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WIEN / Albertina: WILHELM LEIBL

09.02.2020 | Ausstellungen, KRITIKEN

WIEN / Albertina / Pfeilerhalle:
WILHELM LEIBL
GUT SEHEN IST ALLES!
Vom 31. Jänner 2020 bis zum 10. Mai 2020  

„Schön“ allein ist nicht genug!

Kunstfreunde, zumal jene der realistischer Malerei, kannten Wilhelm Leibl natürlich. Aber man hat ihm in der Öffentlichkeit weit weniger Aufmerksamkeit gewidmet als vielen seiner deutschen Zeitgenossen. Lange wurde er nicht ausgestellt. In einer in Kombination erarbeiteten Ausstellung hat man Leibl zuerst im Kunsthaus Zürich gezeigt; nun ist er in die Albertina eingezogen. Die erste große Schau des Künstlers seit Jahrzehnten zeigt, dass die oft schlagwortartige Reduktion auf einen „Bauernmaler“ keinesfalls greift.

Von Heiner Wesemann

Wilhelm Leibl Geboren am 23. Oktober 1844 in Köln als Sohn des dortigen Domkapellmeisters, stellte sich Leibls künstlerisches Talent schon in frühen Jahren heraus. Als Neunzehnjähriger kam er an die renommierte Münchner Akademie, wo er eine klassische Ausbildung erfuhr. Er hätte mit seinem Talent zweifellos ein reicher, berühmter Meister des Historismus werden können und mit seiner besonderen Begabung fürs Porträt auch ein Prominentenmaler. (Die Ausstellung zeigt einige seiner Meisterporträts von Freunden.) Aber seine Intentionen waren ganz andere. Kein Wunder, dass Courbet, der ihn nach Paris einlud, und Van Gogh, der ihn sehr bewunderte, in ihm einen  „Verwandten“ sahen. Obwohl Leibl kein Einsiedler war und der Kreis von Künstlern, der sich um ihn versammelte, nach ihm – „der Leibl-Kreis“ – genannt wurde, zog er sich schon ab Mitte der siebziger Jahre (er war gerade über 30) in verschiedene Orte in Bayern zurück, wo er lebte und die Landbevölkerung malte. Er starb am 4. Dezember 1900 in Würzburg, von den Bayern als einer „ihrer“ wichtigsten Maler anerkannt.

Die Ausstellung     Die Ausstellung ist nicht übergroß, passt mit ihren rund 60 Werken – mehr Graphik als Gemälde – in die „Pfeilerhalle“ der Albertina, die bekanntlich drei Räume umfasst. Eines seiner berühmtesten Werke, „Die Dorfpolitiker“, hängt zentral in dem „Kapelle“ genannten, tiefer gelegenen Seitenraum. Als Leibl das Bild 1878 bei der Weltausstellung in Paris zeigte, erregte es auch Kritik – und doch ist es ein für ihn typisches Meisterwerk. Es zeigt fünf knorrige Männer in einer Bauernstube, zrei beugen sich angestrengt über ein Stück Papier, das ihnen ein Dritter hinhält, zwei weitere sehen ihnen- teils fragend, teils erwartungsvoll –  dabei zu. Blanker, ungeschönter Alltag. Nie hat Leibl seine Menschen „repräsentativ“ ausgestellt. Menschen zu malen, wie sie sind – das war seine Intention. „Bauernmaler“? Nein. Er bediente das „Genre“ nicht. Man wird bei ihm keinen röhrenden Hirsch, keine fesche Tracht, keinen Sonnenuntergang auf Bergesgipfeln finden…

„…schön, das heißt falsch“    Die „Schönheit“, die für viele seiner Zeitgenossen essentiell war, lehnte Leibl geradezu ab, obwohl er sie auch gestaltete, wenn sie ihm unwiderstehlich unterkam wie beispielsweise bei dem „Mädchen mit weißem Kopftuch“ (um 1876/77 entstanden), das auch Plakat und Katalog der Ausstellung ziert. Das mag von ähnlicher Stärke sein wie Vermeers „Mädchen mit dem Perlenohrring“: Man hat Leibl ohnedies oft mit alten Holländern oder alten Deutschen (Holbein zum Beispiel) verglichen.

Gnadenlos gegen sich selbst   Wie kritisch Leibl mit sich selbst umging, sieht man an einem kleinen Bild – eine Frauenhand hält eine rote Nelke. Das ist alles, was von dem intendierten Bild Mädchen mit der Nelke“ (entstanden 1880) übrigen geblieben ist. Als der Künstler meinte, dass ihm das Werk konzeptionell nicht gelingen würde, zerschnitt er es und ließ nur diese Hand übrig – Hände waren ihm wichtig.

Ein Meister der Dunkelheit     Reich ist die Ausstellung an Graphiken, meist Menschen, Gesichter, gelegentlich auch Szenen, oft sehr dunkel gehalten. Niemand setzt sich bei ihm in Positur, er erfasst das Gegenüber wie zufällig, wenngleich in typischen Haltungen und Gesten. Man spürt: Da will ein Künstler nichts aussagen. Er will zeigen. Den Menschen – und was dahinter steht. Eines seiner berühmtesten Zitate lautet schließlich: „Man male den Menschen so wie er ist, da ist die Seele ohnehin dabei.“

Albertina / Pfeilerhalle:
Wilhelm Leibl – Gut sehen ist alles!
Vom 31. Jänner 2020 bis 10. Mai 2020
Täglich von 10 bis 18 Uhr
Mittwoch & Freitag von 10 bis 21 Uhr

 

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