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WIEN / Albertina Modern: WAYS OF FREEDOM

14.10.2022 | Ausstellungen, KRITIKEN

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WIEN / Albertina Modern:
WAYS OF FREEDOM
JACKSON POLLOCK BIS MARIA LASSNIG
Vom 15. Oktober 2022  bis zum 22. Jänner 2023

Abstraktion macht frei

Natürlich gab es vereinzelt „abstrakte“ Bilder in der Kunstgeschichte, aber zum „Programm“ wurde die „Abstraktion“ erst nach dem Zweiten Weltkrieg – gewissermaßen als Befreiungsschlag. Sowohl gegen eine grundsätzlich gegenständliche Kunstauffassung per se wie auch gegen verordnete Kunst, wie sie im Dritten Reich geherrscht hatte, wie sie aber auch nach dem Krieg noch in der Sowjetunion mit ihrem „Sozialistischen Realismus“ diktatorisch propagiert wurde. Dagegen holten Europa und vor allem die USA zum Befreiungsschlag aus. „Ways of Freedom“ nennt die Albertina Modern demzufolge ihre Ausstellung, die der Abstraktion huldigt und so lebendig wirkt, als wären die Werke nicht schon Jahrzehnte alt.

Von Renate Wagner

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Eine andere Welt – eine andere Kunst    Kriege und totalitäre Systeme würgen nicht nur die Menschen, sie würgen auch die Kunst. Viele moderne Künstler waren während des Krieges aus Europa in die USA emigriert, so dass sich das Zentrum der Kunst von Paris nach New York verlegte. Die Möglichkeit des freien  Schaffens warf die Zwänge ab, Bilder mussten sich nicht mehr an der Realität orientieren, konnten sich frei aus der Lust und wohl auch dem Unterbewusstsein der Künstler entwickeln. Malen konnte zur „Aktion“ werden, und das „Action Painting“ sprang nach dem Krieg auch auf den freien Teil Europas über. Für Klaus Albrecht Schröder ist wichtig, dass die Wiener Ausstellung auch betont, wie sehr die österreichischen Künstler die neue Bewegung aufgenommen haben. Das „Action Painting“ eines Jackson Pollock ging in die Arbeit der Wiener Aktionisten ein. Und österreichische Künstler wie Arnulf Rainer, Hermann Nitsch oder Hans Staudacher finden hier ihren Platz.

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Die großen Namen     Die Wiener Schau, die in Zusammenarbeit mit dem Museum Barberini in Potsdam gestaltet wurde und etwa zu einem Drittel aus eigenen Beständen der Albertina Modern besteht, setzt als werbewirksame Reiznamen jene von Jackson Pollock und Maria Lassnig ein. Damit wird erstens der Bogen zwischen hüben und drüben gespannt, aber auch der weibliche Anteil an der Schau betont. Pollock, der einen eigenen Raum hat, gibt dort auch Platz für seine Gattin Lee Krasner, die endlich nicht mehr nur als ein „Anhängsel“, sondern als eigenständige Künstlerin anerkannt wird – ebenso wie Elaine de Kooning, ungemein kraftvoll in Strich und Farbe, mit ihrer Kunst hinter keinem Mann (bzw. Ehemann) stehen muss.  Zu den international großen Namen, die hier mit „Abstraktionen“ vertreten sind, zählen u.a. Barnett Newman, Robert Motherwell, Morris Louis oder Sam Francis.

Auf Augenhöhe: die Frauen      85 Werke, geschaffen von 33 Künstlern, bestücken die Ausstellung, unter ihnen sind  13 Frauen, wobei der Name von Maria Lassnig der auch international bedeutendste ist. Allerdings beeindrucken von den Europäerinnen noch Soshanna sowie die gebürtige Ungarin Judiit Reigl. Dazu kommen die Amerikanerinnen wie Mary Abbott, Helen Frankenthaler, Joan Mitchell oder Grace Hartigan, und die Frage nach einer spezifisch „weiblichen“ Kunst wird gerade bei abstrakten Gemälden gänzlich obsolet, weil sich „Weiblichkeit“ hier nicht an Themen festmachen lässt.

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Die Vielfalt der Möglichkeiten     Der Reiz der Ausstellung besteht nicht nur in der Wunderwelt der Farben, die dem Betrachter entgegenleuchten, und in den schier unerschöpflichen Möglichkeiten des formalen Zugangs. Ob vereinzelte Striche, ob wilde Flecken, ob undurchdringliches Gewebe oder klare Strukturen, die Handschriften sind zahllos. Gegen den „freien Pinselstrich“ der Abstraktion steht dann ein Mark Rothko mit seinen strengen Flächen. Und abstrakt hin und her – immer wird der Betrachter nach Assoziationen suchen, wird Vogelgefieder zu finden meinen, oder Blumen oder Augen oder gar ein verzerrtes Gesicht (bei Pollock)? Selbst die beiden durch und durch abstrakten Gemälde von Maria Lassnig, die sich in der Ausstellung finden, tragen doch ganz konkrete Titel wie „Harlekin Selbstporträt“ und „Große Knödelfiguration“, was dann dazu verleitet, noch einmal hinzusehen, ob man etwas dergleichen erkennen kann. Eigentlich nicht…

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Groß, größer, am größten    Das charakteristischste Kennzeichen der Ausstellung ist die Größe bis Riesengrlöße der Bilder, von denen viele nicht mehr auf der Staffelei entstanden sind, sondern am Boden – manche auch, wie die„Hommage au Connétable de Bourbon“ von Georges Mathieu bei einer Aktion. Ist Mathieu schon gewaltig mit seinen sechs Metern Breite, übertrifft Markus Prachensky dies mit seinem „Rot auf Weiß“, das nahezu zehn Meter breit ist, noch um einiges.

Als Klaus Albrecht Schröder die einführenden  Worte zur Pressekonferenz hielt, stand er unter einem Gemälde von Helen Frankenthaler, wodurch die Größenverhältnisse klar wurden (zumal der Direktor ein großer Mann ist). Size matters, wie die Amerikaner wissen, und auch die Riesenformate tragen zur überwältigenden Wirkung dieser von Albertina Modern-Direktorin Angela Stief kuratierten  Schau bei, deren Werke so lebendig wirken, als wären sie nicht schon längst, von ihrem Alter her, „historisch“.

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Albertina Modern im Künstlerhaus:
WAYS OF FREEDOM
JACKSON POLLOCK BIS MARIA LASSNIG
Bis 22. Jänner 2023
Täglich 10 bis 18 Uhr

 

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