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WIEN / Belvedere: BESSERE ZEITEN? WALDMÜLLER UND DAS WIENER BIEDERMEIER

12.05.2021 | Ausstellungen, KRITIKEN

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Alle Fotos: Belvedere

WIEN / Oberes Belvedere:
BESSERE ZEITEN?
WALDMÜLLER UND DAS WIENER BIEDERMEIER
Vom 12.. Mai 2021 bis zum 27. Februar 2022

Genaues Hinsehen erbeten

„Biedermeier“ ist der zwiespältig rezipierte Begriff für die Epoche zwischen dem Wiener Kongress 1814/15 und der Revolution von 1848. Fraglos konstatiert man die Hochblüte der Künste in einer Zeit politischer Repression. Man malte, komponierte, dichtete auf höchstem Niveau – und in scheinbarer bürgerlicher Harmonie. Das wurde lange als „echt“ genommen und als nostalgische Ideal-Welt begriffen. Man hat es mittlerweile aber auch tausendfach als Verlogenheit verdammt. Liegt das, was „Biedermeier“ wirklich war, nur im Auge des Betrachters – oder müsste man genauer hinsehen? Dazu jedenfalls lädt die Ausstellung im Oberen Belvedere unter dem Titel „Bessere Zeiten? Waldmüller und das Wiener Biedermeier“ ein.

Von Renate Wagner

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Ferdinand Georg Waldmüller: Am Fronleichnamsmorgen (Ausschnitt)

Weil die Kaiser sammelten     Nichts Schlechtes, das nicht auch sein Gutes hat. Die Pandemie zwang die Museen sich auf ihre eigenen Bestände zu besinnen. Für das Belvedere ist das „Biedermeier“ immer schon Kernkompetenz und ein zentrales Thema gewesen, an dem auch durchgehend wissenschaftlich gearbeitet wird. Wie kommt es, dass man aus dieser Epoche mit rund 2600 Werken so reich bestückt ist? Während es heute zur allgemeinen Lieblingsbeschäftigung zählt, den Habsburgern nur Böses nachzusagen, kann Belvedere-Direktorin Stella Rollig nur loben. Sie ist geradezu begeistert, dass die Kaiser der Epoche, Franz I., Ferdinand und später auch Franz Joseph in so hohem Ausmaß ihre Zeitgenossen sammelten (oder von hoch kompetenten Kunstbeamten erwerben ließen). So kann man nun den ganzen zweiten Stock des Oberen Belvederes mit 107 Werken bestücken, die Kurator Rolf H. Johannsen aus der Fülle gezielt ausgewählt und nach Schwerpunkt-Themenkreisen zusammen gestellt hat. Und wenn man auch eingeladen ist, über das „Biedermeier“ hinaus zu sehen und den Realismus in diesen Bildern zu finden, so handelt es sich doch um Lieblingswerke des Publikums. Das heißt, dass man – ebenso wie mit der Klimt’schen „Fächer“-Dame – ein höchst anziehendes Thema zu bieten hat, das Besucher herbei locken wird. Und nichts braucht man für den Neustart nach der Krise dringender als Menschen, die das Bedürfnis haben, live ins Museum zu kommen.

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Waldmüller: Selbstporträt in jungen Jahren

Ferdinand Georg Waldmüller     Waldmüller (1793 – 1865) gilt als Primus inter pares in einer Welt hoch begabter Künstler, wobei der Kurator eigentlich von einem Trio, bestehend aus Amerling, Danhauser und Waldmüller, sprechen will. Dennoch hat Letzterer aus vielen Gründen den größten Namen. Er war ein Meister aller Genres, des Porträts, der Landschaft, des Genrebilds, des Blumenstilllebens Und er lief als Mensch immer wieder gegen eine „akademische“ Kunst an (wenn er auch selbst als Lehrer mitten drin steckte), was ihn der nächsten Generation, den Secessionisten, so sympathisch machte – ganz abgesehen von seiner technischen Meisterschaft, von seiner Behandlung des Lichts, von der Lebendigkeit seiner Figurengestaltung. Zudem hat er sein soziales Bewusstsein immer wieder „mitgemalt“. So ist es Waldmüller, der mit seinem Selbstporträt als 38jähriger im ersten Saal die Zuschauer begrüßt und in der Folge immer wieder bei den einzelnen Themenschwerpunkten vertreten ist.

