WIEN / Albertina / Basteihalle
VALIE EXPORT
Retrospektive
Vom 23 Juni 2023 bis 1. Oktober 2023
Die vor nichts Angst hatte
Ihr Name stand für Provokation und Schock – damals vor 60, vor 50 Jahren, Heute ist VALIE EXPORT (83) eine lebhafte alte Dame, die viel über die „Happenings“ ihres Lebens zu erzählen weiß, wie und warum ihre teils immer noch aggressiv wirkende Kunst entstand. Vor allem war sie Feministin, als das noch nicht mit Gender-Zwang Hand in Hand ging und „verordnet“ wird, sondern als dies noch erkämpft werden musste. Sie hat sich „aktionistisch“ mit dem Körper auseinander gesetzt, mit den Medien und ihrem Frauenbild, sie ist eine Fotografin der besonderen Art und lieferte verstörende Performances und Installationen. Im weiten Areal des Untergeschoßes hat die Albertina VALIE EXPORT nun eine Retrospektive ausgerichtet, die über ein halbes Jahrhundert moderne Kunst in Österreich umfasst.
Von Renate Wagner
VALIE EXPORT Geboren 1940 in Linz als Waltraud Lehner, besuchte sie die Kunstgewerbeschule Linz umd erwarb – nach einem kurzen Intermezzo als Ehefrau und Mutter – in Wien ein Diplom für Design, Frühe Berufe übte sie in der Welt des Films aus (sie gilt heute als wichtige experimentelle Filmemacherin des Landes), bis sie sich 1967 gänzlich neu erfand. Aus Waltraud wurde Valie, und „Export“ lieh sie sich von der damals bekannten österreichischen Zigarettenmarke Smart. In einem weltberühmt gewordenen signifikanten Foto hat sie sich die Zigarettenmarke für „Valie“ zu eigen gemacht. Dass man VALIE EXPORT immer in Großbuchstaben schreiben sollte, war ihre Forderung an die Mitwelt. Diese bekam von ihr so viele provokante „Aktionen“ zu sehen, dass sie zum Begriff des Bürgerschrecks avancierte, besonders mit den Blick auf die Rolle der Frau in einer in den späten sechziger Jahren und darüber hinaus noch total männerdominierten Gesellschaft. Langsam erkannte man allerdings die Aussagekraft ihrer Werke, sie wurde populär, ausgestellt, preisgekrönt, war Professorin an Hochschulen. Und politisch bis zuletzt – kürzlich erst las man ihren Namen auf dem Manifest von Sarah Wagenknecht und Alice Schwarzer, den Ukraine-Krieg endlich zu beenden.
Das Ich als Modell VALIE EXPORT wurde auch schnell als Person so bekannt, weil sie sich selbst als „weibliches Ich“ für ihre Aktionen in die Schlacht warf. Die von Walter Moser kuratierte, mit 163 Werken all ihrer Genres (neben Fotografie als Schwerpunkt noch Video und Film und Zeichnungen sowie Performances) bestückte Ausstellung umfasst die „ganze“ VALIE EXPORT von ihren anfänglichen Schockeffekten bis zu den letzten Arbeiten vom Ende des 20. Jahrhunderts. Man erinnert an die Aktion, als sie das Publikum aufforderte, ihre in einem „Kasten“ vor sich hergetragenen Brüste zu berühren.
Die Hunde liebenden Wiener hat sie besonders geschockt, als sie die „Hundigkeit“ ausrief und ihren damaligen Partner Peter Weibel, der am Boden kroch, an der Leine durch Wien führte. (Solche Fotos sind bereits Ikonen im Österreichischen Bewusstsein). Und sie schockte mit einer am Schritt offenen Hose, die sie mit einer Maschinenpistole kombinierte. Was sie damit sagen wollte, war immer klar, und es war umso wirkungsvoller (und auch nachhaltiger), als die Welt der sechziger, siebziger Jahre dergleichen so gar nicht sehen und wahrnehmen wollte.
Schwerpunkt Fotografie und Video Die Bilder müssen sich bewegen – VALIE EXPORT erklärte bei der Pressekonferenz zu ihrer Ausstellung, dass es eine „Gegenwart“ nicht gäbe, alles werde in Sekundenschnelle zur Erinnerung. Ein Foto allerdings friert einen Moment ein – aber bei ihr muss alles in Bewegung sein. Die Ausstellung fordert von dem Zuschauer viel Betrachtungsarbeit, lange Fotoserien anzsehen, wobei es meist um die Unterdrückung der Frau geht. VALIE EXPORT hatte vor nichts Angst, sie ist nie vor etwas zurückgeschreckt – nicht vor Körpern und Genitalien (dennoch ist ihre Verbundenheit zu den „männlichen“ Wiener Aktionisten nur eine bedingte), nicht von Zerlegungen und Zerstörungen, die alle der Hinterfragung von Zuständen gelten. Die Ausstellung ist nicht bunt und gefällig, sondern streng, herausfordernd und anspruchsvoll. Dennoch scheint es möglich, dass angesichts des neuen Interesses des Publikums an der Moderne VALIE EXPORT für die Albertina ein „Renner“ werden könnte wie kürzlich Basquiat.
WIEN / Albertina / Basteihalle
VALIE EXPORT
Retrospektive
Vom 23 Juni 2023 bis 1. Oktober 2023
Täglich von 10 bis 18 Uhr, Mittwoch und Freitag bis 21 Uhr