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WIEN / Belvedere: KLIMT UND DIE ANTIKE

23.06.2017 | Ausstellungen, KRITIKEN

KlimtAntike  Belvedere Fahnen~1 KlimtAntike Plakat~1

WIEN / Unteres Belvedere / Orangerie:
KLIMT UND DIE ANTIKE
EROTISCHE BEGEGNUNGEN
Vom 23. Juni 2017 bis zum 8. Oktober 2017

Und Pallas Athene wacht…

Klimt, Antike, Erotik – das sind Begriffe, die man durchaus schon in Zusammenhang gebracht hat. Und außerdem, wie Belvedere-Chefin Stella Rollig meinte, was gibt es über einen so ausrecherchierten Künstler wie Gustav Klimt noch Neues zu erzählen? Eine rhetorische Frage, denn „Klimt und die Antike“ wird unter dem Gesichtspunkt „Erotische Begegnungen“ von Tobias G. Natter ausführlicher, klarer, chronologischer und erkenntnisreicher aufbereitet als je. Wobei den Besucher in der Orangerie nicht nur Klimt-Werke, sondern auch – im kunsthistorisch / archäologischen Criss Cross – herrliche Stücke aus der Antike erwarten. Ein Bad in Ästhetik, intelligent hinterfragt.

Von Renate Wagner

Die Ringstraße und die Antike Immer schon spielte die Antike als künstlerisches Vorbild eine große Rolle im Unterricht an den Akademien, das ging auch dem jungen Gustav Klimt nicht anders. Dabei musste man gar nicht ins Ausland fahren, um die berühmten antiken Originale aufzusuchen – Klimt arbeitete nach Büchern und nach den Beständen, vielfach Gipsabgüsse, die später ins Kunsthistorische Museum gebracht wurden, sich damals (während dieses noch gebaut wurde – und Klimt Teile des Treppenhauses ausmalen durfte) im Unteren Belvedere befanden, gleich neben jener Orangerie, wo er heute mit dem „Antike“-Thema ausgestellt wird. Und wo man auch Gipskopien jener „Klassiker“ besichtigen kann, die Klimt selbst als Vorlage dienten.

Pallas Athene für die Secession Klimt, der aus der „konventionellen“ Ringstraßenwelt zum Vorreiter der „Secession“ und damit der Moderne wurde, hat Pallas Athene zur Bannerträgerin der neuen Kunst gemacht, erst als Wächterin der Kunst, später, wie sie empfunden wurde, als „Dämonin der Secession“. Ihren Signetcharakter würde man heute, meint Tobias G. Natter, als „Corporate Identity“ bezeichnen. Auch andere Elemente auf den frühen Plakaten sind – wie Gegenüberstellungen in der Ausstellung zeigen – genau nach antikem Vorbild auf Friesen oder Vasen gestaltet (etwa das Gorgonenanlitz auf dem Schild der Göttin). Klimt, der auch eine Vorliebe für das Alte Ägypten und den Alten Orient hatte, die von den damaligen Professoren geringer geschätzt wurden als das „Griechische“, paraphrasierte die Antike mit geradezu spürbarer Lust.

KlimtAntike Beethoven Fries~1

Der Beethovenfries Die Darstellung der „Poesie“ aus dem Beethoven-Fries – die goldene, Kithara spielende Dame – wurde zum Signet dieser Ausstellung auf Prospekt, Plakat und Katalog. Der 1901 / 02 für die Wiener Secession gestaltete Fries ist in zwei weiteren großformatigen Darstellungen zu sehen: Nicht aus der Secession abgenommen, sondern höchstwertige Kopien, die einst anlässlich der Restaurierung des Kunstwerks angefertigt wurden. Tatsächlich kann man hier zwecks Betrachtung an diese Werke weit näher herangehen als in der Secession selbst… und betrachten, wie hier Klimt die Antike bereits in seinem individuellen Stil „umschlungen“ hat.

Die Hetärengespräche Klimts Illustrationen zu den „Hetärengesprächen“ des Dichters Lukian, die 1907 in der Übersetzung von Franz Blei erschienen und nach Meinung von Tobias G. Natter „das schönste Buch des Wiener Jugendstils“ darstellen, bilden dann den Höhepunkt der Ausstellung. 15 Gespräche, in denen sich die – hoch gebildeten – Hetären über den Alltag ihres Geschäfts, die Erotik, unterhalten, hier nicht nur mit den Klimt-Zeichnungen (die keine Illustrationen im strengen Sinn sind, weil sie nicht auf die Handlung zugeschnitten sind), sondern auch mit alter attischer Kunst aus vorchristlicher Zeit bestückt: Die Münchner Antikensammlung hat sich etwa zum Thema Frauenliebe sogar von einem ihrer kostbarsten Gefäße, die Dichterin Sappho zeigend, getrennt. Die Betrachtung der Vasen im Konnex mit Klimts Werk sind ein Teil der ungewöhnlichen Rezeptionsleistung, die diese Ausstellung den Zuschauern abverlangt.

„Going Public“ als Erotiker Für Klimt waren diese „Hetärengespräche“ eine Art Befreiung, hin zur Selbstverständlichkeit der Nacktheit, der Darstellung erotischen Agierens. Es war sein „Going Public“ als „der Künstler als Erotiker“ … Prominente Erstbesitzer der „Hetärengespräche“, von Bahr (der ja auch die „Nuda Veritas“ besaß) bis zu Berta Zuckerkandl, legen im letzten Raum von der Schätzung und Anerkennung Klimts durch die wesentlichen Zeitgenossen Zeugnis ab.

„In memoriam“ Agnes Husslein Eine Ausstellung wie diese „macht“ man nicht in ein paar Monaten. Es ist Tobias G. Natter hoch anzurechnen, dass er nicht – wie alle anderen es tun!!! – die frühere Direktorin der „damnatio memoriae“ anheimfallen ließ. Vielmehr erwähnte er ausdrücklich, dass es Agnes Husslein war, die auf Anhieb von dem Projekt überzeugt war und es auf den Weg brachte. Nachfolgerin Stella Rollig hat dann die Zusammenarbeit mit dem Kunsthistorischen Museum zustande gebracht, das erkannte, dass man „seinen Klimt“, vom Publikum üblicherweise übersehen, wieder in den Mittelpunkt rücken kann – die Bilder, mit denen er als junger Mann das Stiegenhaus schmückte. Antikisierend, versteht sich. (Und die Kombikarte lässt vielleicht manchen Besucher die Gelegenheit ergreifen, sich im KHM ein bißchen umzusehen…) Übrigens: Der Katalog bietet auch die „Hetärengespräche“ des Lukian, die man nach dieser Ausstellung wohl lustvoll wieder liest…

Unteres Belvedere, Orangerie
Bis zum 8. Oktober 2017,
täglich 10 bis 18 Uhr, Freitag bis 21 Uhr

 

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