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WIEN / Belvedere: JOSEPH REBELL

15.06.2022 | Ausstellungen, KRITIKEN

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Alle Fotos: Belvedere / Stoll

Unteres Belvedere / Orangerie:
JOSEPH REBELL
IM LICHT DES SÜDENS
Vom 15. Juni 2022 bis zum 13. November 2022

Zwischen Napoleons Welt und den Habsburgern

In der Orangerie des Belvederes im unteren Teil der Anlage des Schlosse, wo bis vor kurzem Salvador Dalis skurril-düstere Seelenwindungen auf den Spuren von Sigmund Freud zu sehen waren, ist nun die blanke Schönheit eingezogen. Und das von einem Künstler, den man auch in seiner österreichischen Heimat weitestgehend vergessen hat: Joseph Rebell. Als Kuratorin Sabine Grabner in der Kunstwelt verkündete, dass das Belvedere eine Rebell-Ausstellung vorbereitete, gab es allerdings viel Zustimmung, ja Begeisterung. Denn Rebell hat viele Fans unter den Fachleuten. Gut möglich, dass diese Ausstellung diesen außerordentlichen Landschaftsmaler jetzt wieder an den Platz rückt, der ihm gebührt. Zudem ist für Stella Rollig natürlich auch wichtig, dass sie einen ihrer Vorgänger ehrt – schließllch war Rebell am Ende seines Lebens auch Museumsdidrektor im Belvedere…

Von Renate Wagner

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Rebell – ein kurzes, volles Leben     Joseph Rebell wurde am 11. Jänner 1787 in Wien, am Kohlmarkt, als Sohn eines Schneiders geboren, und er starb am 11. Oktober 1828, gerade 41 Jahre alt, in Dresden, wo er sich auf „Dienstreise“ befand  Es heißt, dass die kalt-feuchten Gasthöfe auf der Reise seine Tuberkulose zum Ausbruch gebracht hätten, an der er dann in kürzester Zeit starb. Er wurde dabei aus seiner dritten, wahrhaft glanzvollen Karriere als Museumsdirektor brutal heraus gerissen.

In Italien seine Welt gefunden      Neben seinen Mal-Studien arbeitete der junge Rebell als Architekturzeichner. Dass er im selben Haus lebte, wo sich der berühmte Kunstverlag Artaria befand, gab seinem Leben als 23jähriger eine neue Richtung. Will heute ein Verlag einen Bildband über eine Region herausbringen, schickt er einen Fotografen los. Damals waren es die Maler – Rebell ging 1810 über die Schweiz zuerst nach Norditalien, mit dem Auftrag, die Oberitalienischen Seen für ein Bildwerk zu illustrieren,. In der Sonne Italiens zwischen Rom und Neapel (mit Ausflügen in andere Landesteile bis Sizilien) hatte er „seine Welt“ gefunden – und sein ganz spezifisches Talent, unvergleichlich mit dem Licht der südlichen Sonne umzugehen.

Im politischen Wirrwarr    Rebell lebte in den Zeiten der Napoleonischen Kriege (vor dem Kriegsdienst konnte er sich drücken). Als er nach Italien kam (Napoleon nannte seinen Sohn mit der Österreicherin Marie Louise „König von Rom“, der dann als schlichter Herzog von Reichstadt gestorben ist), herrschte dort Napoleons Stiefsohn Eugene Beauharnais als Vizekönig und wandte dem begabten Wiener seine Gunst und seine Aufträge zu, was Rebell in die höchsten Kreise brachte. In Neapel herrschte nicht mehr Maria Theresias Tochter Maria Carolina als Königin, sondern Napoleons Schwester Caroline Murat, von der Rebell gleichfalls viele Aufträge erhielt.

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Die Sonne Habsburgs     Bekanntlich ging die Napoleonische Ära ja mit dem Wiener Kongress 1814 / 15 (zumal nach Waterloo) zu Ende, und es hätte scheinen können, dass Rebell die falsche Seite gewählt und sich seine Zukunft verbaut hätte. Die Zustände in Italien waren ziemlich trostlos, also ging er kurz nach München, wo Beauharnais durch die Tatsache, dass er mit einer bayerischen Herzogin verheiratet war und sich jetzt Herzog von Leuchtenberg nannte, sich aus dem Napoleonischen Dunstkreis und Desaster heraus gerettet hatte. Und Rebells Ruf war in der Kunstwelt doch groß genug, dass Kaiser Franz I. Werke des Künstlers kaufte und ihn auch 1819 bei einer Italienreise in dessen Atelier besuchte (Rebell war wieder nach Rom gegangen und lebte dort in einer Künstlerkolonie) . Dass der Kaiser vier Gemälde in Auftrag gab, ebnete den Weg in die Zukunft, auch wenn Rebell den Posten als Direktor der Kaiserlichen Gemäldegalerie im Belvedere, um den er sich gleich bewarb, erst 1824 antreten konnte.