Der geänderte Blick     Die Welt des Biedermeier war eine andere. Die Französische Revolution hatte den Fürstenprunk weg gefegt, der Bürger trat in den Vordergrund. Das veränderte Bewusstsein zeigte sich in allen Belangen – in der Kunst war es das Historienbild, das nicht mehr Herrscher auf Thronen und Schlachtenszenen zeigen wollten. Reiche Bürger, die sich Gemälde ins Wohnzimmer hängten, wollten anderes. Als beispielhaft mag das Bild „Kaiser Maximilian bei den Gerbern“ von Karl Russ gelten. Reines Wunschdenken – nie wäre der Kaiser in die stinkende, schmutzige Welt dieser Handwerker hinabgestiegen, noch weniger hätte er einem die Hand gegeben. Und doch, auf dem Bild geschieht es. Es ist gemalte Wunscherfüllung, es zeigt die neuen Ansprüche an einen Herrscher (den Kaiser Franz ja mit seiner extrem bürgerlichen Lebensführung erfüllte).

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Am Beispiel von drei Damen     Die Kunst des Porträts erlebte im Biedermeier einen Höhepunkt, man ließ sich – wenn man reich war – mit der ganzen Familie lebensgroß konterfeien, es gab auch zahlreiche Einzelgemälde, nach wie vor natürlich der Adeligen. Und gerade aus dem Biedermeier blicken einem unendlich viele, reizvolle Mädchen mit Löckchen entgegen. Hier wurde anders gewählt. Drei Frauenbilder nebeneinander – sie zählen keinesfalls zu den optisch „schönsten“ – erzählen Geschichten. Das mittlere, das Marie Gräfin Chorinsky, geb. Prinzessin Esterházy, gemalt von Friedrich von Amerling zeigt, ist das gewissermaßen konventionellste. Hochadelige Hochmutsmiene, prächtige Locken, pompöse Aufmachung. Ganz anders die Dame links von ihr, die Gastwirtin Barbara Meyer, die es sich leisten konnte, sich von Johann Baptist Reiter malen zu lassen. Auch sie hat sich „schön“ gemacht, aber es ist klar, dass das eine einfache, selbstbewusste Frau ist, die ihr Vermögen sich selbst verdankt. Rechts von der gebürtigen Esterhazy findet man dann Louise von Wertheimstein, die von Anton Einsle gemalt wurde, bescheiden im Ausdruck, dass man ihr anzusehen meint, dass sie eine geborene Biedermann war und bei all dem Reichtum der Familie, in die sie eingeheiratet hat, doch noch nicht selbstverständlich die große Pose beherrscht… Keines dieser Frauenbilder macht die Dargestellte übermäßig schön, jedes erzählt von der Persönlichkeit. Nein, das Biedermeier hat nicht grundsätzlich „behübscht“, wie man es ihm nachsagt.

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Peter Fendi, Mädchen vor dem Lotteriegewölbe

Die armen Leut   Und die Maler hatten keineswegs nur Sinn für die reichen Bürger und ihre Repräsentation. Peter Fendi malte eine herzzerreißende „Pfändung“, und sein „Mädchen vor dem Lotteriegewölbe“ mag vielleicht auf den ersten Bild rührend wirken, aber wenn man genau hinschaut, hat man schon die ganzen unerfüllten Sehnsüchte vor sich, die jene Benachteiligten des Schicksals mit sich herum trugen. Und wenn Josef Danhauser in „Die Zeitungsleser“ zwei alte, schäbige Männer in die Zeitung blicken lässt, malt er kein Auftragsbild der Abgebildeten, sondern ein Zeichen der Zeit: Denn diese Fuhrleute lesen vom „Fortschritt“, vom Bau der Kaiser Ferdinand-Nordbahn, die ihnen, den Fuhrleuten, das Brot wegnehmen wird…

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Thomas Ender, Der Großglockner mit der Pasterze

Natur und Blumen     Neben den Menschen ist die Natur eines der großen Themen der Epoche, Landschaftsmalerei oft mit, oft aber auch ohne Menschen, wie Thomas Ender, der mit Erzherzog Johann durch Österreich zog, um dessen Schönheiten zu malen, die Pasterze am Großglockner sah. Was die Blumenbilder betrifft, so sollte man über „ein paar Blumen“ nicht hinwegsehen: Es bedurfte außerordentlicher technischer Fähigkeiten, diese Bilder zu „komponierten“, geschweige denn in alle ihren Nuancen zu malen. Aber das ganz besondere Können hat man den österreichischen Biedermeier-Malern ja immer konzediert. Betrachte man sie hier inhaltlich neu im Hinblick auf ihren Realismus.

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Oberes Belvedere, Prinz Eugen-Straße 27, 1030 Wien
BESSERE ZEITEN?
WALDMÜLLER UND DAS WIENER BIEDERMEIER

Dienstag bis Sonntag10 bis 18 Uhr

 

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