Alle Fotos, in der Ausstellung aufgenommen, Renate Wagner
WIEN / Albertina / Pfeilerhalle:
MARTHA JUNGWIRTH
Vom 2. März 2018 bis zum 3. Juni 2018
Die Künstlerin und ihre Wirklichkeit
Keine Frage, dass diese Ausstellung von Martha Jungwirth ein persönliches Anliegen von Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder war – und nicht nur die Ausstellung. Als Mitglied der Jury für den Kokoschka-Preis war er es, der ihren Namen vorschlug – und kann stolz sagen, dass der Preis in der kürzesten Sitzung je dieser Künstlerin zuerkannt wurde. Die Ausstellungseröffnung am 1. März in der Pfeilerhalle (wo sonst das Thema Fotografie herrscht, aber man die „Großformate“ von Martha Jungwirth am besten positioniert fand) soll nun ein verspätetes Geburtstagsgeschenk für die heuer 78jährige Künstlerin sein.
Von Renate Wagner
Martha Jungwirth Geboren am 15. Jänner 1940 in Wien, wusste Martha Jungwirth seit ihrer Kindheit, dass sie Malerin werden wollte. Sie kam schon 16jährig an die Hochschule für angewandte Kunst Wien, wo sie bis 1963 studierte und später zehn Jahre lang auch als Professorin tätig war. Sie fiel mit anderen modernen Zeitgenossen 1968 in der von Otto Breicha gestalteten Secessions-Ausstellung „Wirklichkeiten“ auf, nahm 1977 an der documenta in Kassel teil. 1969 heiratete sie den Kunsthistoriker Alfred Schmeller, später bekannter Direktor des „20er Hauses“. Martha Jungwirth ist viel gereist und hat ihre Eindrücke in ihren Aquarellen – ihre bevorzugte Art, sich künstlerisch auszudrücken – verarbeitet. Es sei ihr, meinte Klaus Albrecht Schröder, nicht immer genügend Aufmerksamkeit entgegen gebracht worden. Immerhin haben große Kunstpreise und österreichische Staatspreise ihren Weg begleitet. 2010 gab man ihr im Essl-Museum einen eigenen Saal in einer Ausstellung, 2014 veranstaltete die Kunsthalle Krems eine große Retrospektive, nun würdigt die Albertina die Künstlerin.
Der Kokoschka-Preis Der mit 20.000 Euro dotierte Kokoschka-Preis 2018, der Martha Jungwirth auf Vorschlag von Klaus Albrecht Schröder verliehen wird, ist mit folgender Begründung versehen: „Ihre künstlerische Arbeit bewegt sich in einem spannenden, oszillierenden Verhältnis zwischen Abstraktion und Gegenständlichkeit, ihre Wahrnehmung der Wirklichkeit spiegelt sich in ihren malerischen Kompositionen einzigartig wider. (…) Durch ihren Umgang mit der Farbe, pointiert gesetzten Farbtupfern und verschwimmenden Flächen, spürte Martha Jungwirth der Erinnerung von Gegenständlichkeiten nach. Sie setzte mit ihren virtuosen, kraftvollen und doch sensiblen Arbeiten wichtige Beiträge und Impulse in der Malerei. Im internationalen Kunstkontext wurde und wird Martha Jungwirth stärker wahrgenommen als in Österreich, wo sie arbeitet und lebt.“
Im Anfang ist die Farbe Kuratorin Dr. Antonia Hoerschelmann hat in rund 50, meist großformatigen Arbeiten das Werk von Martha Jungwirth in zeitlichem Umfang präsentiert, Bilder aus den Anfängen (wo noch Technik-Motive aufleuchten) bis zu den jüngsten Arbeiten der letzten Jahre, die noch niemand zuvor gesehen hat (einige von den Unruhen in der Türkei inspiriert). Auch gibt es Werkgruppen wie „Spittelauer Lände“ oder „Bali“ – und auch sonst kann man in den Titeln Hinweise auf exakte Vorbilder finden. „Ich brauche immer einen realen Ausgangspunkt, den ich verwandeln kann“, sagt sie selbst. Um hinzuzufügen: „Die Motive sind dabei ganz peripher, ich will ja nicht abbilden.“ Aus der realen Wirklichkeit wird ihre Wirklichkeit. Auch nicht nur mit dem Pinsel, sondern mit dem ganzen Körper, nicht an der Staffelei, sondern wo immer sie es hinzieht, den Tisch, den Boden. Nicht der Intellekt bestimmt, sondern der Instinkt. Und was spontan entsteht, wird nicht mehr korrigiert. Wenn die Farbe über den Blattrand läuft – macht nichts, auch das gehört bei Martha Jungwirth dazu.
Ratespiele nützen nichts Darum muss man – mit ganz wenigen Ausnahmen, etwa einem Selbstporträt, das einen Kopf erkennen lässt – ihr Werk in die Welt der Abstraktion verweisen. Ratespiele nützen nichts, Titel helfen nichts (und „ohne Titel“ ist so gut wie jeder andere), am Ende sind es vor allem die Farben, dann die Formen ihrer Aquarelle, mit denen Martha Jungwirth die Betrachter entzückt. Da sie selbst ohne theoretisches Konzept an die Arbeit geht, wäre ihr vermutlich recht, wenn man sich gänzlich vorurteilslos auf ihre Bilder einlässt – und sie genießt. Ohne um Erklärungen oder Einordnungen bemüht zu sein.
Albertina / Pfeilerhalle:
MARTHA JUNGEWIRTH
Bis zum 3. Juni 2018
täglich 10 bis 18 Uhr, Mi und Fr bis 21 Uhr