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WIEN / Albertina: MICHELANGELO UND DIE FOLGEN

15.09.2023 | Ausstellungen, KRITIKEN

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WIEN / Albertina / Propter Homines Halle:
MICHELANGELO UND DIE FOLGEN
Vom 15. September 2023 bis zum 14. Jänner 2024.

Von der Vollendung
bis zum Zerfall

Zu Beginn die meisterlichen Studien, die Michelangelo dem männlichen Körper widmete, ideale Kraft und Energie ausstrahlend. Am Ende Schiele, nahezu skelettiert, nahezu verkrüppelt. Die Geschichte des Männeraktes durch nahezu fünf Jahrhunderte. Die Albertina setzt in der Ausstellung „Michelangelo und die Folgen“ hier Schwerpunkte in der Kunstgeschichte, worin sich auch das wandelnde Weltbild spiegelt. Großteils aus eigenen Beständen gestaltet, mit einigen kostbaren Leihgaben, dazu Gipsabgüsse von Michelangelos und antiken Skulpturen, bieten 139 Werke einen großen Überblick.

Von Renate Wagner

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Michelangelo Buonarotti    Er ist einer der Größten in der Welt der Kunst, jener Mann, der die Sixtinische Kapelle ausmalte und unvergleichliche Werke der Bildhauerkunst schuf: Michelangelo Buonarotti (1475 -.1564). Er war auch Architekt, er war Dichter – und ein großer Zeichner. Die Albertina besitzt acht Originale von ihm, was nicht zuletzt dem Interesse geschuldet ist, das Sammler Albert von Sachsen-Teschen am männlichen Akt nahm. Michelangelo, der antiken Idealen ebenso folgte wie der naturwissenschaftlichen Betrachtung des Menschen,   „experimentierte“ geradezu mit schwarzer Kreide oder Rötel mit den Bewegungen des männlichen Körpers, ließ aus Muskeln und Sehnen die Kraft spüren, die hier verkörpert werden sollte – kein Wunder, dass seine Nachahmer (und der von ihm geschaffene „Kanon“ hielt Jahrhunderte einen Halbgott wie Herkules als ideales männliches Vorbild nahmen. Ein Faktum, das die Albertina-Ausstellung durchaus hinterfragt, besteht darin, dass Michelangelo ausschließlich mit männlichen Modellen arbeitete – galt es später Frauenkörper zu malen, basierten auch diese darauf (ergänzt um weibliche Attribute).

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Davor – Dürer und die anderen   Die Albertina-Ausstellung stellte sich die Aufgabe, die Entwicklung des Männeraktes über ein halbes Jahrtausend nachzuzeichnen, wobei auch die Vorgänger beachtet werden. Fand Michelangelo bei den italienischen Landsleuten durchaus Werke, die er akzeptieren konnte, so lehnte er den Zugang Albrecht Dürers, dessen Werke er kannte, zur „Körperfrage“ ab. Die Albertina gibt dem Deutschen einen ganzen Raum, damit der Betrachter studieren kann, wie sehr Dürers Nackte von theoretischen Überlegungen geprägt sind, wodurch Michelangelo fehlende Bewegung und Lebendigkeit konstatierte.

Danach – der „Anti“ und der „Reloaded“    Wenn es um nackte Körper ging, kam niemand an der Auseinandersetzung mit Michelangelo vorbei, nicht nur die Italiener (mit Beispielen von Raffael), sondern natürlich auch die Niederländer. Bekannte sich Peter Paul Rubens durchaus zum Ideal des Vorgängers, so galt Rembrandt, dem Ideale nie den Blick für die Wirklichkeit verstellten, geradezu als der „Anti-Michelangelo“.

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Ein zentrales Beispiel für seinen nüchternen Blick ist die „Nackte Frau auf einem Erdhügel“, die gleichsam den brutalen Abschied jeder idealistischen Betrachtung des Körpers darstellt.

Von der Parodie über die Bewunderung bis zum Abgesang Wenn sich die Albertina-Ausstellung nun auch nackten Frauenbildnissen zuwendet, so geht es dennoch immer um das künstlerische Menschenbild. Jedes Zeitalter hatte seinen eigenen Michelangelo. Rezipierte ihn gewssermaßen nach Wunsch – der Manierismus verzerrte die Schönheit lustvoll, der Klassizismus entdeckte sie wieder, und wenn  man im letzten Saal bei Klimt und Schiele angelangt ist, eine Jahrhundertwende, die nun fünf Jahrhunderte von den um 1500 geprägten Idealen Michelangelos trennte, so zeigt nichts deutlicher als die Fragilität der Werke dieser Künstler, wie sehr die Welt im Lauf ihrer Geschichte von jeglichen Idealismus abgekommen war.

Albertina:
MICHELANGELO UND DIE FOLGEN
Vom 15. September 2023 bis zum 14. Jänner 2024.
Täglich | 10 bis 18 Uhr
Mittwoch & Freitag | 10 bis 21 Uhr

 

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