Fotos: Wesemann
WIEN / Albertina / Tietze Galleries for Prints and Drawings:
MEISTERWERKE DER ARCHITEKTURZEICHNUNG
Vom 15. Dezember 2017 bis 25. Februar 2018
Ob gebaut oder nicht…
Eine Architekturzeichnung ist ein zweckgebundenes Stück Arbeitsmaterial: Von der ersten Skizze über Grundriß, Aufriß, Perspektive, dient sie nur dazu, dass aus einer Idee im Kopf des Künstlers am Ende ein dreidimensionales Gebäude wird. Wenn dieses Ziel erreicht ist, könnte man die Skizzen eigentlich wegwerfen. Was in vielen Fällen eine Katastrophe wäre. Die Albertina beweist es mit einer Ausstellung über Meisterwerke der Architekturzeichnung, wo eine Kostbarkeit die andere jagt…
Von Heiner Wesemann
Das nie realisierte Museum Unter den vielen Spezialsammlungen der Albertina nehmen die Architekturzeichnungen einen besonderen Rang ein, nicht nur wegen ihres Umfangs von an die 40.000 Exponaten. Als die künstlerischen Besitztümer der Habsburger nach dem Ersten Weltkrieg an die Institutionen der Republik verteilt wurden, hat man gerade in der Albertina ein „Architekturmuseum“ ins Auge gefasst, stammte doch ein Großteil der Werke aus dem Besitz von Herzog Albrecht von Sachsen-Teschen. Das eigene Museum kam nicht zustande, aber die Sammlung wuchs, basierend auf Meisterwerken von Bernini oder Borromini (dieser wurde von Philipp Baron von Stosch im 18. Jahrhundert gesammelt). Schon damals hatte man Entwurfszeichnungen der Ringstraßen-Architekten (Semper, Hasenauer, Hansen) im Besitz, zusätzlich zu den „Modernen“ (Otto Wagner, Adolf Loos). Später wuchs die Sammlung nicht nur in Bezug auf die Österreicher (Holzmeister, Hollein), sondern bis in die jüngste Zeit (Zaha Hadid). Dass die Albertina die Nachlässe von Adolf Loos, Josef Frank, Clemens Holzmeister u.a. besitzt, stellte eine besondere Stärkung der Sammlung dar.
Paul Wilhelm Eduard Sprenger, Entwurf für eine Exerzier- und Industrie-Ausstellungshalle in Wien
Zwei Ausstellungen nötig Um hier auch nur einen Überblick liefern zu können, bietet die Albertina (die diese Ausstellung schon erfolgreich nach Berlin geschickt hat) nun – kuratiert von dem Leiter der Architektursammlung der Albertina, Christian Benedik – den ersten Teil der „Meisterwerke der Architekturzeichnung aus der Albertina“. Der zweite Teil der Ausstellung, für Juni 2018 in Aussicht genommen, wird sich mit u.a. mit Gärten, Denkmälern, Theaterbauten befassen.
Die Funktion der Skizze Die Ausstellung ist didaktisch aufgebaut, sie führt durch die Genres. Am Beginn muss die Ideenskizze stehen, der dann „Faktisches“ folgt: der Grundriß, der Querschnitt, der die „Geometrie“ eines Gebäudes erläutert, die Frontalansicht und die Perspektivansicht, die dann das Gefühl der Dreidimensionalität geben soll. Zu all dem sind meisterliche Beispiele aus verschiedenen Epochen vorhanden. Einzelaspekte der Betrachtung gelten auch Kuppeln, Türmen oder der Farbe in der Architektur.
Theophil Hansen, Entwurf für das Abgeordnetenhaus
Was man alles bauen kann – oder nicht Von den realen Bauwerken, die geplant wurden, zeigt die Ausstellung Brücken und Brunnen, aufwendige Residenzen und private Villen oder Gartengebäude. Ein Schwerpunkt wird selbstverständlich bei den Gebäuden der Wiener Ringstraße gesetzt, wo sich schnell herausstellt, dass bei weitem nicht alles, was hier geplant und schon auf dem Papier sorglich ausgeführt wurde, auch wirklich gebaut wurde. So hat Theophil Hansen 1865 den Entwurf für ein Abgeordnetenhaus geschaffen, mit den für ihn typischen griechischen Elementen. Dann hat Kaiser Franz Joseph beschlossen, das Herrenhaus und Abgeordnetenhaus zusammen zu legen, und Hansen übernahm Elemente seines Entwurfs für das Parlament, wie wir es heute kennen. Andere, aufwendige Projekte wurden nicht realisiert: Man lebte in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts in einer Zeit technischen Aufbruchs, man hatte Metall und Glas als Bauträger entdeckt, die Architekten planten opulent. Aber eine riesige Exerzier-, Industrie- und Ausstellungshalle, wie Paul Eduard Sprenger sie 1853 entwarf und die als monumentaler gewölbter Hallenbau auf der Schmelz gedacht war, kam nicht zur Ausführung. Kleineres, wie etwa die Bahnstation für Kaiser Franz Joseph in Hietzing, von Joseph Olbrich für das Büro Otto Wagners konzipiert, hatte da bessere Chancen: Bloß dass der Kaiser „seinen“ privaten Bahnhof gerade zweimal genutzt hat, dagegen konnte man nichts tun – aber als Baujuwel steht er noch heute, so wie die Skizze ein Juwel des Genres Architekturzeichnung ist.
Otto Wagner, Entwurf für den Umbau der Kapuzinergruft
So sollte die Kapuzinergruft aussehen Nach dem Tod von Kaiserin Elisabeth plante Otto Wagner, ein leidenschaftlicher Monarchist, für die (bis heute) schlichte Kapuzinergruft einen gewaltigen Umbau: Die Skizze der Fassade lässt ahnen, welch gewaltiges Tor mit Kuppel, dazu seitlichen Türmen und einer Postsparkassen-ähnlichen Fassade hier die Grablege der Habsburger optisch aufgewertet hätte. Wieder eines von vielen Projekten, die nicht verwirklicht wurden – wie etwa auch die Kirchenbauten von Clemens Holzmeister in Brasilien, auf dem Papier prächtig anzusehen, nie Realität geworden.
Clemens Holzmeister, Kathedrala für Rio de Janeiro
Kunstwerke an sich Bedenkt man, dass hier in den Räumen der Tietze Galleries for Prints and Drawings „Arbeitsblätter“ ausgestellt sind, so steht der künstlerische Wert von jedem einzelnen Werk nicht in Frage. Abgesehen vom Bezug zur jeweiligen Realität, in der die Werke entstanden, spiegeln sie künstlerische wie gesellschaftliche Aspekte. Der großartige Katalog bildet die Werke im Breitformat ab und gibt auch schon einen Vorgeschmack auf den zweiten Teil der Ausstellung.
Bis 25. Februar 2018, täglich 10 bis 18 Uhr,
Achtung, zweimal abends länger geöffnet!
Mittwoch und Freitag bis 21 Uhr