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WIEN / Belvedere: DIE KRAFT DES ALTERS

20.11.2017 | Ausstellungen, KRITIKEN

Alter Plakat x~1

WIEN / Unteres Belvedere:
DIE KRAFT DES ALTERS
Vom 17. November 2017 bis zum 4. März 2016

Die „würdigen“ und
die „unwürdigen Greise“

Wandlungen des Zeitgeistes bedingen auch eine Wandlung von Werten. Das höhere und hohe Alter des Menschen, früher ein Sehnsuchtsziel, ist heute erreicht und schnell zur gesellschaftspolitischen Last geworden – mittlerweile so negativ besetzt, dass wir das Alter geradezu auszugrenzen suchen, solange es nicht um die ökonomischen Mittel geht, die man von dort noch zu melken sucht. Direktorin Stella Rollig und Kuratorin Sabine Fellner suchen nun im Belvedere das Bild des Alters in der Kunst, vom letzten Jahrhundert bis heute. Und das bietet einen vielfältigen, schillernden Gegenentwurf, „Die Kraft des Alters“ genannt.

Von Heiner Wesemann

Alter Marie Moll 2~1 Alter Koller Pinell 2~1 Alter Klimt, Blinde 3~1Alter Mann Moteschiszky 4~1

Was ist geschehen? Wie gehen wir heute mit dem Alter um? Für alte Männer empfiehlt man junge Frauen, um den Eindruck von Potenz zu erwecken (viele Prominente machen es bis zur Peinlichkeit vor), für alte Frauen Anti-Aging-Kosmetik-Produkte, um falsche Jugendlichkeit vorzutäuschen. Das war nicht immer so. Die Ausstellung im Unteren Belvedere, die Sabine Fellner zusammen gestellt hat, hebt mit „würdevollen“ Altersbildern an, wie man sie im 19. Jahrhundert malte, als „alt“ mit allerlei positiven Eigenschaften (vor allem aber natürlich Macht und Geld in den entsprechenden Gesellschaftsschichten) Hand in Hand ging. Auch eine Versammlung knorriger Alter, wie Karl Meditz sie malte, „Die Eismänner“, mag eine Allegorie sein, aber eine, in der das Alte sich nicht scheu versteckte – so wie es alte Leute heute, gern in Heime abgeschoben und vergessen, oft tun.

Alter Klimt am Totenbett a~1

Alter neben Schönheit Der „alte“ Teil der Ausstellung zeigt, wie sehr Alter neben Jugend und Schönheit ein Thema für die Künstler war. Selbst Klimt und Schiele, die vor allem als Zeichner erotischer junger Körper im Bewusstsein leben, werden hier als Zeichner alter Körper vorgeführt – und das Gemälde des weißhaarigen alten Mannes, „Der Blinde“ (1896), und vor allem sein „Alter Mann auf dem Totenbett“ (1899) zeigen, dass wahre Künstler sich keinem Thema verschließen. Und dass es schöne alte Frauengesichter gibt – und doch für Marie Louise von Motesiczky ihr schon altersverfallender „Onkel Ernst“ (1963) Modell für ein ergreifendes Porträt war. Keinesfalls hat die Kunst, die man nicht explizit der „Moderne“ zuschreibt, das Alter grundsätzlich beschönigt.

Der heutige Blick zwischen Ironie und Erkenntnis Wenn Anton Kolig noch einen alten General in Uniform mit all seinen Orden malt, dann fotografiert Anastasia Khoroshilova in ihrem Zyklus „Die Übrigen“ nur noch eine Uniformjacke über einem Sessel, und die Orden hängen verloren daran herum: Die Frage, was von einstigem Ruhm geblieben ist, stellt sich einfach durch das Bild. Wobei die Kuratorin außer Malerei und Graphik und Skulptur auch die „modernen“ Medien wie Fotografie und Video stark in die Ausstellung einbringt, um alte Menschen in allen denkbaren Situationen zu zeigen und auch immer wieder die Generationenfrage stellt.

Alter Raum Wand~1

Sehr viel Selbstironie Frauen vor allem sehen auf ihr Geschlecht teils mit Selbstironie, teils scharf kritisch, teils durchaus liebevoll. Und man beschwört bekannte Topoi: Eine Fotoserie von Birgit Jürgenssen, die sich „Totentanz mit Mädchen“ (1979/80) nennt, variiert das ewige Memento Mori mit modernen Mitteln. Ganz zeitgemäß ironisiert Margot Pilz den Jugendkult, dem sich manche ältere Frau verschreibt (Hollywood ist da ein schlechtes Beispiel): In ihrem „Anti Aging“ macht sie sich darüber lustig – weißhaarig beim „Outworken“… oder wie Martha Wilson ihr Gesicht „vorher und nachher“ zeigt, nachdem das Programm „Beauty Pass“ über ihr Foto gewandert ist. So, wie die Zeitschriften die Promis auf den Titelbildern mit Photoshop „liften“… weil die Realität nicht erlaubt ist.

Alter Lassnig~1

Die unwürdigen Greise Maria Lassnig ließ sich fröhlich mit einer Rose im Mund fotografieren (so wie in „Some like it hot“) und malte sich noch im hohen Alter nackt. „Unwürdige Greisinnen“ – Bert Brecht hat diesen Ausdruck formuliert. keine braven, stillen Großmütter. Helen Mirren liegt nackt in der Badewanne. Noch radikaler war Vivienne Westwood, nackt und mit gespreizten Beinen von Juergen Teller abgelichtet. Das alles hat mit widerständiger Lebenskraft zu tun, die zweifellos die Aussage der Ausstellung ist, aber die Kuratorin beschönigt auch nicht: Eric Fischl stellte in „Frailty is a Moment of Self Reflection“ (1996) die volle Hinfälligkeit eines alten, dürr gewordenen Männerkörpers aus… Am anderen Ende der Betrachtungsweise steht der aufrechte, rot glänzende Penis, den die Wienerin Renate Bertlmann (berüchtigt für ihre Benützung von Dildos, Präservativen u.a.) wie ein Kronjuwel auf einen goldenen Polster platziert hat: Der ewige Männertraum von Potenz und Jugend.

Alter Penis am goldenen Polster b~1

Hinsehen statt wegsehen Man kann gar nicht versuchen, das Angebot des Gebotenen auszuschreiten oder zu schildern: Die Ausstellung ist so reichhaltig, dass sie jeden Besucher nachhaltig und vermutlich mehrere Male beschäftigen wird. Die Moral dieser Kraft und Stolz beschwörenden Schau ist jedenfalls: hinsehen statt wegsehen, reflektieren statt verdrängen. Auch was den Besucher selbst betrifft, welchen Alters er auch sei.

Unteres Belvedere:
Die Kraft des Alters
Bis 4.
März 2018. Täglich 10 bis 18 Uhr, Freitag 10 bis 21 Uhr

 

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