Ein Beamter, wie man ihn erträumen kann      Dass Joseph Rebell als Museumsdirektor und Schloßhauptmann des Belvederes Vorbildliches leistete, ist bekannt – in nur vier Jahren bis zu seinem frühen Tod machte er das Schloß mit Heizung und Fenstern und  Türen winterfest, kümmerte sich um die Restaurierung von Gemälden, entwickelte eine publikumsfreundliche Ausstellungslogistik und legte besonderen Wert auf den Ankauf von Bildern der Zeitgenossen (so lobte er etwa besonders die Werke des jungen Gauermann). Undenkbar, was er noch hätte leisten können, wäre er nicht 41jährig gestorben, wobei die Hektik seines Lebens, das – bis auf die letzten Wiener Jahre – nirgendwo auf die Dauer Ruhe gefunden hatte, wohl den Tribut forderte.

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Von arkadischen Idyllen zu gemalten Katastrophen    Das Belvedere, das selbst 33 Werke von Rebell besitzt und auch viele Leihgaben zusammen getragen hat, bietet mit 83 Werken einen Überblick über das schöpferische Leben eines Mannes, dessen Talent gerade für die Landschaftsmalerei ganz außerordentlich war. Er selbst blickt den Betrachter aus einem Selbstporträt an, schwarzlockig, gewinnend – und wie elegant er war, kann man im Katalog nachlesen, wo seine absolut exquisite Garderobe aufgeführt wurde. Der Schneidersohn aus Wien wusste sich wahrlich in den höchsten Kreisen zu bewegen. Und er malte die Welt so romantisch und idealistisch, wie die Zeit es vorgab, ohne je in den Kitsch abzurutschen. Zeichnungen und Ölskizzen geben Einblick in den Schöpfungsprozeß eines Mannes, der, wo immer möglich, „in der Natur“ selbst malte. Am Anfang stehen seine idealen Landschaften – Idyllen mit Tempelfragmenten -, da zeigt sich aber wenig später in einer eigenen Abteilung der Ausstellung sein „dramatisches“ Talent in dem, was man „Katastrophenbilder“ nennen kann. Seestürme, wildes Meer, das an die Felsen brandet, und auch ein Vesuvausbruch, den er selbst erlebt hat.

Landschaften, Menschen und doch kein Genremaler  Der Höhepunkt von Rebells Schaffen ist allerdings in seinen Landschaften Italiens zu finden, wobei der Golf von Neapel sich für ihn (und so viele andere) als besonders inspirierend erwies. Himmel und Meer, Bäume und Felsen, Natur in ihrer Fülle. Obwohl auffällt, wie viele Menschen – „Volk“ – sich im Vordergrund seiner Bilder tummeln, sind sie doch nur lebendige Dekoration, in den aller seltensten Fällen eigenständige Schicksale, Genremaler war er keiner (was dann seine Nachfolger, die Wiener Biedermeier-Maler, zu einem Höhepunkt gebracht haben). Das Licht des Südens schimmert und atmet bei ihm wie nur bei den Besten, und die Sonne wird in all ihren Möglichkeiten (von Aufgang bis Untergang) stimmungsstark beschäftigt.

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Vergessen – warum?    Zu seinen Lebzeiten wurde Rebell teuer gehandelt und von prominenten Sammlern gekauft. Wie kam es, dass man ihn dermaßen vergessen hat? Vielleicht, weil er – im Zusammenhang betrachtet – nur einer von vielen war, vor allem, wenn man an die Künstler aus der deutschsprachigen Welt denkt, die in den  Süden zogen. Philipp Hackert, der ebenso farbtrunkene Bilder von Neapel malte, ist hier gestorben, ebenso wie der Tiroler Joseph Anton Koch. Auch den „Goethe-Tischbein“ zog es lange in den Süden, und zahllose andere mehr, denen Rebell begegnet ist und die heute ebenso vergessen sind. Sie alle haben den Sehnsuchtsort Italien in vielen wunderschönen Gemälden eingefangen. Und da ist auch noch der deutsche Zeitgenosse Caspar David Friedrich, 13  Jahre älter als Rebell, der ihn um 12 Jahre überlebte und in dessen Landschaften die Wissenschaft (und auch die Betrachter) weit mehr „Metaphysik“ hinein interpretieren können – was schließlich seinen singulären Rang ausmacht. Und „hinter“ Rebell wartete eine Phalanx von handwerklich meisterlichen Begabungen, die als die österreichischen Biedermeier-Maler berühmt werden sollten – Waldmüller, Fendi, Gauermann, um nur ganz wenige zu nennen. Zwischen ihnen allen ist Joseph Rebell irgendwie untergegangen. Nun hat man ihn wieder gefunden.

Unteres Belvedere / Orangerie:
JOSEPH REBELL
IM LICHT DES SÜDENS
Bis 13. November 2022, täglich 10 bis 18 Uhr
Der Katalog bietet u.a. eine hervorragende chronologische Aufschlüsselung von Rebells Werken.

 

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