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WIEN / Albertina: HUBERT SCHEIBL

03.09.2021 | Ausstellungen, KRITIKEN

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WIEN / Albertina /  Pfeilerhalle:
 HUBERT SCHEIBL
SEEDS OF TIME
Vom 31. August 2021 bis zum 5. Dezember 2021  

Danke, lieber Lockdown!

Kann man sagen, dass Künstler die Pandemie und die damit verbundenen „Lockdowns“ am besten überstanden haben, weil ihre Arbeit jedenfalls Einsamkeit erfordert? Die Früchte dessen, was sich so negativ auf das allgemeine Leben ausgewirkt hat, tauchen nach und nach auf – Bücher (Romane, Sachbücher), Filme, viele CDs und Werke der bildenden Kunst. Der aus Oberösterreich gebürtige Hubert Scheibl ist in der Einsamkeit in phantastische Farb- und Ideenwelten abgetaucht, die nun in der Albertina unter dem Titel „Seeds of Time“ zu sehen sind.

Von Renate Wagner

Hubert Scheibl     Geboren am 15. April 1952 in Gmunden, studierte der Oberösterreicher in Wien an der Akademie bei Meistern wie Max Weiler (an den manches in seinem Werk gelegentlich erinnert) und Arnulf Rainer. Als in den achtziger Jahren die Bewegung der „Neuen Wilden“ aufkam, die mit absoluter Unbekümmertheit über alle Konventionen „hinwegmalten“, zählte Scheibl neben Kollegen wie Anzinger, Bohatsch, Brandl, Damisch oder Schmalix zu dieser Gruppe. Er war an großen Kunstausstellungen beteiligt, seine Werke wurden zu Gruppenthemen herangezogen, waren aber immer wieder auch in Einzelpräsentationen zu sehen (zuletzt 2016 im Belvedere). Im Gegensatz zu vielen Kollegen, die immer noch an einem Rest von „Gegenständlichkeit“ festhielten, hat er sich der Abstraktion verschrieben.

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Die Pandemie     36 Werke zeigt die Albertina in der Pfeilerhalle, einige wenige ältere, die meisten ganz neuen Datums. Es sind vorwiegende die großformatigen Gemälde, die durch ihre Farbigkeit und durch ihre geradezu geheimnisvolle Ausstrahlung „Eye Catcher“ sind, aber auch kleine Skulpturen, die man fast als „Objekte“ bezeichnen möchte, bestehen sie doch vielfach aus kunstvoll verarbeiteten und gestalteten Papier (manchmal sind auch Holz und Wurzeln dabei). Und die meisten dieser Werke sind während der „Abgeschiedenheit der Pandemie“ entstanden, wo der Künstler, an sich ein leidenschaftlicher Reisender, seine Eindrücke aus sich selbst nehmen musste. Oder, wie er sagt, auf der Suche nach der „Evolution der kleinsten Lebensbausteine, von Zellen, Viren und Bakterien“ in der Natur. Kuratorin Antonia Hoerschelmann hat die Werke sehr geschmackvoll und im Zusammenhang sinnvoll auf die drei Räume verteilt, so dass sie zu voller Geltung kommen.

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Die Herausforderung an den Betrachter   Hubert Scheibl macht es dem Betrachter nicht leicht bei der Sinnsuche, denn so wie er nach seinen Impressionen vorgeht, die erst im nachhinein verbal fixiert werden, kann man sich ohne „Inhalt“ meditativ in die Bilder versenken, wie es vom Schöpfer auch vorgesehen ist. Man gewinnt starke Stimmungen aus den Farben heraus, die ihre Leuchtkraft oft daraus beziehen, dass viele Farbschichten übereinander aufgetragen wurden. Aber man kann auch Rätseln nachgehen, die durch die Titel der Werke angerissen werden: „Steps of Evolution“ bietet zarte Striche auf hellem Untergrund, seltsame „Straßen“, die durch undeutbare Linien gelegt werden, die dann wieder in Kleckse aller Art müden, die an Ur-Schöpfung gemahnen… während in „Euglena“ die Farben geradezu explodieren und man sich überlegt, ob man in der Mitte des Bildes nicht doch einen weißen Tierkopf mit Augen und Schnauze ausnimmt? Oder ein „Cage Painting“, wo man notgedrungen versucht, ob die vertikalen Striche vor dunklem Hintergrund eine Art von Käfig ahnen lassen – oder ob es „nur“ Natur ist, die da wuchert. Jedenfalls ist es hier das Herauskratzen von Linien, das neben dem Auftragen von Farbe steht und zum Vexierhaften des Gesamteindrucks beiträgt. Und unter dem Titel „Kalben“ vermag man sogar tatsächlich  etwas zu erkennen – da treibt offenbar ein riesiger Eisblock wie ein  Schiff im Wasser, das dünkler ist und sogar Wellen zeigt, im Gegensatz zum blassen, monochromen Himmel. So gibt es Entdeckungen von Bild zu  Bild.

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„Talking Heads“     Die meisten der figuralen Kleinplastiken figurieren unter dem Sammeltitel „Talking Heads“, aber es gibt auch „Captain Claviceps“ (das Wurzel-Gebilde) oder „Hard 2 B“. Pure Ironie oder auf der Suche nach der Natur? Vermutlich beides, denn – wie gesagt – das Feld der Interpretation ist weit. Grundsätzlich kann man zu Scheibls Werken sagen, dass sie lustvoll zu betrachten sind, ohne sich je oberflächlich an den Betrachter heran zu machen.

Albertina / Pfeilerhalle:
Hubert Scheibl „Seeds of Time“
Bis  5. Dezember 2021, täglich 10 bis 18 Uhr

 

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