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WIEN / Albertina: GEORG BASELITZ

09.06.2023 | Ausstellungen, KRITIKEN

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WIEN / Albertina / Tietze Galerie:
GEORG BASELITZ 
100 ZEICHNUNGEN
Vom 7. Juni 2023 bis zum 17. September 2023

Kopfüber in die Kunstgeschichte gestürzt…

Eine überaus großzügige Schenkung und ein hoher Geburtstag; der 85., kamen zusammen, dass Georg Baselitz nun – noch immer prominent im Kunsthistorischen Museum vertreten – in der Albertina eine zweite, parallele Großausstellung in Wien erhält. Hängen im KHM seine Riesengemälde zwischen den „Klassikern“ der Kunstgeschichte, so konzentriert sich die Albertina auf jene Baselitz-Zeichnungen, die der Künstler dem Haus geschenkt hat. Sie bereichern die „Graphische Sammlung“, die immer noch eine wesentliche Grundlage der Albertina ist, um ein bedeutendes Konvolut Gegenwartskunst.

Von Renate Wagner

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Georg Baselitz    Geboren am 23. Januar 1938 in Sachsen, nahm Hans-Georg Kern als Künstler den Namen seiner Geburtsstadt Baselitz an. Er selbst gab an, dass  eine Kindheit im Krieg ihn auch für sein künstlerisches Schaffen geprägt hat. Tatsächlich zeigen schon seine frühen Werke auf der Basis von Gegenständlichkeit die charakteristische Handschrift, von Zerstörung zu berichten, quasi das Gesehene zu zerlegen.

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Dass sich Baselitz 1969 zur großen Umkehr entschloß, seine Werke „auf den Kopf zu stellen“, um die Welt aus diesem „absurden“ Blickwinkel neu zu betrachten, bezeichnet Antonia Hoerschelmann, Kuratorin der Albertina-Ausstellung, als „Fluch und Segen zugleich“. Seine Kunst hat damit einen hohen Wiedererkennungswert erreicht, was Popularität und Marktwert steigerte. Andererseits kann passieren, dass sein künstlerisches Konzept der Neubefragung der Wirklichkeit nicht erkannt und möglicherweise als berechnender Kunstgriff betrachtet wird.

Das graphische Werk     Georg Baselitz ist vor allem für seine großformatigen Gemälde bekannt geworden. Seine Graphik – Tusche, Kohle, Kreide, Bleistift, Pastell, Aquarelle –  bleibt in der Größe im Rahmen des Üblichen. Diese Werke sind keine Entwürfe für Bilder – „Ich habe meine Zeichnungen immer separat gemacht. Sie haben dieselbe Geschichte darauf, dieselbe Figur und denselben Inhalt, aber sie sind eigenständig zur Malerei“, sagte er selbst.

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Was dabei auffällt, ist weniger das Inhaltliche, das Bekannte, als das breite Spektrum des Ausdrucks, wobei Phasen seiner Entwicklung („Kampfbilder“ oder das „Remix“ eigener früherer Werke) klar werden. Formal finden sich also von äußerster expressiver Brutalität bis zu geradezu impressionistisch lockerer Zartheit überraschende Ausdrucksnuancen, die der Ausstellung eine fesselnde Spannung verleihen.

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Die Schenkung     Es müssen aufregende Tage in der Albertina gewesen sein, als Georg Baselitz hundert seiner Graphiken nach Wien geschickt hatte und Klaus Albrecht Schröder und seine Kuratorin sowie die Abgesandten der Morgan Library in New York (als die andere, von der Schenkung begünstigte Partei) hier aus den zur Verfügung gestellten Werken auswählen durften. Dabei verfügte die Albertina ihrerseits bereits über ein größeres Konvolut seiner Arbeiten, man also unter  den Zeichnungen, Aquarellen und Gouachen vor allem nach Ergänzungen suchte.

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Das macht es auch möglich, die nunmehrige Ausstellung, die auf dieser Schenkung basiert, tatsächlich chronologisch zu hängen, von den „aufrechten“ Anfängen bis zu den vielen Variationen, die er seiner Kunst gab. Von 1962 bis 2018 werden in den Räumen der Tietze Galerie die wichtigsten Entwicklungsstufen von Baselitz nachgezeichnet.

Köpfe, Körper, Abstraktionen     Obwohl Baselitz auch in Zeiten einer „Gegenständlichkeit“ treu blieb, als andere Künstler diese für überholt erachteten, nähern sich manche seiner Werke in hohem Maße der Abstraktion (oft verweist nur der Titel auf die Möglichkeit, etwas Reales dabei zu erkennen).  Man sieht Werke, die „gerade“ sind, auch aus späterer Zeit, dann das charakteristische Verkehrte – oder beides auf quasi Doppelbildnissen. 

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Baselitz hat, wie er selbst formulierte, „die Umkehr des Motivs“ als naheliegende Möglichkeit gefunden, die Dinge neu zu betrachten. Meist steht der Mensch im Mittelpunkt, oft nur als Kopf, oft als verformter Körper, oft auch Füße allein. Die Umkehr scheint aus jedem seiner Bilder eine Frage zu machen, die man bei „gerader“ Gestaltung vielleicht nicht stellen würde.

WIEN / Albertina / Tietze Galerie:
GEORG BASELITZ 
100 ZEICHNUNGEN
von 7. Juni 2023 bis ZUM 17. September 2023
Täglich | 10 bis 18 Uhr.
Mittwoch & Freitag | 10 bis 21 Uhr

 

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