei-Zinn-Legierung der Figuren an Materialermüdung litt und man sie deshalb aus der „freien Luft“ entfernte. Warum es so lange dauerte, bis man die Bronzekopien am Neuen Markt aufstellte und die verräumten Originale im Belvedere einen Ehrenplatz fanden, das weiß man freilich nicht so genau – man findet ja doch nicht alles in den Akten. Selbst eine lebensgroße Marmorstatue, die Kaiser Franz Stephan als römischen Imperator zeigt, gibt Rätsel auf: Wer, wann, wie das Werk in Auftrag gab, weiß man nicht. Gezeigt wird es in der Ausstellung natürlich.

MariaTh Kunst  Kinder zeigen mTh Bilder~1

Nicht sammeln, beauftragen Tatsächlich erteilte Maria Theresia, die ja nicht selbst Kunst „sammelte“, viele Aufträge an Zeitgenossen. Sie hatte weder die Zeit noch das Geld, sich wie Prinz Eugen (der noch in den Nächten vor Schlachten Briefe an seine Agenten schrieb und den Kauf von Kunstwerken beauftrage) allseits über den Kunstmarkt zu informieren, was auch manche ihrer fürstlichen Kollegen taten. Ihr Schwiegersohn Albert von Sachsen-Teschen und ihre Tochter Marie Christine, beide extrem kunstsinnig, benützten ihren Aufenthalt als Statthalter der Österreichischen Niederlande, um die damals zeitgenössische, mehr aber noch die auch damals schon „alte“ Kunst zu erwerben, ihre Reisen glichen „Raubzügen“, von denen Österreich heute noch zehrt. Nicht von ungefähr zeigt ein Gemälde von Friedrich Heinrich Füger, „Kaiserin Maria Theresia im Kreise ihrer Kinder“, 1776, wie Albert und Marie Christine der verwitweten Kaiserin Bilder zeigen, die sie mitgebracht haben…

Themenfülle Die Ausstellung hat mit einer wahren Themenfülle zu kämpfen – zeigt man doch auch Porzellan (die Kaiserin wünschte Figuren als Schmuck auf der kaiserlichen Tafel), Gobelins (gekauft oder geschenkt erhalten), ist doch auch zu erwähnen, dass Canaletto (der Warschauer / Dresdener / Wiener Canaletto namens Bernardo Bellotto, Neffe des „Venedig-Canalettos“) beauftragt wurde, Schönbrunn, Schlosshof und Wiener Veduten zu malen, muss man doch erwähnen, dass Maria Theresia sich nicht nur Offiziere, sondern auch Künstler heranerziehen ließ, nicht zuletzt durch das von ihr ins Leben gerufene „Rom-Stipendium“ (Friedrich Heinrich Füger war einer der Nutznießer).

Denkmäler und der Doppelsarkophag Es ging Maria Theresia nicht nur um Repräsentations-Porträts und die Innenausstattung ihrer Schlösser, sie hat auch zahlreiche bildhauerische Aufträge erteilt. Sie selbst ist immer wieder als „Büste“ zu sehen (darunter von jenem Franz Xaver Messerschmidt, der hier auf die grandiosen Exzesse seiner berüchtigten Charakterköpfe verzichtete). Dass sie für den Schlosspark von Schönbrunn gleich 36 Statuen bestellte, hat den Bildhauer Wilhelm Beyer so überfordert, dass er 15 weitere Kollegen heranziehen musste… Eines ihrer wichtigsten Projekte war aber der Doppelsarkophag in der Kapuzinergruft, der sie und ihren Gatten aufnehmen sollte und der zu einem Meisterstück ihres bevorzugten Bildhauers Balthasar Ferdinand Moll wurde. Vier der Relief-Seitenplatten hat Moll offenbar für sich kopiert und behalten, sie kamen nach seinem Tod ins Belvedere und sind in der Ausstellung zu sehen – viel näher, als man sie in der Kapuzinergruft je betrachten kann…

Unteres Belvedere:
MARIA THERESIA UND DIE KUNST
Bis zum 5. November 2017,
täglich von 10 bis 18 Uhr, Freitag bis 21 Uhr

 

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