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WIEN / Albertina: EDVARD MUNCH IM DIALOG

17.02.2022 | Ausstellungen, KRITIKEN

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WIEN / Albertina /  Kahn Galerie und Tietze Galerie
EDVARD MUNCH IM DIALOG
V
om 18. Februar 2022 bis zum 19. Juni 2022 

Der Großmeister und seine Follower

Munch als Thema einer Ausstellung stand 2003 am Beginn der Ära von Klaus Albrecht Schröder als Direktor der Albertina, 2013 widmete sich die nächste große Munch-Ausstellung am Haus seiner Druckgraphik. Und nun zeigt man gewissermaßen „Munch und die anderen“, bietet an sieben Beispielen den Einfluß, den Edvard Munch auf Künstler der Gegenwart genommen hat. Die Albertina hat ihren ganzen zweiten Stock mit zwei Ausstellungsgalerien frei geräumt, um neben den Alterswerken von Munch auch den Zeitgenossen reichlich Raum zu geben.

Von Renate Wagner

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Wie eine Ausstellung entsteht    Museumsdirektoren reisen, sehen sich an, was andere Häuser zeigen (etwa eine Munch-Ausstellung in San Francisco), man empfängt Eindrücke, gebiert Ideen. Und man trifft Künstler. Und diese berichten  einem unabhängig von einander, wie wichtig Edvard Munch für sie als Inspiration war. Georg Baselitz erzählte Klaus Albrecht Schröder, wie er sich mit Munch in nächtlicher Einsamkeit fand, auch andere äußerten tief gefühlte Verwandtschaft. Wenn dann mit Dieter Buchhart ein Kurator dazu kommt, der sich schon seit Jahrzehnten mit Munchs Einfluss auf folgende Künstlergenerationen befasst, und mit Antonia Hoerschelmann eine Albertina-Kuratorin dafür zu begeistern ist, dann wächst ein Ausstellungskonzept. Das man zu Beginn viel breiter anlegen wollte – an die 50 Künstler waren angedacht, die man in Munch-Verwandtschaften darzustellen beabsichtigte. Am Ende allerdings blieben nur sieben übrig, einer davon (Andy Warhol, 1928 – 1987) ist verstorben, alle anderen sind am Leben und haben sich an der Wiener Ausstellung beteiligt.

Edvard Munch       Der Mann, um den es geht, ist ein Großmeister der Malerei und der Druckgraphik. Und doch ein düsterer Skandinavier. Geboren 1863, verstorben 1944, hat der Norweger ein Riesenwerk von ca. 1700 Gemälden und zahllosen Graphiken hinterlassen, die beispielhaft seelisches Unglück repräsentieren – „Der Schrei“ wurde zu einer Ikone der Moderne schlechthin. In dem Leben von Edvard Munch häuften sich menschliche Verluste und persönliche Tragöden, denen er in expressivster Formensprache Ausdruck verlieh. Es sind diese dichten Bilder, die Munch berühmt machten, Menschen und Landschaften in tragödienhafter Schattierung.

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Munch und das Alterswerk    Die nunmehrige Ausstellung der Albertina zeigt zwar die berühmtesten Werke, konzentriert sich aber vorwiegend auf das Alterswerk, das einen ruhigeren Duktus hat. Der ältere Maler hat sich von der persönlichen Betroffenheit in eine Distanziertheit zurück gezogen, die nicht mehr so laut, so intensiv wirkt – ohne allerdings ihre Kraft zu verlieren. Jetzt kann eine Landschaft fast „ästhetisch“ wirken, jetzt können Menschen in Farben „verschwimmen“, so dass die genauen Umrisse kaum mehr auszumachen sind, jetzt gleitet manches Gegenständliche in die Abstraktion. Das ist der weniger bekannte Munch, der hier gezeigt wird.

Und die anderen…. vor allem Warhol    Das Konzept der Ausstellung ist auf Übersichtlichkeit ausgerichtet, bietet Munch seine eigenen Räume und jedem der sieben „Sterne“, die ihm umkreisen, auch. Wobei es nicht so schwer ist, bei den gewählten Künstlern und Werken Zusammenhänge zu Munch zu finden, zumal die Ansatzpunkte ja reichlich gegeben sind – stilistisch, inhaltlich, in der Stimmung.

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Im zweiten Stock gehören die links gelegenen Zimmer der Tietze Galerie fast ausschließlich Andy Warhol, fast. Denn ein  Raum ist dem Amerikaner Jasper Johns (* 1930) gewidmet, wo man den Munch-Bezug am dürftigsten findet: Er hat eine Postkarte von Munchs „Selbstporträt zwischen Uhr und Bett“ gesehen und war von den schlichten Streifen der Bettdecke so fasziniert, dass er diese paraphrasiert hat. Weit ausführlicher hat sich Andy Warhol mit Munch beschäftigt, indem er dessen Ikonen (wie andere Ikonen aus Kunst und Geschichte) im Sinn seiner verschiedenfarbigen Siebdrucke verarbeitet hat: die Madonna, das Selbstporträt (mit der darunter liegenden „Knochenhand“), und natürlich den „Schrei“. Seine Experimente des Überzeichnens und des Jonglierens mit der Farbe ergeben eine faszinierende Mischung aus Munch und Warhol.

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Rechter Hand in der Kahn Galerie   So großzügig hier der späte Munch ausgestellt ist, so finden sich Gegenwartskünstler nicht minder beachtet. Der berühmteste unter ihnen ist Georg Baselitz (*1938), dessen Landschaften mit jenen des späten Munch unzweifelhafte Verwandtschaft aufweisen und dessen „hängende“ Menschen der Munch’schen Verzweiflung nicht fern sind. Der Schotte Peter Doig (*1959) malt Unheimliches, Einsamkeit, Rätselhaftigkeit.

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Und noch die Damen    Klaus Albrecht Schröder hat sich stets gewehrt, irgendwelche Künstler nach der „Quote“ zu wählen, dennoch sind Frauen in den Albertina-Ausstellungen führend präsent. Hier die Schweizerin Miriam Cahn (*1949), deren  „Hände hoch!“ die geistige Verwandtschaft zu den verzweifelten Händen des „Schreis“ ebenso wenig leugnet wie ihre blassen Menschengesichter an die unglücklichen Geschöpfe von Munch gemahnen. Die Südafrikanerin Marlene Dumas (*1953) zeigt in einem Hauptwerk das tote Schneewittchen (die Groteskköpfe der sieben Zwerge dahinter) wie in der Prosektur aufgebahrt, Unheimlichkeit und Tod suggerierend. Immer wieder ist in ihrer Präsentation von Menschen das ganze Elend (auch der Schwarzen in ihrer südafrikanischen Heimat) zu spüren. Die Britin Tracy Emin (*1963) wird nicht auf Anhieb mit ihren Werken auf Munch bezogen werden, aber sie bezeichnet ihn als ihren Lieblingskünstler, und in einer Ecke (hinter Warhol in der Tietze Galerie) läuft ein Film von ihr, zu dem man durch die Schreie hingelockt wird…

Albertina / Kahn Galerie und Tietze Galerie
Edvard Munch im Dialog
Bis zum 19. Juni 2022,
täglich 10-18 Uhr, Mittwoch und Freitag bis 21 Uhr

 

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