Alle Fotos (c) Belvedere, Wien, Foto: Markus Guschelbauer
WIEN / Oberes Belvedere:
DAME MIT FÄCHER
Gustav Klimts letzte Werke
Vom 24. März 2021 bis zum 13. Februar 2022
… und manche Fragen offen
Grundsätzlich ist es ein Geschenk, einer bisher weitgehend unbekannten und so exquisit schönen Frau zu begegnen wie der „Dame mit Fächer“ von Gustav Klimt. Sie ist nach langer Irrfahrt nun – wenn auch nur für ein knappes Jahr – nach Wien zurück gekehrt. Wieso dem so ist, wer sie war, wie ihr genaues Schicksal verlief, darauf bleibt das Belvedere von Generaldirektorin Stella Rollig allerdings viele Antworten schuldig. Dabei hat sie es bei der Pressekonferenz explizit als Aufgabe der Museen betrachtet, Sachverhalte aufzuklären. Allerdings haben Rätsel auch ihren eigenen Reiz. Und Klimt zaubert, bezaubert wie immer.
Von Heiner Wesemann
Klimts Frauenbilder Das Werk von Gustav Klimt (1862-1918) ist thematisch und stilistisch umfangreicher, als es im Bewusstsein der Öffentlichkeit lebt. „Der Kuss“, von Gold umflossen, gilt als sein Charakteristikum. Die Gemälde reicher Industriellengattinnen (die mehr kosteten als eine Villa, aber die Männer konnten es sich leisten) kamen zu Weltruhm. Nicht zuletzt, als die „goldene Adele“ Wien verlassen musste, um zu der legitimen jüdischen Erbin heim zu kehren (und in der Neuen Galerie in New York zu landen). Das Belvedere besitzt trotzdem noch immer einige der berühmten Frauen-Gemälde von Gustav Klimt, darunter Sonja Knips und Fritza Riedler (von der „Judith“ ganz zu schweigen). Und nun zeigt man die „Dame mit Fächer“, die vielleicht das letzte Bild ist, an das der Künstler 1918 vor seinem Ende noch Pinselstriche hinzu fügte.

Innenraum: Atelierraum mit den (unvollendeten) Gemälden ‚Die Braut‘ und ‚Dame mit Fächer‘. (c) Österreichische Nationalbibliothek, Wien Bildarchiv 94884-E, Foto Moriz Nähr
Dank Moriz Nähr…. Das Leopold Museum hat vor nicht langer Zeit dem Fotografen Moriz Nähr eine eigene, hoch verdiente Ausstellung gewidmet. Er war jener Mann, der Klimt eng verbunden war. Man verdankt ihm die Fotos aus dessen privater Umwelt, vor allem das berühmte Porträt des Künstlers in seinem Malerkittel. So verwundert es nicht, dass es Nähr war, der nach Klimts Tod in dessen Atelier in die Feldmühlgasse kam und fotografierte, was er sah. Zwei Bilder standen auf den Staffeleien. Zentral die „Dame mit Fächer“. Daneben, offenbar auch in Arbeit, „Die Braut“ (die das Leopold Museum vor einiger Zeit als Leihgabe des Belvederes ausgestellt hat). Klimt ist völlig überraschend zu Beginn des Jahres 1918, mitten aus Leben und Arbeit gerissen, gestorben – es war das Jahr der großen Verluste für die österreichische Kunst, denn auch Egon Schiele, Otto Wagner, Kolo Moser starben. Und nicht alle folgenden Schicksale der Klimt-Gemälde sind nachzuvollziehen.
