WIEN / Albertina Modern:
SCHIELE UND DIE FOLGEN
Vom 10. September 2021 bis zum 23. Jänner 2022
Auf der Suche nach dem Ich
Man muss bedenken, dass Egon Schiele ein Zeitgenosse des durchaus „modernen“ Gustav Klimt war, der zwar nie ein Selbstbildnis schuf, aber seine Modelle innerhalb von secessionistischer Ornamentik nach alten Regeln malte: erkennbar und einer gewissen Ästhetik ebenso verpflichtet wie der Realität. Egon Schiele hingegen sah in den Spiegel und erblickte viel mehr als nur sein Gesicht. Er hat das Selbstporträt revolutioniert – und die Ausstellung der ALBERTINA MODEN zeigt nun, wie sehr moderne Künstler hier seinen inneren Vorgaben folgten.
Von Renate Wagner
Egon Schiele Im ersten Raum im Untergeschoß der ALBERTINA MODERN, wo der Direktor eine weitere Möglichkeit hat, Sonderausstellungen zu bieten, geht es um Egon Schiele selbst. Es gibt viele Beispiele für Maler, die immer wieder sich selbst porträtierten (Rembrandt zum Beispiel), aber Schiele war von sich selbst geradezu besessen. An die zwei Dutzend Schiele-Selbstansichten aus eigenen Beständen, darunter das berühmte Bild mit der Pfauenweste, umkreisen das Schiele’sche Ich wie manisch, nicht nur das Gesicht, auch den Körper, die experimentell ausgereizte Bewegung, Verzerrung, unaufhörlich auf der Suche, wie viele Ichs es wohl geben mag. Man kennt die Fotos von Schiele – mit der gleichen Intention hat er sich auch vor die Kamera gestellt, grimassiert, die Hände verbogen. Als zeichnender, malender, kolorierender Schöpfer seines Selbst waren ihm keine Grenzen gesetzt.
Und noch 12 andere Das Selbstporträt ist ein ganz bedeutendes Genre im Kanon der Malerei, und immer schon haben Maler nicht nur konventionelle, sondern auch originelle Zugänge gefunden, sich selbst auf die Leinwand zu bannen (Vermeer etwa, wenn er sich mit dem Rücken zum Betrachter an der Staffelei malt). Die Moderne, hier an zwölf Beispielen vertreten, hat gnadenlose Möglichkeiten erdacht, das eigene Gesicht zu einem Fragezeichen der eigenen Existenz zu machen.
Arnulf Rainer / Georg Baselitz / Jim Dine
Selbstreflexion Arnulf Rainer, dem auch in der Folge ein eigener Raum gewidmet ist, erkannte bei allem, was er übermalte und damit neu erfand: „Was die Übermalungen betrifft, so weiß ich heute endgültig, dass es immer ich bin, der darunter ,schläft‘. Ähnlich drückte es Georg Baselitz aus, der sich mit wilden Strichen umkreist: „Alles, was du wahrnimmst, ist eine Reflexion deiner selbst.“ Dass allein der fragende Gesichtsausdruck schon ein Statement ist, sieht man bei Jim Dine.
Cindy Sherman / Elke Krystufek / Maria Lassnig
Selbstinszenierung Es sind die Frauen, die sich selbst oft „bunt“ und herausfordernd sehen, wofür vor allem Cindy Sherman oft schockhaft ein Beispiel gibt, während VALIE EXPORT in den hier gewählten Werken weniger radikal wirkt. Karin Mack sticht sich zwar Spieße ins Gesicht, aber es bleibt ein hübsches Gesicht, so wie bei Adriana Czernin, die hintergründig in Blüten verschwindet. Mit Eva Schlegel und Elke Krystufek stellen die Frauen die Mehrzahl der ausgewählten Künstler.
Selbstzerstörung Wenige Künstler sind so weit gegangen wie die Wiener Aktionisten, die ihren eigenen Körper zum Kunstwerk geradezu verstümmelt haben. Günter Brus wurde hier ausgewählt, um sein Gesicht als Objekt der Body-Art zu zeigen. Ähnlich gnadenlos geht Maria Lassnig mit ihrer „Body Awareness“ vor, wenn ihre gemalte Empfindung das menschliche Antlitz mit tierischen Assoziationen überzieht. Mit diesen Beispielen der Moderne beweist die von Elisabeth Dutz gestaltete Ausstellung, das sich Künstler von heute von der Verliebtheit in Schönheit verabschiedet haben und mit oft brutaler Gewalt auf der Suche nach ihrem Ich (oder nach den vielen Ichs, die in ihnen wohnen) sind.
WIEN / Albertina Modern:
SCHIELE UND DIE FOLGEN
Vom 10. September 2021 bis zum 23. Jänner 2022
Täglich von 10 bis 18 Uhr