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WIEN / Albertina: STADT UND LAND

29.04.2021 | Ausstellungen, KRITIKEN

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Egon Schiele: Alte Häuser in Krumau  Alle Fotos: Albertina

WIEN / Albertina / Propter Homines Säle:
STADT UND LAND – ZWISCHEN TRAUM UND REALITÄT
Von Anfang Mai 2021 bis 22. August 2021

Stadt und Land –
ein weites Land

Das schnelle Foto von heute bedeutet im allgemeinen nichts weiter. Wer ein Bild zeichnet, aquarelliert, malt, sagt hingegen unendlich viel aus – über sich selbst als Künstler, über die Zeit, in der er lebt, über die Weltanschauung, die er vertritt (oder der er entgegen tritt). Mit den Genres von „Stadt und Land“, also Stadtansichten und Landschaftsbildern, die die Albertina unter dem Titel „Traum und Realität“ zusammen stellt, überspannt die Ausstellung ein halbes Jahrtausend. Und ist damit vor allem auch die Geschichte einer Entwicklung.

Von Heiner Wesemann

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Albrecht Dürer:  Innsbruck von Norden

Die Stadt zwischen Wunschtraum und Alptraum     So, wie Albrecht Dürer um 1495 auf dem Weg nach Italien gewissermaßen im Vorüberreisen den Blick auf die Stadt Innsbruck warf und in einem farblich zarten, geradezu liebevoll gestalteten Aquarell festhielt, gestaltete er einen geradezu idealen Ort, in dem man gerne leben wollte. Vorne der Fluß, im Hintergrund die Berge, stolze Häuser, Türme, Mauern. Wenn ca. 400 Jahre später Alfred Kubin 1900 mit schwarzer Feder eine Schlachthausruine zeichnete, vor der sich ein abgemagerter Wolf einherschleppt, ist man in einer Horrorszenerie gefangen. Zwischendurch hat man Städteansichten aller Art gesehen – eine von Rembrandt meisterlich hingestrichelte Mühle, das Venedig des Canaletto (keine Canal Grande-Ansicht, sondern gewissermaßen friedliche Vorstadt), einen poetischen Blick auf Wien, wie ihn Carl Schütz oder Jakob Alt malten, oder auch die Häuser von Krumau, die Egon Schiele auf diesem Blatt nicht fertig koloriert hat, was ihnen nicht nur etwas Fragmentarisches, sondern auch Schiefes, Zweifelhaftes gibt. Und eine Straße bei Lyonel Feininger – da zerfällt die Stadt, bricht in sich zusammen. Jedes Bild eine Welt für sich, Traum, Realität, Alptraum und Zeichen seiner Epoche.

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Alfred Kubin:  Schlachthausruine

Die Landschaft als weites Land     Auch für das Thema „Landschaft“, das noch ergiebiger ist, steht Dürer am Beginn als einer der Ersten, der sich zum Selbstzweck für Feld und Wald und Wiesen (man sieht auch sein „Großes Rasenstück“, eines der edelsten Besitztümer der Albertina) interessiert hat.

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Altdorfer: Die große Fichte

Landschaft nicht als Hintergrund für Menschendarstellungen, sondern einfach „Die große Fichte“, wie Albrecht Altdorfer sie aquarellierte – das hat mit einer Verherrlichung der Natur zu tun, die sich durch Jahrhunderte zog und stellenweise dann in der kitschigen Übersteigerung landete. Und doch pflegten die großen Meister klischeelos das Genre, von Caspar David Friedrich bis Rudolf von Alt. Und am Ende? Sicher, Emil Nolde schuf noch eine „Wintersonne“ im Turner-Stil, wenn auch intensiver in den Farben, bei Cezanne ist bei aller Abstraktion noch die Idee der Landschaft zu erkennen, aber wenn August Macke postuliert, „Frau mit Krug unter Bäumen“ gemalt zu haben, so sind diese Bäume nur noch ornamentale Formen. Eine Ausstellung wie diese ist für Stilstudien, für das Beobachten von Veränderungen bestens geeignet.

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August Macke: mit Krug unter Bäumen

Und quer durch Europa     Die Ausstellung basiert, pandemiebedingt, einzig auf den Schätzen der Albertina. Man kann ja hier wirklich aus dem Vollen schöpfen. Man konzentriert sich also auf Europa, obwohl gerade die ostasiatische Kunst vor allem zur Landschaftsdarstellung Bedeutendes beizutragen hätte. Aber die Schwerpunkte ergeben sich – sowohl in den Regionen wie den Jahrhunderten. Nach den vorwiegend Deutschen im 16. Jahrhundert blühte die Kunst der Niederländer, bürgerlich, städtisch, ländlich, das zu Recht immer wieder zitierte „Goldene Zeitalter“ ihrer Kunst. Sehnsuchtsland Italien, für die Italiener selbst und für alle, die hierher kamen, um Landschaft, Städte und Ruinen im Licht des Südens zu malen. Die Meisterschaft der Franzosen im 17. und 18. Jahrhundert, wenn sie dann auch im Rokoko zu jenen Übersteigerungen fanden, die die Natur künstlich und die Schönheit obsolet machten. Romantik, Realismus, Auflösung der Formen – die Ausstellung hält an, bevor die wirklich Abstrakten kämen, für die Reales nur noch Behauptung wäre, um sich davon zu entfernen. Die „Modernen“, die ausgestellt werden, vermitteln zumindest noch eine Ahnung von der Realität, die dahinter stand, wenn auch vom Traum, von dem man einst ausgegangen war, nicht mehr viel geblieben ist.

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Emil Nolde: Wintersonne

Albertina:
„Stadt und Land – Zwischen Traum & Realität“
Bis 22. August 2021, täglich 10 bis 18 Uhr

 

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