WIEN / Albertina / Propter Homines Halle:
GÖTTER, HELDEN UND VERRÄTER
DAS HISTORIENBILD UM 1800
Von 2. Juni 2023 bis zum 27. August 2023
Als das Pathos
noch schön war
Es ist ein dramatischer Titel für eine Ausstellung, die keine Geringeren als Götter und Helden und noch dazu Verbrecher beschwört – eine überdimensionale Welt, ein Blick zurück auf die Antike. Diese war zwar schon von der Renaissance wieder entdeckt worden, aber in der bildenden Kunst kam sie Ende des 18. Jahrhunderts noch einmal an, als der „Klassizismus“ explodierte und im damals höchst geschätzten „Historienbild“ seinen Ausdruck fand. 74 exquisite Werke der Graphik hat die Albertina nun aus ihren eigenen Beständen zusammen gestellt und führt in andere Welten – in jeder Hinsicht, geistesgeschichtlich ebenso wie kunsthistorisch.
Von Renate Wagner
Klassizismus: Moral und Bildung Mit der Aufklärung kam der Klassizismus. Der Glaube, dass der Mensch zu „verbessern“ sei, gründete sich auf moralische Grundsätze und auf höhere Bildung. Beides fand man in der Antike, bei den griechischen Göttern und Helden, in der Römischen Geschichte, gelegentlich auch noch bei der Bibel oder bei Tasso („Das befreite Jerusalem“). Wenn man nun Szenen aus dem überreichen literarischen und historischen Kosmos festhielt, ergab sich neben dem künstlerischen noch ein doppelter Mehrwert: So gut wie immer war eine „moralisch“ belehrende Botschaft aus dem Gezeigten zu entnehmen – und es bedurfte profunder Bildung, um das zu erkennen, was das „Historienbild“, das damals enormen Aufschwung nahm, erzählte. Man wollte und musste im Detail wissen, wer die Götter waren, welche Abenteuer die Helden erlitten, wie viel Unrecht gequälten Frauen geschah, welch dramatische Szenen sich in der Geschichte abspielten.
Unnützes Wissen? Albertina-Direktor Klaus Albrecht Schröder ist stolz darauf, mit 74 hochkarätigen, meist für Graphiken überdurchschnittlich großen Blättern wieder eine Ausstellung aus eigenen Beständen anbieten zu können. Allerdings räumte er bei der Pressekonferenz ein, dass das damalige Wissen um die Antike nicht nur verloren gegangen ist, sondern dass man es heutzutage großteils nicht mehr für relevant hält. Ebenso wenig zählen Tapferkeit und Edelmut, die sich in dramatischen Gesten der Bilder spiegeln – kurz, das Pathos, das aus vielen dieser Werke spricht. Die allerdings bei näherer Betrachtung durchaus nicht immer „konventionell“ anmuten – da ist mit Kreide, Rötel, Pinsel manches künstlerisch Kühne zu sehen. Man muss nur, wie gesagt, genau hinsehen, denn es gibt ganz, ganz wenige Werke in Farbe (am größten: „Die Sintflut“ , ein Aquarell von Joseph Anton Koch), die meisten ermangeln der scharfen Kontraste etwa von Gemälden. Der Wert der Ausstellung ist auf zwei Ebenen zu suchen – natürlich die künstlerische Ausgestaltung, aber auch die Prüfung, wie viele der gezeigten Szenen einem als historisches Wissen vertraut sind. Dabei dankte Schröder der Kuratorin Mag. Julia Zaunbauer besonders, die viele Bilder, die mit einer allgemeinen Bezeichnung („Römische Szene“) im Archiv der Albertina ruhten, tatsächlich von der Handlung her identifiziert hat Dazu wird den Besuchern in kurzen Texten an der Wand prägnante Hilfsstellung über die diversen Themen gegeben. Das Signetbild der Ausstellung, „Das Menschengeschlecht vom Elemente des Wassers bedroht“, ein rein symbolisches Bild von Robert von Langer, wurde möglicherweise seines „ökologischen“ Hintergrundes wegen gewählt…
Albert und Marie Christine Herzog Albert von Sachsen-Teschen und seine Gattin, Erzherzogin Marie Christine, waren nicht nur ein verbürgtes Liebespaar, sie fanden sich auch intellektuell auf einer Ebene, in ihren Interessen für Kunst, Literatur und Wissenschaft. So schenkte Albert einmal der Gattin die Werke von Johann Joachim Winckelmann, dessen Ausgrabungen und Forschungen in Italien damals das Interesse an der Antike noch befeuerten, Marie Christine schenkte dem Gatten die Werke von Kant, und man kann davon ausgehen, dass sie beide gelesen haben, was damals wichtig war. (Kein Internet, aus dem man sich ein paar oberflächliche Wissensbrocken zusammen klicken kann…) Gegen Ende seines Lebens hat Herzog Albert zunehmend „Historienbilder“ gesammelt, die darum in der Albertina in so reichem Ausmaß vorhanden sind. In seinen Wiener Jahren fällt auf, dass er ehr und mehr die Werke der damaligen Zeitgenossen erwarb. Dass er der „besten aller Gattinnen“ von Antonio Canova in der Augustinerkirche ein Grabmal schaffen ließ, das in seiner Schlichtheit der Inbegriff des edlen, klaren, eleganten Klassizismus ist, war sicher im Sinn der Gattin. In der Ausstellung ist es in einer Pinselzeichnung von Domenico del Frate zu sehen.
