WIEN / Unteres Belvedere und Orangerie:
DIE NACHT IM ZWIELICHT
Kunst von der Romantik bis heute
Vom 24. Oktober 2012 bis zum 17. Februar 2013
Und es herrscht die „Königin der Nacht“…
Das Thema „Nacht“ ist so vielfältig, dass es sich nicht von ungefähr in zahlreichen Variationen in zahlreichen Ausstellungen wieder findet. Nun hat auch das Belvedere nach dieser magischen Konnotation gegriffen. Dabei sind die beiden Kuratoren (Kuratorin und Kurator) Brigitte Borchhardt-Birbaumer und Harald Krejci keineswegs den Weg des geringsten Widerstandes gegangen. Man könnte das Thema auch gefällig-schön aufbereiten. „Die Nacht im Zwielicht“ hingegen erweist sich als Dialog zwischen Künsten und Wissenschaftlern, zwischen den Jahrhunderten, zwischen den Genres. Wobei der Anspruch nicht nur auf größtmögliche Vielfalt abzielte: Es geht auch darum, die „Nacht“ von ihrer ausschließlich dunklen Bedeutung zu befreien. Tatsächlich beschwört die Nacht nicht nur Ängste, sondern auch Faszination.
Von Heiner Wesemann
Roller, Schinkel
Mit Mozart beginnt’s Im ersten Saal steht eine nackte, dunkle Dame in Bronze von Georg Kolbe – man kann sie gut und gern als die „Königin der Nacht“ nehmen. Denn ein paar Schritte weiter wird eine ganze Wand lang Mozarts allegorischer Verkörperung des Nacht-Prinzips gehuldigt: in den Bühnenbildern von Roller, in dem legendären Sternenhimmel von Schinkel. Aber natürlich ist auch die Freimaurer-Versammlung, in der man Mozart erkennt (von Ignaz Unterberger, Leihgabe des Wien Museums), im doppelten Sinn ein „Nachtbild“: in einem von Kerzen düster erleuchteten Raum gingen die Herren nach dem Verständnis ihrer Zeit „dunklen“ Verschwörungen nach… Gleich hier zu Beginn positionieren die Gestalter eine andere nächtliche Allegorie, nämlich den Krieg. Und sie schneiden auch das Thema der nächtlichen Großstadt an – Gerhart Frankls Blick auf ein nächtliches Wien ermangelt es dennoch nicht an Farbe. Die hell erleuchteten Städte werden auch als „Verlust der Dunkelheit“ definiert.
Nacht und Träume Auch sehr bunt und wie paralysiert erstarrt erzählt Joseph auf einem Gemälde von Emil Nolde seine Träume, und gierige Gesichter sehen ihm zu. Das Werk gehört dem Haus, und es war entscheidend, dass man rund 80 Bilder hervorgeholt hat, die sonst so gut wie nie (bzw. noch nie) zu sehen waren. In unserer Welt, wo das Geld nicht mehr so üppig fließt, hat die Rückbesinnung dieser Art schon viele erstaunliche Ergebnisse gezeitigt – in diesem Fall auch einen zwar sehr „kleinen“, aber in der Gestaltung großen Caspar David Friedrich, der eine Dämmerung malte, die auch von den Impressionisten stammen und abstrakt interpretiert werden könnte. Immerhin hat man sich an die 200 Leihgaben geleistet, einiges Zeitgenössische von den Künstlern selbst geholt. Aber der Eigenbesitz ist mit starken Namen verbunden und ins Geschehen gestellt.
C.D. Friedrich, Freuds Gorgon
Geleitet von Freud Sigmund Freud, der die Nachtseiten der Seele wissenschaftlich formulierte und greifbar machte, sammelte bekanntlich antike Idolfiguren: einen kleinen Gorgo hat man aus dem Freud-Museum entliehen und will damit die Ausstellung, die ohnedies schon außergewöhnlich groß ist – sie umfasst die Räumlichkeiten des Unteren Belvederes und der Orangerie – noch erweitern: In der ständigen Sammlung des Hauses im Oberen Belvedere wird dieser Gorgo als Signet darauf hinweisen, dass das so gekennzeichnete Werk eigentlich auch in die „Nacht“-Überlegungen der Kuratoren passt, man die Bilder bloß nicht bewegen wollte: Aber dass Klimts „Judith“ mit „Nacht“ zu tun hat, leuchtet ein.
Dion, Richier
Umfangreiche Konzeption So, wie im ersten Raum die „Nacht“ als Frau steht, begegnet man wenig später der „Game Bird Group“ des Mark Dion, mit Teer präparierte schwarze Vogel auf schwarzen Zweigen, und in der Orangerie steht dann der beängstigende „Nachtmensch“ der Germaine Richier (Menschenkörper, Vogelkopf, Flügel – kurz, ein Alptraum). Surreales steht neben Biedermeier, Fotografien behaupten ihren Platz ebenso wie Objekte. Ölbilder hängen neben Graphiken, im letzten Saal, wo man sich „Unterwelten“ im breitesten Sinn widmet (da sind dann auch die „Carceri“ des Piranesi dabei), läuft ein Video über türkische Höhlen. Und auch, wenn man das Theater besucht, geht man willentlich in einen „nächtlichen“ dunklen Raum. Kurz, die Gedankenassoziationen sind weit gespannt – von einer romantischen Mondlandschaft des Carl Gustav Carus bis zu einem abstrakten Sternenhimmel von Anselm Kiefer. Gerade, weil hier ein bewusstes „Durcheinander“ erzeugt wurde, ist für den Ausstellungsbesucher ein hoher Grad an eigener Interpretationsarbeit zu leisten. Dann kann man den verschiedenen Denkanstößen, die der „Nacht“ folgen, auch nachgehen.
Carus
Bis 17. Februar 2013, täglich 10 bis 18 Uhr, Mittwoch bis 21 Uhr.
Für diese Ausstellung sind besonders viele Führungen unter den verschiedensten Aspekten vorgesehen