Fotos: Heiner Wesemann, in der Ausstellung fotografiert
WIEN / Unteres Belvedere:
IST DAS BIEDERMEIER?
Amerling, Waldmüller und mehr
Vom 21. Oktober 2016 bis zum12. Februar 2017
Das ist Biedermeier
Die Ausstellung im Unteren Belvedere kommt zwar mit einer Frage auf den Betrachter zu: „Ist das Biedermeier?“ Die Antwort ist einfach: Was man sieht, ist Biedermeier ohne sonderlich neue Aspekte. Allerdings ist der Zeitraum weiter, der Lebensraum der Künstler breiter gefasst. Die großen Namen wie Fendi, Danhauser sowie Amerling und Ferdinand Georg Waldmüller, die Letztgenannten weit über 1848 hinaus tätig, bilden natürliche Schwerpunkte. Die Hälfte des Gezeigten ist im Besitz des Belvederes, das solcherart wieder einen Sammlungsschwerpunkt des Hauses ausbreitet.
Von Heiner Wesemann
Biedermeier Von der Geschichte her ist der Begriff ziemlich klar abgegrenzt. Nach dem Wiener Kongreß und der „Neuordnung“ Europas begann in der Habsburger-Monarchie eine Zeit der verordneten politischen „Stille“. Man trieb die Bevölkerung in die eigenen vier Wände hinein, wo sie sich mit erlesenen künstlerischen Tätigkeiten beschäftigen durfte. Die Revolutionen von 1830, die in Österreich nicht viel änderten, bedingen in der Historie zumindest einen Wechsel der Terminologie: Nun ist vom „Vormärz“ die Rede, weil die Nachwelt natürlich weiß, dass am 13. März 1848 die Revolution dann auch in Österreich ausbrach. Mit deren Ende und der Regierungsübergabe an den neuen jungen Kaiser beginnt das, was man als „Zeitalter Franz Josephs“ am besten subsumiert. Das „Biedermeier“ war offiziell zu Ende. Aber natürlich nicht wirklich.
Das Lebensgefühl Kuratorin Sabine Grabner überraschte bei der Pressekonferenz mit der Überlegung, ob eine gemütlich Schokolade trinkende Bridget Jones nicht Symbol für ein neues „Biedermeier“ sei. Ob man sich heute nicht auch vor dem Druck des äußeren Lebens (kommen Zensur, Spitzelwesen und Unruhen nicht durch die neuen Medien geballt wieder?) zurückziehe. Was möglich ist, aber schwerlich eine Gleichsetzung mit dem bedeutet, was man sieht. Die heute zeitgemäße Kunst findet keinerlei Parallelen mit der damaligen. Man kann nur mit Wohlwollen das Können der damaligen Künstler betrachten – und schreckt doch immer wieder vor dem, was für uns ja doch „Kitsch“ ist, zurück.
Die Künste blühten Die Künste blühten, Musik voran (als politisch unverdächtig), die Malerei (solange das Arme-Leute-Elend schön genug war und zu keinerlei Aufstand aufrief), am wenigsten die Literatur, die die Zensur am Hals hatte. Und auch die „angewandte Kunst“, in diesem Fall die hohe Schule der kostbaren Einrichtung. Die Ausstellung im Belvedere hat ein bemerkenswertes Angebot von Möbeln, raffiniert in ihrer schlichten Eleganz, aber wohl nicht wirklich bequem. Es ging um die Ästhetik, wie auch auf allen Gemälden (sie stellen den Großteil der über 100 Exponaten), denen man begegnet.
Das hervorragende Handwerk Man sieht die Porträts, die Familienbilder, die Landschaften, auch die Historienbilder (oder Porträts, die etwa eindeutig im Stile früherer Epochen geschaffen wurden) – die Maler dieser Zeit hatten ihr Handwerk gelernt, wurden an der Akademie ausgebildet, und das nicht nur in Wien, sondern auch in den Großstädten der Monarchie, die ihre eigenen, mit Wien verbundenen Lehrinstitutionen besaßen.
Blick in die Monarchie Man hat ein „exotisches“ Gemälde, den „Emir vom Libanon“ (gemeint war allerdings Edmund Graf Zichy) quasi als „Signaturbild“ der Ausstellung gewählt: Es stammt von József Borsos, und er malte von Handwerk und Talent her so stilsicher wie nur jeder seiner österreichischen Kollegen. Neben Ungarn, Tschechen (Bedřich Havránek), Slowenen sind auch Italiener vertreten. Dass die kurze Zeit, als Österreich auch in Norditalien „herrschte“, hierzulande künstlerisch wichtig war, versteht sich – immer gingen die deutschen Künstler in den Süden, holten sich die Inspiration. Wobei vieles, sehr vieles schon aus dem Franzisko-Josephinischen Zeitalter stammt, wo man das Biedermeier in der Kunst noch nicht überwunden hatte, wohl aber immer weiter entwickelte – in der Ausstellung gibt es auch Bilder der Künstlerfamilie Alt, die quasi als Spätfolgen dieser Entwicklung gelten können.
Die großen Fünf Ursprünglich war das Belvedere von der Idee einer Waldmüller-Ausstellung ausgegangen, bevor man seine Zeit und Umwelt um ihn herum drapierte. Ferdinand Georg Waldmüller (1793 bis 1865) war interessanterweise auch der Älteste unter den Kollegen, die neben ihm berühmt wurden: der früh verstorbene Peter Fendi (1796 bis 1842), Friedrich Ritter von Amerling (1803 bis 1887), der ebenfalls jung dahin gegangene Josef Danhauser (1805 bis 1845) und Friedrich Gauermann (1807 bis 1862). Von ihnen sind Standardwerke und weniger Bekanntes zu sehen.
Von Behübschung zur Realität Um die berühmten Namen drapiert sich viel Hochwertiges, das ideologisch von der Behübschung bis zur peniblen Darstellung des Elends reicht (wenn auch Franz Eybl den Bettler demütig beten lässt – sonst hätte man das Bild 1837 vielleicht nicht so gern gesehen). Dass Danhauser ebenso die „Prasser“ (zu denen ein Bettler fragend die Hand ausstreckt) wie die „Klostersuppe“ malte, zeigt, dass es die Künstler nicht mit den selbstbewussten Großbürgern, den Rüschen, Locken und Spitzen ihrer Damen und den lieblichen Kindern bewenden ließen. Und manchen Malern war auch die feine Ironie eines Spitzweg nicht fremd. Dass Johann Baptist Reiter auch eine schöne (Halb)Nackte malte, war 1849 vermutlich einfacher als davor… Und weil der Stil sich ja doch, wenn auch behutsam wandelte: Waldmüllers Praterlandschaft von 1849 grüßt schon seine Nachfolgerin Tina Blau…
Katalog Der großformatige Katalog zur Ausstellung (312 Seiten), im Eigenverlag erschienen, bietet nicht nur ausführliche Beschreibungen der meisten Spitzengemälde, sondern auch Analysen zu Themen wie Kunst in Böhmen, Ungarn, Italien in dieser Epoche, über die Kunst der Möbel und über Waldmüller im Speziellen.
Unteres Belvedere
Ist das Biedermeier? Amerling, Waldmüller und mehr
Vom 21. Oktober 2016 bis zum12. Februar 2017