Wer war die „Dame mit Fächer“? Man hätte hoffen können, dass intensive Recherche auch nach einem Jahrhundert noch feststellen kann, wen Klimt damals gemalt hat. Das ausdrucksvolle und dabei doch wie selbstverloren in die Ferne blickende Gesicht kann mit keiner Berühmtheit der damaligen Zeit in Zusammenhang gebracht werden. Ein Schwanenhals, bloße Schultern, der Fächer, der wohl verdeckt, wo ein Kimono zu tief gerutscht ist. Wahrscheinlich müsste man lange Vergleiche mit Klimts Modellen anstellen, um die Dame zu finden. Oder sich auch durch die damalige Bilderwelt blättern, um nach der Ähnlichkeit des sehr signifikanten Gesichts Ausschau zu halten… In Auftrag hat sie jedenfalls niemand gegeben, denn kein stolzer Gatte hängte sie in seiner Villa auf. Die „Dame mit Fächer“ wechselte dann einige Male den Besitzer, wobei manches unklar bleibt. 1920 hat das Bild, das auf der Kunstschau gezeigt wurde, dem Industriellen Erwin Böhler gehört, ging dann an dessen Bruder Heinrich in die Schweiz. Ob Rudolf Leopold das Bild nach dessen Tod in den fünfziger Jahren direkt von dessen Witwe Mabel Böhler erworben hat, wurde offenbar nicht nachgefragt. Was man dann zu wissen meint, haben Journalisten recherchiert: Der „Standard“ will von Elisabeth Leopold erfahren haben, dass man das Bild aus purer Geldnot verkaufte. Die „Presse“ will wissen, dass es schon 1992 in New York war (ohne dass man es eigentlich hätte ausführen dürfen), und dass bei einer Auktion in New York 1994 Serge Sabarsky schier verzweifelte, weil ein Telefonbieter nicht aufgab, hinter dem er Baron Hans Heinrich Thyssen-Bornemisza vermutete (Vater der mittlerweile geschiedenen Francesca von Habsburg-Lothringen). Wer das Bild nun besitzt, weiß das Belvedere natürlich, gibt es aber nicht bekannt. Wieso es dazu kam, dass man es „ohne einen Cent Leihgebühr“ für Wien erhielt, wurde nicht gesagt. Was die so genannte „Immunität“, die ausgestellt wurde, letztendlich genau bedeutet (dass der österreichische Staat es sich nicht plötzlich überlegt und das einst unberechtigt ausgeführte Bild zurückfordert?), wurde auch nicht zweifelsfrei klar gestellt. Viele Fragen offen…
Der Zauber des fernen Ostens Der Orientalismus, vor allem der Japonismus, hat Europas Künstler zu Ende des 19. Jahrhunderts stark geprägt. Klimt sammelte nicht nur chinesische und japanische Gewänder, die er gerne herzeigte, sondern auch Objekte dieser Kulturen. Als Klimt mit seiner „goldenen Periode“ um 1909 abschloß, nahmen die asiatischen Einflüsse auf seinen Bildern zu. Kurator Markus Fellinger denkt bei der „Dame mit Fächer“ an China, näher liegt die Assoziation mit dem eleganteren, nicht so knalligen Japan. Der Fächer scheint als Accessoir hier unikat. Die früher oft strengen Ornamente sind lockeren floralen Mustern im Hintergrund gewichen, zartgelb ist die dominierende Farbe. Wie genau Klimt arbeitete, zeigt die Ausstellung anhand eines Skizzenbuches. Immer wieder hat er seine eigenen Methoden und Formen variiert und hinterfragt.
Dazu die „Braut“ und die anderen Das andere Bild, das sich im Atelier des toten Klimt vorfand, war „Die Braut“, ein zutiefst verschlüsseltes Werk. Das Belvedere kann es als Dauerleihgabe der Gustav Klimt Privatstiftung schon seit langem zeigen. Der Bestand des Hauses an Klimt-Werken, vor allem Porträts, ist groß, darunter vieles von dem Spätwerk, nicht alles davon vollendet. Es wird hier flankierend in der Ausstellung gezeigt, die laut Stella Rollig „räumlich klein, aber kunsthistorisch bedeutend“ ist. Im Herbst wird man das Thema Klimt noch gerade im Hinblick auf die ostasiatischen Einflüsse in seinem Werk erweitern.
Oberes Belvedere:
DAME MIT FÄCHER
Gustav Klimts letzte Werke
Bis 13. Februar 2022
Täglich 10 bis 18 Uhr, Freitag bis 20 Uhr