WIEN / Albertina / Tietze Galleries:
PAUL FLORA
ZEICHNUNGEN
Vom 29. Oktober 2021 bis zum 30. Jänner 2022
Die wunderbare Welt des Paul Flora
Seltsam ist sie, die Welt des Paul Flora, unikat, versponnen, wunderbar, und man liebt sie. Der Tiroler Künstler, der sein außerordentliches künstlerisches Talent ausschließlich der Zeichnung widmete, wurde 1922 geboren. Die Albertina feiert seinen „Hunderter“ voraus – mit einer Retrospektive, die von den frühen Anfängen bis zu seinen letzten Werken führt. Ein Spaziergang durch ein Künstlerleben in Schwarz / Weiß / Grau und allen Schattierungen, die Tusche und Bleistift wundersam hergeben.
Von Renate Wagner
Paul Flora Er wurde am 29. Juni 1922 in Glurns, im Südtiroler Vinschgau, geboren, wo sein Vater Gemeindearzt war. Die Familie zog bald nach Innsbruck um, wo Flora bis zu seinem Tod (er starb 15. Mai 2009) im Schatten der Hungerburg lebte. Seinen Geburtsort hat er nie vergessen und ließ sich dort begraben. Die Stadt Glurns widmet ihm im Tauferer Torturm, der ein Teil der berühmten Stadtmauer ist, eine Dauerausstellung mit 60 Werken und Fotos.
Floras zeichnerisches Talent fiel schon früh auf – die Wiener Ausstellung zeigt ein Blatt des 14jährigen, das schon seinen charakteristischen Strich verrät. Zwanzigjährig ging er nach München an die Kunstakademie. 1944 musste der 22jährige noch in den Krieg. Aber gleich nach dessen Ende, noch 1945, stellte er bereits erstmals aus: Es war in der Schweiz, in Bern, und ein Schweizer Verlag, Diogenes in Zürich, hat sich diesen Paul Flora gesichert. Und dafür gesorgt, dass an die 30 Bücher des Künstlers ihr liebendes und amüsiertes Publikum fanden. Weiteren Ruhm fand er als politischer Karikaturist (diese Sparte spart die Albertina aus und überlässt sie nächstes Jahr dem Karikaturenmuseum in Krems), er war auch als Designer tätig, kurz reizte ihn das Theater (1963 Kleists „Amphitryon“ im Wiener Akademietheater, 1998 Ionescos „Der König stirbt“ im Deutschen Schauspielhaus in Hamburg)., aber seinem ureigensten Talent, der Zeichnung, blieb er ein Leben lang treu. Zuletzt hat ihm das Kunsthistorische Museum zu seinem „Achtziger“ 2002 eine große Ausstellung im Palais Harrach gewidmet. Die Albertina sieht nun chronologisch auf sein Gesamtwerk zurück.
Tusche und Bleistift – und alles ist möglich Die nunmehrige Ausstellung in Wien, die mit 100 Werken auf mehr als 70 Jahre zurück blickt, ist auch stilkritisch ergiebig, zeigte Flora doch, was man mit Tuschfeder und Bleistift alles machen konnte. Vom zartesten Strich, von der hingehauchten Karikatur, bis zum düster schraffierten Nachtbild, bis zum weit ausholenden Schneebild. Er zeichnet witzige kleine Einzelfiguren und massive Stadtansichten. Er experimentierte nicht nur unaufhörlich mit den Inhalten, sondern auch mit der Form, gibt einmal das Gefühl, auf einem japanischen Holzschnitt zu blicken („Verschneite Stadt“), ein anderes Mal, ob sich da nicht (auch in der Gestaltung) Goya oder Kubin in seine Ausstellung geschlichen hätten. Das Spiel mit Licht und Schatten wird, etwa in der „Crime Story 2“ ganz bewusst und virtuos betrieben, wenn der Schein einer Taschenlampe das Fenster einer Häuserzeile in der Nacht trifft. Und immer alle Variationen von Weiß bis Schwarz – nur ganz gelegentlich ein witziger roter Fleck… zum Beispiel, wenn ein vornehmer Hund auf La Giudecca die Schnauze in die Luft streckt…
Raben und Ratten Die Raben gelten als seine Lieblingsvögel, aber es gibt viele Ratten bei Paul Flora (die sind dann eher für das Schaurige zuständig), und Drachen sind auch zu finden, sie setzt er auch in Schrebergärten. Paul Floras eigentümliche Phantasie war unerschöpflich, etwa in seinen Dachlandschaften, wo sich auf Riesengebäuden, die die Menschen schlucken, noch eine Art Eigenleben entwickelt – wo aber die „Alp“ dann auch zum Alptraum wird… Natürlich ist auch manches zu sehen, was als „typisch Flora“ gilt und vermutlich zehntausende Male als Druck verkauft wurde – beispielsweise tirolische Vogelscheuchen.
Venedig Venedig war Floras Stadt, zwei Räume der Ausstellung gelten nur diesen Bildern, die kein Klischee bedienen. Seine Vorliebe, immer wieder auch österreichisch-historisch zu denken, erweist sich witzig, wenn er einen österreichischen Spitzel zu Kaisers Zeiten die verschwörerischen Carbonari belauschen lässt.
Und jedem Musikfreund wird das Herz jubeln, wenn Richard Wagner nicht nur einsam im nächtlichen Venedig herumwandert, sondern auch unter Tags, gefolgt von Franz Liszt und Cosima…
Lachen und Nachdenken Die Mitwelt hat Paul Flora nicht zuletzt auf seine Erkennbarkeit und seine Verkäuflichkeit hin betrachtet. Das Lachen hat er, bei aller Hintergründigkeit, den Betrachtern oft leicht gemacht. Er war der verschmitzte Unterhalter der Nation. Das Melancholische, Düstere läuft aber nicht nur nebenher. Man sollte sich den nachdenklichen, den absurden Paul Flora noch einmal genauer ansehen.
Albertina: Paul Flora. Zeichnungen
Bis zum 30. Jänner 2022
Täglich 10 bis 18 Uhr, Mi und Fr bis 21 Uhr