Gesucht und unverhofft gefunden Es gab ein Werk des Klassizismus, das Jahrhunderte lang von der Wissenschaft gesucht wurde – „Die Kämpfe des Diomedes“ voi Jacques-Louis David, dem großen Maler der Napoleon-Ära. Man fand es erst in der Albertina, als klar wurde, dass es sich nicht, wie angenommen, um ein Gemälde handelte, sondern um eine Feder / Pinsel / Kreidezeichnung, knapp zwei Meter mal einen Meter, gleich zu Beginn der Ausstellung zu sehen. Es ist eine ungemein bewegte Kriegsdarstellung aus der „Ilias“ (tatsächlich so etwas wie ein Gemetzel) und hätte sich auch als Gemälde gut gemacht. Hier steht es für die ausgefeilte Kunst der Graphik.
Götter und Menschen Man nähert sich dieser Ausstellung am besten von Seiten der Themen. Die Künstler kannten keine Grenzen – sie stellten gleich drei oberste Götter auf ein Bild („Jupiter, Neptun und Pluto“ von Heinrich Friedrich Füger), Herkules und Apollo (letzterer bei Antonio Casanova, dem Bruder des berühmten Giacomo) sind vielfach unterwegs, aber man widmete sich auch den Menschen: So wird Homer gezeigt, wie er eine Ode vorträgt (Füger), aber Sokrates stirbt (Josef Abel), so wie man der Ermordung Caesars zusieht (Füger). Auch die erdachten Figuren der Dichtung erscheinen, etwa dämonisch der Seher Teiresias (Johann Heinrich Füssli).
Aus der Geschichte und der Bibel Auch Ereignisse der Geschichte waren Gegenstand des Historienbilds – der Triumph des Arminius, als seine Soldaten die Truppen des Varus besiegt hatten (Abel), oder die Gallier in Rom, ein Ereignis, das man fast vergessen hat (Johann Nepomuk Ender). Eine Vorliebe für orientalische Sujets zeigte Joseph Fischer , der das (historische) „Alexanderfest“ ebenso schilderte wie die sagenhafte Königin Semiramis. Nicht besonders scheinen biblische Themen den Sammler Herzog Albert interessiert zu haben, immerhin finden sich Adam und Eva (Füger), Joseph (Anton Raphael Mengs) und besagte Sintflut von Koch.
Die Frauen als Opfer und Malerinnen Die römische Geschichte ist reich an Frauen, die in den Tod gingen, meist aus Schuld der Männer – die Schicksale von Verginia und Lucrezia, immer wieder gestaltet, oder der Vestalin Julia (Abel) waren moralische Erzählungen erster Ordnung. Im letzten Raum finden sich auch Werke von Angelika Kauffmann: Sie hat sich Tassos „Befreites Jerusalem“ vorgenommen und Tancredi und Clorinda in den Mittelpunkt der hier gezeigten Zeichnungen gestellt.
Die Künstler Da die Ausstellung nach Themenschwerpunkten gegliedert ist, findet man viele Künstler in verschiedenen Räumen. Ein Schwerpunkt liegt auf dem Deutschen Heinrich Friedrich Füger (1751-1818), der in Wien als Porträtist bekannt war, bevor er die Gelegenheit erhielt, nach Rom zu reisen, wo er mit Anton Raphael Mengs (auch prominent in der Ausstellung vertreten) zusammen traf. Wieder in Wien, wurde Füger Direktor der Akademie und führte den Klassizismus hier ein. Auch ein besonderer Künstler war Heinrich Füssli (1741-1825), dessen Schwerpunkt auf Dichtungen und antiken Mythen (und Hintergründigem) lag. Bemerkenswert groß ist der Anteil österreichischer Künstler.
WIEN / Albertina / Propter Homines Halle:
GÖTTER, HELDEN UND VERRÄTER
DAS HISTORIENBILD UM 1800
Von 2. Juni 2023 bis zum 27. August 2023
Täglich von 10 bis 18 Uhr
Mittwoch & Freitag | 10 bis 21 Uhr