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Alle Fotos: Theatersommer Parndorf
WIEN / Altes Rathaus Mauer;
LIEBESGESCHICHTEN UND HEIRATSSACHEN von Johann Nestroy
Eine Produktion des Theatersommers Parndorf 2025
Premiere in Mauer: 28. August 2025
Nestroy vom Blatt
Johann Nestroy hat vier brillante Stücke von Ewigkeitswert geschrieben, den „Talisman“, den „Zerrissenen“, „Lumpazi“ und den „Jux“. Und daneben sehr viele sehr gute. „Liebesgeschichten und Heiratssachen“ ist eines davon und wird entsprechend oft gespielt.
Der Theatersommer Parndorf, seit Jahren in den Händen von Christian Spatzek, zählt zu den festen Bestandteilen des burgenländischen Kultursommers. Und alle Jahre macht man am Ende der Saison einen Abstecher nach Wien – wenn auch in die äußersten Außenbezirke. „Liebesgeschichten und Heiratssachen“ gastierte (brechend voll) im Hof des Alten Rathauses von Mauer und zeigte Nestroy pur.
Das muss man sich heutzutage trauen – Nestroy in historischen Biedermeier-Gewändern, in einem schlichten, schnell zu verwandelnden Pawlatschen-Bühnenbild, ohne die geringste „zusätzliche“ Idee, außer der klugen Behandlung der Musik. Keine Couplets, die immer ein retardierendes Moment sind, höchste Brillanz erfordern und die Nestroy-Macher stets in Verzweiflung stürzen, weil sie die vorhandene Musik der Nestroy-Zeit nicht verwenden wollen, jede neue Komposition sich allerdings meist als verheerend erwiesen hat. Hier sitzt Frizz Fischer im Bühnenhintergrund am Klavier, begleitet die Umbauten, singt gelegentlich auch ein Couplet, ohne es besonders in den Vordergrund zu rücken. Eine Lösung, die nicht nur ökonomisch, sondern für Freilicht auch ideal ist.
Von der Grundhandlung her bieten die „Liebesgeschichten“ das Übliche: Drei junge Männer, dazu zwei junge Mädchen und, wie man früher so unbeschwert gesagt hätte, eine alte Schachtel. Da geht es um echte Liebe und um berechnende, denn bei Nestroy, der so viel vom Leben verstand, spielt das Geld natürlich auch eine große Rolle.
Aber nicht, wie man sich hier mit den üblichen Verwechslungen zu einem Zwei-Drittel-Happyend zubewegt, ist an diesem Stück interessant. Nestroy, der – das kann man sagen – hier fast alle Figuren persönlichkeitsstark ziseliert (da haben sogar die jungen Mädchen Charakter und sind nicht nur Dekoration), hat hier drei Meisterfiguren geschaffen: Florian Fett, ein reich gewordener Fleischhauer, der sich als feiner Herr geben möchte und vom Prestige-Wettbewerb getrieben wird. Der Marchese Vincelli, der von Geburt an ein feiner Herr ist, dies aber in Adelsstolz total überzieht. Und Lucia Distel, alt, aber sehr reich, die sich der Illusion hingeben möchte, ihrer Schönheit und Anmut wegen geliebt zu werden und nicht wegen ihres Geldes… Jede dieser Figuren, so schonungslos Nestroy sie auch ausstellt, wird auch von einem Quentchen von lächerlicher Tragik umweht…
Die Inszenierung von Christian Spatzek, in dem geschickten Bühnenbild von Siegbert Zivny und den Kostümen, die Barbara Langbein nach lebenslanger Theaterarbeit in ihrem Fundus hat, weiß, worauf es bei Nestroy ankommt: Auf sprachliche und szenische Präzision, auf Tempo und Pointen (wobei Spatzek letztere gelegentlich überziehen lässt, auf un-nestroy’sche Art lustig). Dass man bei einer Freilichtaufführung nicht auf Tiefenschärfe arbeiten kann, versteht sich. Dennoch erreichen vor allem die drei zentralen Protagonisten sehr viel.
Es ist unfair zu vergleichen, weil man ideale Interpreten im Kopf hat. Auch wenn er nicht die triefende Wienerische Suada und Ordinärheit bringt und die Dummheit der Figur nicht ganz brtual ausstellt, ist Hermann J. Kogler auf seine Art ein sehr vergnüglicher Florian Fett. Noch komischer gelingt die erschütterte hochherrschaftliche Herrlichkeit, die Kurt Hexmann dem Marchese Vinceilli gibt. Und Dorothea Parton stellt die Lucia Distel zwar nicht so bösartig-scharf aus, wie es möglich wäre, ist aber sehr komisch in den Illusionen, die sie sich macht, in der Empörung, wenn sie begreift, wie man mit ihr umgeht, und sie überzeugt am Ende in der Stärke, dem berechnenden Liebhaber den Laufpass zu geben, statt ihn doch zu nehmen (was manche Frau in ihrer Situation möglicherweise getan hätte).
Die zentrale Rolle des Nebel spielt Thomas Koziol als fröhlichen Schurken. Dass viel mehr und Tieferes, Hintergründigeres in der Figur steckt, müsste man sich für eine im Detail ausgearbeitete Indoor-Produktion aufheben – aber die wird es nie wieder geben. Man muss also dankbar sein, dass eine Aufführung wie diese ehrlich das Stück spielt.
Zappelnde Liebhaber spielen Fabian Spatzek und Florian Schwarz, sympathische junge (und auch ältere) Frauen kommen von Anna Sophie Krenn, Ivana Urban Sissi Gotsbachner und Anna Sagaischek. Erhard Hartmann zeigt, was in einem intriganten Wirten steckt, und Christian Spatzek hat sämtliche noch anfallende Nebenrollen übernommen.
Ein wunderbarer Sommerabend im Freien, ein dankbares Publikum, das immer wieder in Szenenapplaus ausbrach, Nestroy-Spaß, zwar ohne Tiefenschärfe, aber mit Verantwortung dem Dichter gegenüber.
Renate Wagner