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WIEN / Belvedere 21: WOTRUBA. HIMMELWÄRTS

06.05.2021 | Ausstellungen, KRITIKEN

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Alle Fotos: Belvedere

WIEN / Belvedere 21:
WOTRUBA. HIMMELWÄRTS
Die Kirche auf dem Georgenberg
Vom 6. Mai 2021 bis zum 13. März 2022

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Der in Blöcken dachte

Die so genannte Wotruba-Kirche (wer sagt schon „Kirche Zur Heiligsten Dreifaltigkeit auf dem Georgenberg in Wien-Mauer“?) hat einen gewichtigen Nachteil – sie ist in Mauer, also ganz, ganz weit draußen, vergleichbar nur mit der schwierigen Erreichbarkeit der Otto-Wagner-Kirche am Steinhof. Aber wie diese hat sie auch einen unschlagbaren Vorteil: Sie ist künstlerisch so unikat, so herausragend, so unverwechselbar, dass kein Kunstfreund sie sich entgehen lassen wird. Schon gar nicht das Belvedere 21 (angesiedelte im einst so genannten „Zwanziger Haus“), wo der Wotruba-Nachlaß ruht und wo man nun, 45 Jahre nach der Einweihung der Kirche, dieser eine Sonderausstellung widmet.

Von Renate Wagner

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Fritz Wotruba    Geboren am 23. April 1907 in Wien, war Fritz Wotruba eine echte „Mischung“ der damals noch existenten Monarchie als Sohn eines Tschechen und einer Ungarin. Sein erlernter Beruf war Graveur, an der Kunstgewerbeschule Wien bildete er sich weiter aus, mit dem Lehrer Anton Hanak hatte er einen Künstler vor sich, der auf dem Gebiet der Skulptur Großes leistete – so wie Wotruba bald selbst. Allerdings zeigte sich schon in seiner Studienzeit, dass ihm Anpassung schwer fiel, und der Verweis von der Kunstgewerbeschule war nicht der einzige Streit, in dem er sich im Lauf seines Lebens verstrickte. Wotruba, dessen harte „Blöcke“ für ihn charakteristisch wurden, die er auf das Erstaunlichste kombinierte, hatte schon erfolgreich ausgestellt, als er sich entschloß, mit seiner jüdischen Frau das Nazireich zu verlassen. Er verbrachte die Kriegsjahre in der Schweiz, kehrte aber sofort, im August 1945, nach Wien zurück, um eine Meisterklasse für Bildhauerei an der Akademie der bildenden Künste zu übernehmen, und er leitete später auch die Galerie Würthle. Wotruba war bestens vernetzt und als überzeugter Sozialist auch politisch hoch aktiv. Mit dem Staatspreis ausgezeichnet, gestaltete er Skulpturen, Reliefs, auch Bühnenbilder. Die Arbeit an dem, was die „Wortruba Kirche“ werden sollte, beschäftigte ihn vom Ende der sechziger Jahre bis zu seinem überraschenden Tod am 28. August 1975, die Kirche wurde erst vierzehn Monate danach eingeweiht.

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Eine Entstehungsgeschichte zum Ersten: Margarethe Ottillinger   Der Fall Margarethe Ottillinger hat im Nachkriegs-Österreich großes Aufsehen erregt, und das zu Recht. Da wurde doch die 28jährige Beamtin 1948 von der Straße weg von den Russen verhaftet, zur amerikanischen Spionin erklärt und verschwand für projektierte 25 Jahre in einem russischen Zwangslager. Sie kam mit dem Staatsvertrag 1955 frei, aber das Erlebnis war körperlich zutiefst erschöpfend und geistig prägend gewesen. Ihr Gelübde, eine Kirche zu spenden, sollte sie die russische Gefangenschaft überleben, hielt sie ein. Damals war noch an eine neue Anlage für ein Karmelitinnenkloster gedacht. Es war Monsignore Otto Mauer, der sie für die Gestaltung an Fritz Wotruba, den Bildhauer, verwies.

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Eine Entstehungsgeschichte zum Zweiten: Fritz Wotruba und Fritz Gerhard Mayr   Skulptur und Architektur, ein Bau aus Quadern, nicht gemauert, sondern zusammen gestellt – das Endergebnis beweist die Möglichkeit des totalen, harmonischen Zusammenklangs. Bis es so weit war, gab es eine Unzahl Schwierigkeiten und Kontroversen, von denen die Ausstellung berichtet. Fritz Gerhard Mayr, von Wotruba als Architekt heran gezogen, weil die ursprünglich geplante Zusammenarbeit mit Roland Rainer (in dessen Pavillon die Ausstellung nun stattfindet…) nicht klappte, erzählte bei der Pressekonferenz von einer weitestgehend harmonischen Zusammenarbeit, aber auch von den Schwierigkeiten, die 135 Figuren in Quadern, Röhren- und Zylinderformen zusammen zu fügen. Zumal man Wotrubas Wunsch, mit Stein zu arbeiten, technisch nicht erfüllen konnte, und auf Beton zurück greifen musste. Dass das Ergebnis entfernt von jeder „Erdenschwere“ ist, gehört zu den Wundern dieses Bauwerks.

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Die Dokumente der Ausstellung   Da im Obergeschoß des Belvedere 21 noch gewaltig und unübersehbar Joseph Beuys „herrscht“, dessen 100. Geburtstag es zu feiern gilt, ist man für die Wotruba-Schau ins Untergeschoß gewandert. Hier konnte man allerdings „kleinteilig“ aus dem Vollen schöpfen, mit Zeichnungen, Entwürfen, plastischen Arbeiten, Plänen, zahlreichen Fotos. Dazu gibt es, wie heute obligat, drei Filmarbeiten zeitgenössischer KünstlerInnen (Thomas Draschan, Aglaia Konrad und Evy Jokhova) über die Kirche, die auch in Modellen sichtbar wird.

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Vom Ärgernis zum Schmuckstück     Es waren andere Zeiten als heute, betonte Kuratorin Gabriele Stöger-Spevak bei der Pressekonferenz, als Kunst noch dermaßen zur Erregung werden konnte, pro und contra, mit heftigen Beschimpfungen, umstritten innerhalb der Kirche, der Politik und unter den Künstlern selbst. Dennoch saßen bei der Eröffnung Bundeskanzler Kreisky und Kirchenfürsten sowie Politiker aller Couleurs friedlich zusammen – mancher von ihnen mag geahnt haben, dass hier ein Bauwerk entstanden war, dass für die Zukunft der Stadt Wien zwischen Barock und Jugendstil bedeutend werden würde. Als eine Kirche, die auch ein Kunstwerk ist, die Skulptur und Architektur verbindet – und die „himmelwärts“ zeigt,

WOTRUBA. HIMMELWÄRTS.
Die Kirche auf dem Georgenberg
Arsenalstraße 1, 1030 Wien (vis a vis des Hauptbahnhofs).
Bis 13. März 2022
Dienstag bis Sonntag 11 bis 18

 

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